OLG Düsseldorf zu § 26 ARegV

23. Januar 2014 um 10:34 von

Bundesnetzagentur_Gebaeude_136KB[1]In einer mündlichen Verhandlung am 22.01.2014 bestätigte der Kartellsenat des OLG Düsseldorf die Position der Bundesnetzagentur in einem Besonderen Missbrauchsverfahren nach § 31 EnWG, wonach ein aufnehmender Netzbetreiber keinen aus § 26 ARegV ableitbaren Informationsanspruch gegen den abgebenden Netzbetreiber habe. Weigere sich dieser, Netzdaten in Bezug auf das bei ihm verbleibende Teilnetz herauszugeben, handele der abgebende Netzbetreiber nicht missbräuchlich.

Zugleich ging das OLG Düsseldorf kritisch mit einer zentralen Aussage im Leitfaden der Regulierungsbehörden zu § 26 ARegV um. Die dortige Aussage, es müsse ein einvernehmlicher Antrag des aufnehmenden und des abgebenden Netzbetreibers eingereicht werden – mit der Maßgabe, dass im Streitfall die richtige gemeinsame Position im Zivilrechtswege zu klären sei – sei abzulehnen. Es sei originäre Aufgabe der Regulierungsbehörden, Erlösobergrenzen festzulegen und Anträge der Netzbetreiber auf Aufteilung der Erlösobergrenzen nach einem Netzübergang zu bescheiden. Einen Antrag eines einzelnen Netzbetreibers hält der Kartellsenat nach den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ebenso für möglich wie divergierende Anträge der betroffenen Netzbetreiber.

Die Bundesnetzagentur trat dieser Rechtsauffassung entgegen und hielt an den Aussagen des Leitfadens fest. Mit einer kurzfristigen Änderung der Verwaltungspraxis ist also nicht zu rechnen.

goldgas SL GmbH fordert Rückzahlung überhöhter Lieferantenentgelte für Konzessionsabgaben

14. Januar 2014 um 16:40 von

Pipeline1Die goldgas SL GmbH als ein bundesweit tätiger Gaslieferant fordert offenbar in größerem Umfang Konzessionsabgabenzahlungen zurück.

Die Abrechnung der Konzessionsabgabenzahlungen im Gasbereich ist seit langem umstritten. § 2 Abs. 6 KAV ordnet die Wettbewerbsneutralität der Konzessionsabgaben an. Im Falle von Drittbelieferungen sollen grundsätzlich dieselben Konzessionsabgaben gezahlt werden, die  das mit dem Netzbetreiber verbundene oder assoziierte Vertriebsunternehmen in dem Konzessionsgebiet zu zahlen hat. Nach einer Entscheidung des BGH vom 06.11.2012 bedeutet das allerdings nicht, dass ein Drittunternehmen die hohe Tarifkunden-KA zu zahlen hat, wenn der mit dem Netzbetreiber verbundene oder assoziierte Vertrieb nur Tarifverträge anbietet.

Der Rückforderungsanspruch von goldgas stützt sich jedoch auf eine angebliche Unterschreitung des in § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 KAV normierten Grenzpreises. Zwar legt der Wortlaut in § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 KAV eine unternehmensindividuelle Bestimmung des Grenzpreises nahe. Fraglich ist aber, ob damit tatsächlich für jeden einzelnen Lieferanten ein Grenzpreis zu ermitteln ist oder ob dies nur bedeutet, dass anders als im Strom kein bundesweiter, sondern ein auf das Netzgebiet begrenzter Grenzpreis gilt.

Mit dem Willen des Gesetzgebers, das Konzessionsabgabenaufkommen der Gemeinden durch die Neuregelung des EnWG nicht  zu tangieren (BT-Drucks. 15/1468, S. 10), ist die von goldgas vertretene lieferantenindividuelle Bestimmung genauso wenig vereinbar wie mit dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität des Grenzpreises. Im Übrigen wird man Aussagekraft der zum Nachweis der Unterschreitung des unternehmensindividuellen Grenzpreises vorgelegten Wirtschaftsprüfertestate kritisch bewerten müssen.

Klarstellung des BGH: Wirksamer Preissockel bedingt anteilige Fälligkeit von Grundversorgungsentgelten

13. Januar 2014 um 16:29 von

BGH-CiIn einem aktuellen Urteil vom 11.12.2013 (Az. VIII ZR 41/13) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Einwand unwirksamer Preisanpassungen die Fälligkeit des abgerechneten Stromlieferentgelts nicht in voller Höhe entfallen lasse. Jedenfalls bis zu derjenigen Höhe, in der ein Entgelt auch nach dem vertraglichen Ausgangspreis geschuldet ist, sei die Forderung vielmehr fällig. Dieser fällige Sockelbetrag könne insbesondere eine Versorgungsunterbrechung gemäß § 19 Abs. 2 StromGVV rechtfertigen. Den Text dieses Urteils stellen wir Ihnen in der beigefügten Datei zur Verfügung.

