Nachträgliche Heranziehung zum EEG-Belastungsausgleich für 2004 bis 2008

14. Dezember 2017 um 10:53 von

OLG NaumIn einem Berufungsurteil vom 01.12.2017 (Az. 7 U 23/17) hat das OLG Naumburg der Klage eines Übertragungsnetzbetreibers (zunächst dem Grunde nach) stattgegeben, mit welcher für den EEG-Belastungsausgleich der Jahre 2004 bis 2008 noch nachträglich gesetzliche Stromabnahme- und Pflichtvergütungsansprüche gegen einen Letztverbraucherlieferanten geltend gemacht werden.

Der Stromlieferant hatte seinerzeit in der Annahme, die dortige „konzerninterne“ Stromversorgung könne als belastungsfreie Eigenerzeugung gelten, seinen Letztverbraucherabsatz nicht gemeldet. Der ÜNB gab seinerseits an, von den außerhalb der öffentlichen Netze vollzogenen Stromlieferungen jahrelang nichts gewusst zu haben. Im Rahmen der angestrengten Stufenklage sind dem ÜNB bereits Auskunfts- und Testierungsansprüche zuerkannt worden (BGH, Urt. v. 06.05.2015 – VIII ZR 56/14), ehe nun auch in der Leistungsstufe das zugunsten des ÜNB ergangene Grundurteil obergerichtlich bestätigt worden ist.

In dem betreffenden Urteil vom 01.12.2017 nimmt das OLG noch einmal zu folgenden grundlegenden Fragen Stellung:

  • Für das tatbestandsmäßige „Liefern von Strom an Letztverbraucher“ kommt es auf die zugrundeliegenden vertraglichen Vereinbarungen an, nicht auf die physikalische Abwicklung (S. 25).
  • Eine den Lauf der Verjährungsfrist auslösende Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen setzt voraus, dass dem ÜNB das konkrete Vertragsmodell bzw. die konkrete Vertragskonstruktion zwischen Stromlieferant und Letztverbraucher bekannt ist (S. 26).
  • Das EEG 2004 stellt keine notifizierungspflichtige Beihilfe i.S.v. Art. 108 AEUV dar, was sich in Abgrenzung zu späteren Gesetzesfassungen und ungeachtet der erstinstanzlichen Rechtsprechung des EuG zum EEG 2012 (Urt. v. 10.05.2016 – T-47/15) insbesondere daraus ergibt, dass die von den ÜNB im Gegenzug zu den Pflichtabnahmemengen vereinnahmten EEG-Vergütungsbeträge – anders als die spätere EEG-Umlage – weder auf einem separaten Konto verwaltet wurden noch einer spezifischen Verwendungsbeschränkung unterlagen (S. 35-37).
  • Ungeachtet der Umstellung auf das rein monetäre EEG-Umlage-System ist ein physikalischer Belastungsausgleich – d.h. durch einen Leistungsaustausch Strom gegen Geld – für die Jahre 2004 bis 20087 weiterhin möglich und zulässig (im Anschluss an OLG Celle, Urt. v. 15.05.2014 – 13 U 153/13). Insbesondere gilt, dass hierfür zwar wegen der verpflichtenden Börsenvermarktung durch die ÜNB keine aktuellen EEG-Wälzungsmengen verwendet werden dürfen, stattdessen aber beliebige sonstige (börsliche oder außerbörsliche Handels‑)Mengen in Betracht kommen (S. 19-21).

