OLG Düsseldorf bestätigt Sonderkündigungsrecht des Haushaltskunden bei Weitergabe staatlich veranlasster Belastungen – Revision zugelassen

11. Juli 2016 um 12:40 von

OLG DUSDas OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 05.07.2016 (I-20 U 11/16) entschieden, dass § 41 Abs. 3 EnWG nicht zwischen solchen Preisänderungen, die durch Neueinführung bzw. Erhöhung „hoheitlicher Belastungen“ verursacht sind, und sonstigen Preisänderungen differenziert. Eine AGB-Klausel eines EVU, nach der ein Kündigungsrecht für den Fall einer durch Neueinführung/Erhöhung hoheitlicher Belastungen veranlassten Preisänderung nicht besteht, sei deshalb unwirksam.

Die Entscheidung überrascht nicht. Schon das LG Düsseldorf war in seinem Urteil vom 22.10.2015 (Az. 14d O 4/15) davon ausgegangen, dass eine Preisanpassung eine Änderung der Vertragsbedingungen darstelle und nicht lediglich die Anwendung der bei Vertragsschluss vereinbarten Bedingung, die Preise bei einer Änderung  staatlich veranlasster Belastungen anpassen zu dürfen. Versteht man wie das OLG Düsseldorf das Sonderkündigungsrecht nicht als Sanktion unternehmerischer Entscheidungen des EVU, sondern als grundlegende Entscheidung des Gesetzgebers, dem Kunden bei jeder (negativen wie positiven) Veränderung das Recht einzuräumen, sich von dem Vertrag zu lösen, ist das Auslegungsergebnis vorgezeichnet.

Ob damit ein an den berechtigten Interessen beider Teile angemessen ausgerichtetes Ergebnis erzielt ist, darf allerdings bezweifelt werden. Im Dauerschuldverhältnis „Energieliefervertrag“ sind die EVU in Deutschland im Spannungsfeld zwischen europarechtlichen Vorgaben und nationalrechtlichen Anforderungen mittlerweile in ein enges Korsett geschnürt. Das gilt etwa bei der gleichzeitigen Umsetzung des Gebotes der Transparenz von Vertragsbedingungen und der Forderung nach einer Kostenechtheit der Preisanpassungsklausel.

Mit Urteil vom 26.11.2015 (C-326/14) hat der EuGH eine Anbindung der Preise eines Telekommunikationsanbieters an die Entwicklung eines staatlichen Verbraucherpreisindexes als wirksam bestätigt und festgestellt, dass die in dieser Weise vertraglich vorgesehene Entgeltanpassung, da sie auf einer klaren, präzisen und öffentlich zugänglichen Indexierungsmethode beruhe, die sich aus zur staatlichen Sphäre gehörenden Entscheidungen und Mechanismen ergebe, die Endnutzer nicht in eine andere vertragliche Situation versetzen könne, als sie sich aus dem Vertrag ergebe, dessen Inhalt sich nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimme, die die fragliche Klausel enthielten. Werde eine Tarifänderung in dieser Weise vorgenommen, sei sie folglich nicht als Änderung der Vertragsbedingungen einzustufen, weshalb dem Verbraucher ein Sonderkündigungsrecht nicht zustehe.

Das OLG Düsseldorf verneint in seinem Urteil vom 05.07.2016 die Relevanz dieser Entscheidung des EuGH, weil eine Preisindexklausel nicht vorliege. Das ist zwar richtig, greift aber gleichzeitig zu kurz. Denn jeder noch so „klaren, präzisen und öffentlich zugänglichen Indexierungsmethode“ ist im Vertragsverhältnis mit Verbrauchern im nationalen Recht durch die Rechtsprechung des BGH eine Absage erteilt worden – eben weil eine Preisindexierungsklausel mit dem Postulat der Kostenechtheit nicht zusammengeht.