Damit hat der Bundesgerichtshof die ursprüngliche Entscheidung der Energiewirtschaftskammer des Landgerichts Dortmunds vom 27.01.2011 (Az. 13 O 46/09 EnWG), auf welche wir seinerzeit in unserer Mandanteninformation hingewiesen hatten, nunmehr bestätigt. Zugleich hat der Senat den Trugschluss, dass er in seinem früheren Urteil vom 09.02.2011 (VIII ZR 295/09, dort Rn. 48) vermeintlich Gegenteiliges entschieden habe, ausdrücklich zurückgewiesen.

Zur Begründung seines aktuellen Urteils vom 11.12.2013 verweist der Senat unter anderem auf die Formulierung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV („soweit“). Diese mache deutlich, dass offensichtliche Fehler in einer Rechnung die Fälligkeit der Forderung nur in dem Umfang hemmen, in dem sich der Fehler auswirkt (BGH, a.a.O. Rn. 16 f.). Keine solche Auswirkung sei jedoch insoweit gegeben, als das streitige Stromlieferentgelt bereits auf Basis des vertraglichen Ausgangspreises (anteilig) geschuldet werde. Hierbei spiele es keine Rolle, ob ein Preisanpassungsrecht (nur) in unbilliger Weise ausgeübt worden sei oder ob es – etwa wegen Verstoßes gegen europarechtliche Vorgaben – schon nicht wirksam bestehe (BGH, a.a.O. Rn. 13 f.).

Schließlich lasse eine (nicht unverhältnismäßig hohe) Zuvielforderung des Versorgungsunternehmens den Zahlungsverzug des Kunden nicht entfallen, solange Letzterem eine eigene Neu‑Berechnung des Entgelts unschwer möglich und somit zumutbar sei. Denn wer ein Zahlungsverweigerungsrecht geltend mache, müsse sich grundsätzlich selbst von dem Umfang seiner diesbezüglichen Berechtigung vergewissern. Folglich sei es nicht Aufgabe des Lieferanten, seine Forderungen nach streitigen und unstreitigen Teilbeträgen aufzuschlüsseln, ehe er die Stromversorgung unterbricht (BGH, a.a.O. Rn. 25 und 27).

Insbesondere im Hinblick auf die rechtspraktischen Konsequenzen ist dieses Urteil des Bundesgerichtshofs gleichermaßen überzeugend und begrüßenswert. Dass nämlich ein Streit um die Wirksamkeit bloßer (anteiliger) Preiserhöhungen dem Kunden die Möglichkeit verschaffen sollte, bis zur endgültigen Klärung und mithin für unabsehbare Zeit entgeltfrei Energie zu beziehen, würde die Vorleistungspflicht des Energielieferanten in unverhältnismäßiger Weise überspannen.

 

 

Karlsruhe locuta, causa finita! – Rechtsverstöße im Konzessionsvergabeverfahren nach § 46 EnWG führen zur Nichtigkeit des Konzessionsvertrages

20. Dezember 2013 um 16:37 von

Mit Urteilen vom 17.12.2013 (Az.: KZR 65/12 und KZR 66/12) hat der BGH die Revisionen gegen die Entscheidungen des OLG Schleswig vom 22.11.2012 (Az.: 16 U Kart. 21/12 und 22/12) zurückgewiesen. Diese mit Spannung erwarteten Entscheidungen des BGH setzen einen Schlusspunkt unter die in Literatur und Rechtsprechung umstrittenen Fragen zur Ausgestaltung des Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG, zu möglichen Rügepflichten sowie zu den Rechtsfolgen fehlerhafter Konzessionsvergabeverfahren. Im Verhandlungstermin hat sich der Kartellsenat zu den einzelnen Rechtsfragen vorläufig wie folgt positioniert:

Der Senat leitet aus dem in § 46 Abs. 1 EnWG ausdrücklich normierten Diskriminierungsverbot eine Verpflichtung der Gemeinde her, ein transparentes und diskriminierungsfreies Konzessionsvergabeverfahren durchzuführen und die relevanten Entscheidungskriterien vorab bekanntzugeben. Ohne eine solche Bekanntgabe werde gegen das Diskriminierungsverbot des § 46 Abs. 1 EnWG verstoßen, worin der Senat zugleich eine unbillige Behinderung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB sieht.