Die Revision gegen dieses Urteil vom 01.12.2017 hat das OLG nicht zugelassen. Losgelöst davon steht die (erstinstanzliche) Entscheidung über die Anspruchshöhe aber weiterhin aus – so dass die abschließende gerichtliche Klärung wohl erst erreicht sein wird, wenn in allen vergleichbaren Fällen selbst die kenntnisunabhägige 10-jährige Verjährungsfrist bereits verstrichen ist…

 

Bundesverfassungsgericht bestätigt BGH zu Netzentgelten

19. Oktober 2017 um 17:39 von

justitia-421805_640Mit Beschluss vom 26.09.2017 hat das Bundesverfassungsgericht die Urteilsverfassungsbeschwerden (1 BvR 1486/16, 1 BvR 1487/16, 1 BvR 2490/16 und 1 BVR 2491/16; Pressemeldung) des Ökostrom- und Ökogasanbieters LichtBlick SE gegen mehrere BGH-Entscheidungen nicht zur Entscheidung angenommen. Der BGH hatte zuvor Klagen der LichtBlick SE (EnZR 50/14, EnZR 72/14, EnZR 19/15 und EnZR 20/15) wegen angeblicher Unbilligkeit aufsichtsbehördlich genehmigter Netzentgelte zurückgewiesen.

Mit ihren Verfassungsbeschwerden hatte sich LichtBlick insbesondere gegen die Rechtsprechung des BGH zur Indizwirkung der aufsichtsbehördlichen Entgeltgenehmigung gewandt.

Das Bundesverfassungsgericht weist in dem heute bekannt gewordenen Beschluss die Argumentation von LichtBlick zurück und bestätigt zugleich die Rechtsprechung des BGH. Der Gesetzgeber habe mit der Entscheidung für eine Ex-ante-Regulierung in zulässiger Weise der Rechtssicherheit in Bezug auf die Höhe der Netzentgelte ein größeres Gewicht zugebilligt als dem individuellen Kostenfeststellungsinteresse. Ausgehend hiervon beruhe die Annahme einer Indizwirkung in der Rechtsprechung des BGH nicht auf sachfremden Erwägungen.

Darüber hinaus erkannt das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss den Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Netzbetreiber trotz ihres natürlichen Monopols an. Unter welchen Voraussetzungen der Geheimnisschutz im Einzelfall gegebenenfalls hinter den Interessen des Nutznutzers zurückzustehen hat, musste das Bundesverfassungsgericht wegen der bereits ausgesprochenen Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerden allerdings nicht entscheiden.

BGH bestätigt: Verzug ohne Mahnung bei Fälligkeitsangabe auf Energierechnung – Achtung: Zweiwochenfrist ab Zugang muss eingehalten sein

2. August 2016 um 12:07 von

bgh_front2Mit noch unveröffentlichtem Versäumnisurteil vom 08.06.2016 (VIII ZR 215/15) hat der BGH im Grundsatz bestätigt, dass die Angabe der Fälligkeit des Rechnungsbetrages auf der Stromrechnung eine kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit in § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist, so dass der Kunde auch ohne Mahnung in Verzug gerät, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

 

1. § 17 Abs. 1 StromGVV ist anwendbar und

2. das EVU hält bei der Fälligkeitsangabe die Frist von mindestens zwei Wochen ab Zugang der Rechnung ein.

Die Entscheidung ist auf die Gasversorgung (§ 17 Abs. 1 GasGVV) sowie die Wasserversorgung (§ 27 Abs. 1 AVBWasserV) übertragbar.

Einschlägig ist die Verordnungsbestimmung, wenn es sich um ein Grundversorgungsverhältnis (Tariflieferverhältnis) handelt oder sie „aus anderen Gründen anwendbar ist“ (BGH, a.a.O. Rn. 34), d.h. in einen Sondervertrag wirksam einbezogen wurde.