Bei diesem Verständnis ist den EVU in Deutschland die Möglichkeit abgeschnitten, Kostenentwicklungen im Dauerschuldverhältnis mit einem Haushaltskunden in einer Weise Rechnung zu tragen, die nicht zu einer Änderung der Vertragsbedingungen führt und damit kein Sonderkündigungsrecht auslöst. Das ist unter Umständen hinzunehmen, soweit Preisanpassungen aufgrund von Veränderungen solcher Kostenbestandteile betroffen sind, die das EVU beeinflussen kann. Bei nicht beeinflussbaren Kostenpositionen gilt das jedoch nicht, zumal aufgrund der durch die Rechtsprechung postulierten Bedingungen für eine wirksame und billige Preisänderung die EVU kaum die Möglichkeit haben, steigende staatliche Belastungen nicht zeitnah weiterzugeben, soll nicht ein zwischenzeitlicher Margenverlust für die restliche Vertragslaufzeit zementiert werden.

Einer Differenzierung nach den Gründen für die Preisanpassung sollte bei der Frage nach dem Bestehen eines Sonderkündigungsrechts also nicht von vornherein eine Absage erteilt werden.

Die Revision wurde zugelassen; es bleibt abzuwarten, ob eine abschließende Klärung durch den BGH erfolgt.

Unabhängig davon beschränken sich die Auswirkungen der Entscheidung auf Lieferverträge mit Haushaltskunden. Zwar spricht § 41 Abs. 3 EnWG allgemein von „Letztverbrauchern“, jedoch regelt § 41 EnWG bereits seiner amtlichen Überschrift nach nur Verträge mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung. Zudem diente die Einführung von § 41 Abs. 3 EnWG der Umsetzung bzw. Klarstellung europarechtlicher Vorgaben, die ihrerseits ein Lösungsrecht vom Vertrag verbindlich nur für Haushaltskunden fordern. Auf Verträge mit Nicht-Haushaltskunden findet § 41 Abs. 3 EnWG deshalb keine Anwendung. Abgesehen davon finden sich in Verträgen mit „echten“ Sonderkunden zumeist Preisindexierungen, deren Umsetzung nach dem Urteil des EuGH vom 26.11.2015 bereits keine zur außerordentlichen Kündigung berechtigende Änderung der Vertragsbedingungen darstellt.

Kein Vertrag mit dem Grundstückseigentümer bei Realofferte an den Mieter

19. Juni 2015 um 15:23 von

Mit aktuellem Urteil vom 20.05.2015 (Az.: 2 S 253/14) hat das Landgericht Mönchengladbach als Berufungsinstanz ebenso prägnant wie kurz mit der derzeit immer häufiger auftretenden Fehlvorstellung aufgeräumt, dass bei Realofferten eines Energieversorgers grundsätzlich immer der Grundstückseigentümer der Vertragspartner wird. 

In dem dortigen Fall mietete die spätere Beklagte ein Haus, dessen Wärmeversorgung über eine Stromheizung erfolgte. Die (Haupt-)Steuerung für die Heizung befand sich in dem einige Meter entfernten Nebenhaus, in dem der Vermieter wohnte. Das Stromversorgungsunternehmen kannte die Mieterstellung der Beklagten und trat folgerichtig an die Beklagte heran, um einen Wärmestromlieferungsvertrag zu schließen. Das schriftliche Angebot des klagenden EVU lehnte die Beklagte mit den Argumenten ab, zum einen sei der Vermieter für die Wärmeversorgung des Mietshauses mietvertraglich verantwortlich und zum anderen habe sie keinen Zugriff auf die im Nebenhaus befindliche Heizungssteuerung. In der ersten Instanz hatte sich die Beklagte erfolgreich verteidigt, indem sie auf die einschlägige Rechtsprechung des BGH verwies, nach der sich die Realofferte eines EVU im Zweifel an den Grundstückseigentümer richte.

