Das Ende der Kundenanlagen!?!

28. November 2024 um 13:52 von

Mit Entscheidung vom heutigen Tag (28.11.2024) hat der EuGH (C‑293/23) festgestellt, dass zur Bestimmung eines Verteilernetzes nach nationalem Recht keine anderen Eigenschaften herangezogen werden dürfen als das Kriterium der Spannungsebene und das Kriterium der Kategorie von Kunden, an die der Strom weitergeleitet wird. Hinfällig sind demnach alle weiteren Abgrenzungsmerkmale, wie sie  in § 3 Nr.24a und 24b EnWG normiert sind. Der EuGH führt wörtlich aus:

„Dagegen sind weder der Zeitpunkt, zu dem ein solches Netz errichtet worden ist, noch der Umstand, dass der übertragene Strom in einer Kundenanlage in dem spezifischen Sinne, den die nationalen Rechtsvorschriften diesem Begriff beimessen, erzeugt wurde, noch der Umstand, dass ein solches Netz von einem privaten Rechtsträger betrieben wird und an dieses eine begrenzte Zahl von Erzeugungs- und Verbrauchseinheiten angeschlossen ist, noch seine Größe oder sein Stromverbrauch insoweit maßgebliche Kriterien, da der Unionsgesetzgeber nicht bestimmte Verteilernetze aufgrund solcher Kriterien vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausnehmen wollte (vgl. entsprechend Urteil vom 17. Oktober 2019, Elektrorazpredelenie Yug, C‑31/18, EU:C:2019:868, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

Ebenso wenig sind der Umstand, dass der weitergeleitete Strom in einem Blockheizkraftwerk erzeugt wird, oder der Umstand, dass die Anlagen, die dieser Weiterleitung dienen, jedem unentgeltlich zur Verfügung stehen, insoweit maßgebliche Kriterien, da der Unionsgesetzgeber die Methode zur Erzeugung des weitergeleiteten Stroms oder den Tarif für die Nutzung der betreffenden Infrastruktur nicht als Kriterien herangezogen hat, um zu bestimmen, ob ein Verteilernetz vorliegt.“

[EuGH (C‑293/23), Tz. 54, 55]

Welche konkreten Folgen aus der Entscheidung abzuleiten sind und wie es weitergeht, wird zunächst der BGH (EnVR 83/20) entscheiden müssen. Man darf auf diese Entscheidung sowie auf die erwartbar nachfolgenden gesetzgeberischen Aktivitäten gespannt sein. Zudem wird sich zeigen (müssen), wie mit vorhandener Infrastruktur in bisherigen Kundenanlagen umzugehen ist.

Link zur Entscheidung: ECLI:EU:C:2024:992

 

(Zu) Hohe Hürden für die Kündigung eines wettbewerblichen Messtellenbetreibers (wMSB)

27. September 2024 um 15:55 von

Am 19.09.2024 hat sich wohl erstmals ein Oberlandesgericht mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen der von der Bundesnetzagentur (BNetzA) vorgegebene Messstellenbetreiber-Rahmenvertag (MSB-RV) seitens der Netzbetreiberin aus wichtigem Grund gekündigt werden kann.

Im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens hat der 5. Kartellsenat des OLG Düsseldorf (VI-5 W 3/24 [Kart]) einer Netzbetreiberin untersagt, die Zähler eines wMSB auszubauen und die Kunden über die Übernahme des Messstellenbetriebs durch den grundzuständigen Messstellenbetreiber zu informieren. Die Netzbetreiberin hatte den MSB-RV außerordentlich gekündigt, weil der Messstellenbetreiber über mehrere Jahre immer wieder die von der BNetzA festgelegten Wechselprozesse im Messwesen (WiM) nicht eingehalten hatte.

Beanstandet wurden über lange Zeiträume u.a. die fehlende oder nicht fristgerechte Übermittlungen der Messwerte von RLM-Zählern und intelligenten Messsystemen, deren (Lastgang-)Daten täglich an die Netzbetreiberin übermittelt und spätestens am 9. Tag des Folgemonats vollständig vorliegen müssen, um die Lieferanten- und Netznutzungsabrechnung zu ermöglichen.