Dem EVU ist hierüber ein Recht im Sinne von § 315 BGB zur einseitigen Bestimmung der Fälligkeit und damit auch der Leistungszeit eingeräumt (BGH, a.a.O. Rn. 29). Der BGH hat sich damit der überwiegend vertretenen Auffassung angeschlossen und begründet dies zutreffend im Wege der Auslegung des Wortlauts und Regelungszusammenhangs unter Berücksichtigung von Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Hinweis, dass diese nicht nur Kundenbelangen Rechnung tragen soll, sondern ebenso einem zügigen Inkasso und damit dem Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst kostengünstigen Energieversorgung (BGH, a.a.O. Rn. 32), verdient Zustimmung. Da das EVU bei seiner einseitigen Leistungszeitbestimmung nicht völlig frei ist, sondern, hierbei zu beachten hat, dass dem Kunden eine Zahlungsfrist von wenigstens zwei Wochen ab Zugang der Rechnung verbleibt (BGH, a.a.O. Rn. 33), sind die Belange des Kunden hinreichend berücksichtigt.

Die Zweiwochenfrist ab Zugang der Rechnung muss das EVU bei der Bestimmung der Leistungszeit allerdings einhalten, da die Bestimmung ansonsten unbillig und damit unwirksam wäre (BGH, a.a.O. Rn. 34).

Die Entscheidung gibt aus Sicht der EVU Anlass zu prüfen, ob die Angaben auf den Rechnungen die unternehmensinternen Abläufe bei der Rechnungserstellung und den gewöhnlichen Postlauf hinreichend berücksichtigen. Zum anderen ist zu erwägen, vorsorglich einen Hinweis über den Verzugseintritt spätestens nach 30 Tagen ab Fälligkeit und Zugang der Rechnung aufzunehmen (vgl. § 286 Abs. 3 BGB).

Meldepflichten zum EEG-Anlagenregister ernst nehmen!

1. Juli 2016 um 08:00 von

photovoltaic-352670_640Ein aktuelles Urteil des OLG Schleswig vom 21.06.2016 (Az: 3 U 108/15; Pressemeldung) findet derzeit große Beachtung, obwohl es eigentlich nichts Außergewöhnliches oder Überraschendes beinhalten sollte. Der dortige Senat hat einen nach dem EEG vergütungspflichtigen Netzbetreiber in seinem Ansinnen bestätigt, von einem PV-Anlagenbetreiber an diesen gezahlte EEG-Förderungen zurückzufordern, weil die Anlage nicht ordnungsgemäß beim EEG-Anlagenregister gemeldet war. Begründet hat das OLG Schleswig seine Entscheidung unter anderem damit, dass die Rückforderung zu Unrecht ausgezahlter EEG-Förderungen allgemeinen Interessen diene.

Zuvorderst sollten an dem Rückforderungsanspruch des Netzbetreibers jedoch keine Zweifel bestehen, weil die Rechtsfolgen eines Meldeverstoßes ungeachtet der gesetzgeberischen Motive in den entsprechenden Vorschriften – aktuell § 25 EEG 2014 – eindeutig geregelt sind. Interpretationsspielraum besteht selbst bei bestem Willen nicht.

Das OLG Schleswig hat unter Hinweis auf mehrere weitere gleichgelagerte Verfahren und die grundsätzliche Bedeutung der Klärung der Rechtsfrage zwar die Revision zum BGH zugelassen, eine abweichende Entscheidung des BGH sollte aber überraschen.

Die Entscheidung des OLG Schleswig zeigt einmal mehr, dass man die Meldevorschriften des EEG und die damit verbundenen Sanktionen ernst nehmen sollte; und zwar nicht nur als Anlagen-, sondern auch als vergütungspflichtiger Netzbetreiber. Vor diesem Hintergrund sollten alle Beteiligten in regelmäßigen Abständen die Voraussetzungen eines Vergütungsanspruchs des Anlagenbetreibers überprüfen.

Auch wenn das OLG Schleswig – zu Recht – anmerkt, dass dem Netzbetreiber keine Pflicht obliegt, den Anlagenbetreiber – ggf. über einen einfachen Hinweis hinaus – über das Registrierungserfordernis zu informieren oder ihn gar zur Anmeldung anzuhalten, sollte der Netzbetreiber wachsam sein. Zu Unrecht ausgezahlte Vergütungen sind nicht nur nach Ansicht des OLG Schleswig gemäß § 57 Abs. 5 Satz 1, 3 EEG 2014 bzw. § 35 Abs. 4 EEG 2012 durch den Netzbetreiber zurückzufordern. Anderenfalls droht die Gefahr der mangelnden Wälzbarkeit für den Netzbetreiber.