Welche Auswahlkriterien zulässig seien, sei eine durchaus schwierige Rechtsfrage. Der Senat ließ aber deutlich erkennen, dass die Ziele des § 1 EnWG vorrangig zu berücksichtigen seien. Dies gelte ohne weiteres auch für Verfahren die zeitlich vor der Klarstellung des Gesetzgebers in § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG abgeschlossen wurden oder begonnen haben. Bei der Gewichtung der unterschiedlichen Zielsetzungen des § 1 EnWG habe die Gemeinde grundsätzlich einen Entscheidungsspielraum. Zudem könne innerhalb der von der KAV gesetzten Grenzen die Auswahlentscheidung nach Auffassung des Senats daneben durch konzessionsvertragliche Regelungen – wie Folgekostenregelungen, Kommunalrabatte sowie Kaufpreisregelungen – mitbestimmt werden. Die Berücksichtigung darüber hinausgehender fiskalischer Interessen sieht der Senat kritisch. Der Zweck der Konzessionsabgabenverordnung, übermäßige Belastungen der Strompreise zu verhindern, bestehe fort.

Das Interesse der Gemeinde, sich konzessionsvertraglich Einflussnahmemöglichkeiten auf den Netzbetrieb zu sichern, erkennt der Senat zwar grundsätzlich an; es sei aber sicherzustellen, dass es über dieses Kriterium nicht zu einer „Systementscheidung durch die Hintertür“ komme. Den Grundsatz vom Gleichlauf von Herrschaft und Haftung – wie ihn die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg in ihrem Positionspapier zur Konzessionsvergabe hervorhebt – teilte der Senat mit Blick auf etwaige Kooperationsmodelle. Im Übrigen wurde aber die Notwendigkeit, dass die Kommune überhaupt am Netzbetrieb teilnimmt, durchaus kritisch hinterfragt.

Daran, dass Kartellrechtsverstöße der Gemeinde im Rahmen des Konzessionsvergabeverfahrens zur Unwirksamkeit des daraufhin abgeschlossenen Konzessionsvertrages führen, hat der Senat keine Zweifel gelassen. In solchen Fällen komme auch eine Berufung auf die konzessionsvertragliche Endschaftsbestimmung aus abgetretenem Recht nicht in Betracht.

An diesem Befund ändere sich auch nicht deshalb etwas, weil sich der Alt-Konzessionär erst im Netzherausgabeverfahren auf die Nichtigkeit des Konzessionsvertrages berufen hatte. Es sei fraglich, ob Grundsätze des förmlichen Vergabeverfahrens wie etwa Rügepflichten oder eine Präklusionswirkung auf die Konzessionsvergabe nach § 46 EnWG überhaupt übertragbar seien. Im Ergebnis ist der Alt-Konzessionär nicht gehindert Netzüberlassungsansprüchen, die Einwendung einer unwirksamen Konzessionierung auf Grund von Verfahrensfehlern der Kommune entgegen zu halten

Christian Hemmersbach

LG Kiel als Hüter der reinen Lehre? – Ein Kommentar

2. Dezember 2013 um 08:00 von

Ein bemerkenswerter Vorgang: Das Landgericht Kiel hat sich in einem Urteil vom 25.01.2013 (Az. 6 O 258/10 – REE 2013, 46) bewusst in Widerspruch zu der höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzt. Es hat die Einschlägigkeit des kurz zuvor ergangenen Urteils des Bundesgerichtshofes vom 10.10.2012 (Az. VIII ZR 362/11) festgestellt, nur um daraufhin ausdrücklich von dieser Rechtsprechung abzuweichen.

Inhaltlich ging es jeweils um Netzanschlussbegehren von EEG-Anlagenbetreibern und konkret um die Frage, ob bei der Bestimmung des Verknüpfungspunktes gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 das Kriterium der wirtschaftlichen Günstigkeit auch insoweit den Ausschlag gibt, als verschiedene Einspeisepunkte im Netz ein und desselben Netzbetreibers in Rede stehen (vgl. hierzu unseren Artikel in REE 2011, 208). Diese Frage hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 10.10.2012 bejaht und damit die vorangegangene juristische Kontroverse (vermeintlich) beendet – nicht so jedoch für den Landgerichtsbezirk Kiel, wie nun das Urteil vom 25.01.2013 belegt.