In erster Instanz hatte das Landgericht den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung noch mit der Begründung zurückgewiesen, dass der wMSB den hohen gesetzlichen Anforderungen an einen zuverlässigen Messstellenbetrieb nicht gerecht geworden war, weil er teilweise über Monate hinweg gerügte Mängel einer nicht unerheblichen Zahl von Messeinrichtungen oder fehlerhafte bzw. unvollständige Messdaten nicht nachgebessert oder Störungen beseitigt hatte.

Das OLG Düsseldorf hingegen erließ die begehrte Unterlassungsverfügung, weil einzelne bemängelte Pflichtverletzungen im Zeitpunkt der Kündigung nicht mehr vorlagen, es bei einzelnen Pflichtverletzungen an dem erfolglosen Ablauf einer zur Abhilfe gesetzten Frist bzw. einer Abmahnung mangelte und die jeweilig verbliebenen Pflichtverletzungen nicht als schwerwiegend im Sinne der vertraglichen Kündigungsvoraussetzungen zu bewerten seien.

Nach Ansicht des Gerichts seien in der Gesamtbetrachtung der Pflichtverletzungen keine geringen Anforderungen an „schwerwiegende Vertragsverstöße“ gegen „wesentliche Vertragsregelungen“ zu stellen, da ansonsten der vom Gesetzgeber gewünschte Wettbewerb unterlaufen werde.

Vor dem Hintergrund solch hoher Hürden bedarf es seitens der Netzbetreiber bereits im Vorfeld einer äußerst sorgfältigen Vorbereitung einer Kündigung aus wichtigem Grund, wenn wettbewerbliche Messtellenbetreiber die vorgegebenen Marktkommunikationsprozesse dauerhaft missachten. Im Zweifel muss versucht werden, solche Zuwiderhandlungen auch in Wege von Aufsichtsmaßnahmen der Bundesnetzagentur nach § 76 MsbG fest- und abstellen zu lassen.

LG Stuttgart zur Verfahrensgestaltung bei Konzessionsvergabe – Unzulässigkeit vertraglicher Mindestanforderungen

5. Juni 2024 um 09:00 von

Das Landgericht Stuttgart hat sich in einer Entscheidung vom 29.04.2024 (35 O 24/24 KfH) mit unterschiedlichen Aspekten der Verfahrensgestaltung auf der zweiten Stufe des Rüge- und Präklusionsregime nach § 47 EnWG befasst.

Unter anderem hat das Landgericht festgestellt, dass eine Gemeinde verpflichtet ist, alle Bieter – in anonymisierter Form – über sämtliche Rügen  und deren Behandlung durch die Gemeinde nebst Begründung zu informieren. Andernfalls verstößt sie gegen das Gebot eines transparenten und diskriminierungsfreien Verfahrens.

Darüber hinaus hat sich das Landgericht mit der Zulässigkeit gleich mehrerer konzessionsvertraglicher Mindestanforderungen auseinandergesetzt und entschieden, dass die von der Gemeinde geforderten Mindestregelungen – namentlich solche zu Folgekosten, Sonderkündigung, Angebotsinhalt als wesentlicher Vertragsinhalt sowie zum Rückbau stillgelegter Gasleitungen –, die zum Ausschluss vom Bieterverfahren bei Nichtbefolgung führen würden, rechtswidrig sind. Bieter, die dieser Forderung nicht oder nicht in vollem Umfang nachkommen, würden hierdurch diskriminiert.

Zwar soll es nach Auffassung des Landgerichts nicht per se unzulässig sein, bestimmte Mindestanforderungen festzulegen. Von einer Unzulässigkeit sei aber dann auszugehen, wenn kein hinreichendes, dem § 46 Abs. 1 Satz 2 EnWG oder den Zielen des § 1 EnWG dienendes Interesse erkennbar sei, die genannten Mindestanforderungen nicht nur als Auswahlkriterien mit der Sanktion des Punktverlusts bei Nichterfüllung auszugestalten, sondern an die nicht vollständige Erfüllung dieser Anforderungen den zwingenden Ausschluss vom Verfahren zu knüpfen. Der Gemeinde dürfe kein freies Ermessen dahingehend eingeräumt sein, selbst zu entscheiden, welche der Auswahlkriterien sie als Mindestanforderung mit der Sanktion des Ausschlusses bei Nichterfüllung festlege. Denn dann könnte sie als marktbeherrschendes Unternehmen sämtliche eigenen Interessen einseitig durchsetzen, was § 19 GWB aber gerade verhindern solle.