Aber auch der Anlagenbetreiber hat ein Interesse an der regelmäßigen Bestätigung seines Vergütungsanspruchs. Denn der Wegfall der Vergütung kann – selbst für einen begrenzten Zeitraum – schnell die gesamte Investition in die Unwirtschaftlichkeit treiben. Eine Aufrechnung mit anderen Ansprüchen des Anlagenbetreibers – etwa aus Schadensersatz – ist unzulässig. Insoweit überzeugt an dieser Stelle der Hinweis des OLG Schleswig auf die Interessen der Allgemeinheit an einer möglichst geringen Belastung durch die EEG-Umlage auf ganzer Linie.

Es bliebe allein der Trost, etwas Guts für die Umwelt getan zu haben.

Neues aus Karlsruhe: BGH bestätigt am 06.10.2015 zwei wichtige Entscheidungen des OLG Düsseldorf

8. Oktober 2015 um 09:32 von

bgh_front2Wir hatten in unserem Block über eine Entscheidung des OLG Düsseldorf zu § 26 Abs. 2 Satz 1 ARegV berichtet. Darin hatte das OLG Düsseldorf die Auffassung der Bundesnetzagentur zur Ausgestaltung des Verfahrens zur Aufteilung der Erlösobergrenzen nach § 26 Abs. 2 ARegV verworfen. Zugleich hatte das OLG Düsseldorf abgelehnt, dem aufnehmenden Netzbetreiber aus § 26 Abs. 2 Satz 1 ARegV einen unmittelbaren Auskunftsanspruch gegen den abgebenden Netzbetreiber einzuräumen.

Diese Entscheidung hat der BGH nun mit Beschluss vom 06.10.2015 bestätigt. Die Entscheidungsgründe, auf die man gespannt sein darf, liegen derzeit aber noch nicht vor. In der mündlichen Verhandlung ließ der BGH allerdings Sympathie für die Ausführungen des OLG Düsseldorf zu den Verfahrensfragen erkennen. Wenn es dabei bleibt, werden die Regulierungsbehörden zukünftig auch einseitige Anträge eines Netzbetreibers auf Aufteilung der Erlösobergrenze bescheiden müssen. Das würde dann zu einer Reihe von neuen Verfahrensfragen führen, und zwar insbesondere dann, wenn unterschiedliche Behörden für den abgebenden und den aufnehmenden Netzbetreiber zuständig sind.

Darüber hinaus hat der BGH am selben Tag zu § 19 Abs. 2 StromNEV a. F. einen ebenfalls für die Branche sehr bedeutsamen Beschluss gefasst:

Im Ausgangsverfahren ging es um die Beschwerde eines regionalen Netzbetreibers gegen einen Bescheid der Bundesnetzagentur, der zur vollständigen Befreiung eines stromintensiven Letztverbrauchers von den Netzentgelten auf der Grundlage des § 19 Abs. 2 StromNEV a. F. ergangen war (Fassung gemäß Artikel 7 des Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 26.07.2011).

Diesen Bescheid der Bundesnetzagentur hatte das OLG Düsseldorf im Beschwerdeverfahren aufgehoben. Die dagegen erhobene  Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur wurde jetzt vom BGH zurückgewiesen.

Auch hier liegen die Entscheidungsgründe noch nicht vor. Mutmaßlich wird der BGH aber die Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf bestätigen, dass die vollständige Befreiung stromintensiver Letztverbraucher von Netzentgelten, die unter bestimmten Voraussetzungen in § 19 Abs. 2 StromNEV a. F.  vorgesehen war, wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam ist.