Darf das Landgericht Kiel von einer einschlägigen und aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichen? Einerseits ja, denn nach dem Rechtsstaatsprinzip ist jeder Richter nur an Recht und Gesetz gebunden und kann dieses in richterlicher Unabhängigkeit auslegen. Andererseits ist der Richter allerdings kraft Gesetzes verpflichtet, das Gebot der Prozessökonomie zu beachten. Ein Abweichen von der höchstrichterlichen Rechtsprechung im erstinstanzlichen Verfahren provoziert hingegen ein erneutes zeit- und kostenträchtiges Durchlaufen der Rechtsmittelinstanzen. Dies wäre aus prozessökonomischer Sicht nur dann zu rechtfertigen, wenn eine Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung realistischerweise in Betracht käme. Wird der Bundesgerichtshof die abweichende Auffassung des Landgerichts Kiel also zum Anlass nehmen, seine eigene, nur drei Monate zuvor erlassene Grundsatzentscheidung zu revidieren? Dass der Bundesgerichtshof sich diese Blöße geben wird, muss stark bezweifelt werden.

Weswegen hat sich das Landgericht Kiel gleichwohl außerstande gesehen, dem Bundesgerichtshof in dieser Rechtsfrage zu folgen? An rechtspolitischen Erwägungen dürfte dies nicht gelegen haben, da das Landgericht zwar einerseits die Ausbauziele für eine klimafreundliche Energieerzeugung und deren positiven Langfristfolgen für die Volkswirtschaft hervorhebt, andererseits aber die Vermeidung gesamtwirtschaftlich unsinniger Anschluss‑/Netzausbaukosten durchaus als relevantes Motiv anerkennt. Letztlich entscheidend ist für das Landgericht stattdessen offenbar, dass in seinen Augen die Auffassung des Bundesgerichtshofs dem Wortlaut von § 5 EEG 2009 widerspricht: Bei einer Gesetzesauslegung müssten aber alle sonstigen Auslegungsgesichtspunkte im Gesetzeswortlaut ihre Grenze finden.

Dieser dogmatische Grundsatz ist tatsächlich richtig. Er setzt jedoch voraus, dass der vom Gesetzgeber gewählte Wortlaut eindeutig und widerspruchsfrei ist. Hiervon geht das Landgericht im Fall von § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 aus; eben dies hat der Bundesgerichtshof hingegen anders beurteilt. Daher liegt, wenn man diese Beurteilung des Bundesgerichtshofs als richtig unterstellt, jedenfalls kein Verstoß gegen die Regeln der Rechtsmethodik vor. Folglich unterscheiden sich die jeweiligen Gesetzesauslegungen des Bundesgerichtshofs einerseits und des Landgerichts andererseits auch nicht etwa in ihrer methodischen Qualität, sondern nur in ihrem inhaltlichen Ergebnis.

Inhaltlich unterschiedliche Beurteilungen derselben Rechtsfrage durch verschiedene Gerichte sind aber die Regel, ohne dass deswegen die hierarchische Ordnung des Instanzenzuges in Frage gestellt werden müsste (im Gegenteil) und ohne dass es für den Richter eines Instanzgerichts unzumutbar wäre, die persönliche Auffassung hinter einer höchstrichterlichen Vorgabe zurückzustellen. Dies gilt im vorliegenden Fall erst recht insofern, als an einer konsistenten Wortwahl des EEG-Gesetzgebers insgesamt Zweifel bestehen: So hat etwa die Clearingstelle EEG in ihrer Empfehlung vom 29.09.2011 (Az. 2011/1) bereits überzeugend herausgearbeitet, dass in § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG 2009 die Verwendung des zentralen Begriffs „anderes Netz“ selbstwidersprüchlich ist insofern, als es nach der Definition in § 3 Nr. 7 EEG 2009 insgesamt nur ein Netz im Sinne des EEG 2009 geben kann (a.a.O. S 20 ff.).

Fazit:

Auch wenn sich das Landgericht Kiel erkennbar bemüht hat, den Eindruck einer sachfremden Profilierung zu vermeiden, erscheint die ausdrückliche Abweichung von der höchstrichterlichen Rechtsprechung letztlich doch als persönliche Rechthaberei der befassten Richter. Leidtragender dessen ist nun die gesamte betroffene Branche – die EEG-Anlagenbetreiber nicht anders als die Netzbetreiber –, weil damit bezüglich dieser wichtigen Auslegungsfrage zu § 5 Abs. 1 Satz 1 EEG der Eintritt von Rechtssicherheit wieder weiter hinausgeschoben worden ist.