Von besonderer Relevanz dürften dabei die Ausführungen des Landgerichts zu den als Mindestforderung festgelegten Vertragsregelungen zum Rückbau stillgelegter Gasleitungen sein. Auch hier sei ein hinreichendes Interesse der Gemeinde an einer vertraglichen Rückbauverpflichtung nicht ersichtlich. Dem Einwand der Gemeinde, dass sich eine  Rückbaupflicht ohnehin aus § 1004 BGB ergebe, hält das Landgericht dabei entgegen, dass das Recht aus § 1004 BGB gewissen Einschränkungen unterliege und in besonderer Weise durch den Gedanken der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit geprägt sei. So könne der Beseitigungsanspruch in Ausnahmefällen beschränkt oder ganz ausgeschlossen sein, wenn die Beseitigung für den Störer mit unverhältnismäßigen, billigerweise nicht mehr zumutbaren Aufwendungen oder Mühen verbunden wäre und ihre Geltendmachung deshalb rechtsmissbräuchlich erscheint, was heute unmittelbar aus § 275 Abs. 2 folge.  Insofern sei hinsichtlich der von der Gemeinde verlangten unbedingten Rückbauverpflichtung festzustellen, dass eine zwingende Beseitigung von Anlagen gerade bei unterirdisch verlegten Leitungen zu unverhältnismäßig hohen Kosten und Eingriffen in die Infrastruktur und Natur führe. Das Landgericht kommt daher zu dem Ergebnis, dass die einseitige Durchsetzung einer vertraglichen Regelung zur Beseitigung solcher Gasleitungen einen Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung darstellt.

Keine Entschädigung für Ausgleichsenergie nach der Härtefallklausel

4. März 2024 um 09:00 von

In einer aktuellen Entscheidung des OLG Bamberg vom 08.02.2024 (8 U 141/22) findet eine Reihe von Rechtsstreitigkeiten, in denen von einer Abregelung einer EEG-Anlage Betroffene Mehrkosten für bezogene Ausgleichsenergie nach der Härtefallklausel des § 15 EEG a.F. geltend gemacht haben, mutmaßlich seinen Schlusspunkt.

Inzwischen haben mehrere Oberlandesgerichte entschieden, dass dem bilanzkreisverantwortlichen Direktvermarkter kein Anspruch auf Ersatz für abregelungsbedingte höhere Ausgleichsenergiekosten gegen den abregelnden Netzbetreiber zusteht. Dabei wurde über vielfältige Sachverhaltskonstellationen und unterschiedliche rechtliche Argumentationsversuche entschieden. Allen gemeinsam war jeweils, dass dem in § 15 Abs. 1 EEG a.F. (und Vorgängernormen) nicht adressierten Direktvermarkter ein Anspruch auf Ersatz dieser Mehrkosten als „zusätzliche Aufwendungen“ beschert werden sollte. Sämtliche Verfahren verliefen für die Direktvermarkter erfolglos. Etwaige Nichtzulassungsbeschwerden wurden vom BGH zurückgewiesen.

Das Novum in dem durch das OLG Bamberg zu entscheidenden Sachverhalt lag allerdings darin, dass anstelle des Direktvermarkters der Anlagenbetreiber selbst, nachdem er die höheren Ausgleichsenergiekosten an den Direktvermarkter erstattet hatte, als finanziell belasteter Kläger auftrat. Gleichwohl hat das OLG Bamberg unter Verweis auf die anderen obergerichtlichen Urteile entschieden, dass die freiwillige Erstattung durch den Anlagenbetreiber aus den Ausgleichsenergiekosten des Direktvermarkters keineswegs erforderliche und notwendige Aufwendungen des Anlagenbetreibers im Sinne der Härtefallklausel mache.

Dazu fehle es insbesondere an der erforderlichen Unmittelbarkeit zwischen Einspeisemanagementmaßnahme und Aufwendung, die zudem im eigenen Interesse des Anlagenbetreibers erfolgen müsse. Denn die Kosten für die Ausgleichsenergie fielen (unmittelbar) beim Direktvermarkter als Bilanzkreisverantwortlichem und nicht beim Anlagenbetreiber an. Die Belastung des Anlagenbetreibers trete erst durch dessen Vereinbarung mit dem Direktvermarkter ein. Ungeachtet dieses Zwischenschritts, der die Unmittelbarkeit entfallen ließe, werde die Vereinbarung zudem allein zu Gunsten des Direktvermarkters und gleichzeitig zu Lasten des Netzbetreibers geschlossen. Ein eigenes Interesse des Anlagenbetreibers an der Vereinbarung, mit der lediglich die Weiterbelastung begründet werde, existiere nicht. Darüber hinaus verstieße die Vereinbarung des Direktvermarkters mit dem Anlagenbetreiber auch gegen dessen Schadensminderungspflicht, so dass die Aufwendungen des Anlagenbetreibers nicht erforderlich und daher ohnehin nicht ersatzfähig seien.

Für die Zulassung der Revision sah das OLG Bamberg keinen Anlass, da es von den Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte nicht abgewichen sei.

Für nähere Informationen zu diesem und anderen vorangegangen Verfahren, die durch uns betreut wurden, wenden Sie sich gerne an uns.

BGH-Entscheidung zum „Fernwärmenetz Stuttgart“

8. Februar 2024 um 10:48 von

Der BGH stellt in seiner Entscheidung vom 05.12.2023 – KZR 101/20 klar, dass der bisherige Fernwärmenetzbetreiber nur dann einen Anspruch auf die (erneute) Einräumung von Nutzungsrechten haben kann, wenn die technischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten einen parallelen Netzausbau zulassen (Leitsatz a)). Jeder potentiell interessierte Netzbetreiber hat dann einen Anspruch auf die Erteilung eines Wegenutzungsrechts zum Betrieb eines Fernwärmenetzes. Bei bestehenden Netzinfrastrukturen deute die ökonomische Erfahrung aber darauf hin, dass einem Wettbewerb durch parallele Infrastrukturen hohe Marktzutrittsschranken entgegenstehen. Ein bestehendes Fernwärmenetz  begründe (regelmäßig) ein natürliches Monopol. Ein Anspruch auf Wiedereinräumung von Wegenutzungsrechten dürfte daher nach der BGH-Entscheidung nur in Ausnahmefällen bestehen.

Der BGH hat darüber hinaus klargestellt, dass es einer Gemeinde aus kartellrechtlichen Gründen grundsätzlich nicht verwehrt ist, in Anlehnung an die Regelung des § 46 EnWG im eigenen Interesse und im Interesse der Allgemeinheit Wegenutzungsrechte zeitlich begrenzt zu vergeben und einen Wettbewerb um das Netz mit dem Zweck zu organisieren, die wettbewerblichen Nachteile, die mit einem Leitungsmonopol verbunden sind, zumindest teilweise zu kompensieren. Der Umstand, dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Energiewirtschaftsgesetzes ausdrücklich nicht auf den Bereich der Fernwärme erstreckt wissen wollte, schließe eine solche privatautonome Entscheidung der Klägerin zur Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens nicht aus, auch nicht, dass die Beklagte für den danach möglichen Rechtsverlust zu entschädigen ist.

Ausdrücklich offen gelassen hat der BGH in der Entscheidung aber, ob eine Gemeinde nicht nur berechtigt, sondern kartellrechtlich verpflichtet ist, ein transparentes und diskriminierungsfreies Auswahlverfahren durchzuführen. Dies konnte der BGH deshalb offen lassen, weil die Gemeinde in dem zu entscheidenden Sachverhalt ein solches Auswahlverfahren begonnen – und nur ausgesetzt – hatte. In einem solchen Fall, in dem die Gemeinde ein bereits begonnenes Auswahlverfahren für den Weiterbetrieb des Netzes nur ausgesetzt, aber nicht beendet hat und der bisherige Netzbetreiber an diesem Verfahren beteiligt ist, kann die Gemeinde von diesem weder Verschaffung des Eigentums an den in ihren Grundstücken verlegten Leitungen noch Beseitigung der dadurch verursachten Beeinträchtigung ihres Eigentums verlangen (Leitsatz b)).

Die für die weitere Entwicklung im Bereich der Fernwärmeversorgung äußerst bedeutende Frage, ob eine Kommune – ähnlich wie bei Strom und Gas (hier in §§ 46 ff. EnWG ausdrücklich normiert) – auch im Bereich der Fernwärme das Wegenutzungsrecht in einem wettbewerblichen Auswahlverfahren zu vergeben hat oder ob im Bereich Fernwärme auch eine Direktvergabe – etwa an das kommunaleigene Versorgungsunternehmen – zulässig ist, bleibt daher auch nach der Entscheidung des BGH unbeantwortet.