Das Landgericht Mönchengladbach ist dem entgegengetreten und  führt in den Urteilsgründen zutreffend aus, dass diese Rechtsprechung des BGH – insbesondere zuletzt die Urteile vom 02.07.2014 (Az.: VIII ZR 316/13) und  vom 22.07.2014 (Az.: VIII ZR 313/13) – nur dann greifen könne, wenn auch ein tatsächlicher Zweifelsfall gegeben ist. In dem von der Kammer zu entscheidenden Sachverhalt lag ein solcher Zweifelsfall aber nicht vor. Zwar hatte die Beklagte ausdrücklich erklärt, das schriftliche Angebot der Klägerin nicht annehmen zu wollen, gleichwohl hat sie die Wärmesstromlieferungen in Anspruch genommen und damit die Realofferte der Klägerin angenommen. Ferner war die Erklärung der Beklagten, nicht mit der Klägerin kontrahieren zu wollen, widersprüchlich und unbeachtlich.

Unter Verweis auf die zutreffende Rechtsprechung der BGH fasste das Landgericht Mönchengladbach wie folgt zusammen:

„Derjenige, der – wie die Beklagte in der Folge – aus einem Verteilnetz eines Versorgungsunternehmens Elektrizität, Gas, Wasser [Wärme] oder Wasser entnimmt, nimmt das Angebot zum Abschluss eines entsprechenden Versorgungsvertrages konkludent an (BGH-Urteil vom 25.11.2009, Az.: VIII ZR 235/08, dort Rdzif. 13 [Zitierung nach Juris] m.w.N). Dies gilt erst recht, wenn – wie hier – ein schriftliches Angebot persönlich an den Nutzer der Versorgungsleistungen gerichtet wird (BGH a.a.O.).“

Inwieweit eine mietvertragliche Regelung eine andere Entscheidung hätte rechtfertigen können, musste das Landgericht Mönchengladbach nicht entscheiden, weil in dem dortigen Mietvertrag die eigenverantwortliche Wärmeversorgung des Mieters festgeschrieben war.

Bundeskartellamt stellt Ermittlungen gegen Verivox ein

9. Juni 2015 um 18:24 von

BKartAWie das Bundeskartellamt am 3. Juni des Jahres mitteilte, hat es die Ermittlungen gegen das Energievergleichsportal Verivox eingestellt. Untersucht wurden die vom Unternehmen angebotenen Datenprodukte und Tarifoptimierungsdienstleistungen. Wie der Präsident des BKartA, Mundt, mitteilte, haben Vergleichsportale für Strom- oder Gaslieferungen grundsätzlich einen positiven Wettbewerbseffekt, da sie Wechselmöglichkeiten für den Verbraucher erleichtern. Allerdings könne dieser positive Effekt durch sog. Bestpreisklauseln wieder eingeschränkt werden, wenn sie die Preissetzungsfreiheit der Anbieter einschränken und den Wettbewerb zwischen verschiedenen Plattformen behindern, so Mundt. Verivox hat laut Aussagen des Bundeskartellamtes sämtliche Bestpreisklauseln, die zwischen Verivox und Energieversorgern vereinbart worden waren, aus den Verträgen entfernt.

Das Amt setzt damit seine Linie, gegen Bestpreisklauseln einzuschreiten, die es mit seinen Verfahren gegen Hotelbuchungsplattformen wie HRS begonnen hat, fort.  Das Amt hatte mit Beschluss vom 20.12.2013 die Bestpreisklauseln von HRS untersagt und ebenfalls Verfahren gegen die Buchungsportale booking.com und Expedia eingeleitet. Das OLG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 9. Januar 2015 die Auffassung des BKartA bestätigt und die Beschwerde von HRS gegen die Entscheidung des Amtes zurückgewiesen. Laut Aussage des BKartA war es wohl auch diese Lage, die Verivox zur Aufgabe seiner Bestpreisklauseln bewegt habe.

Wie würden Sie entscheiden? – Anschlusssperre bei gemischt genutzten Netzanschlüssen

24. November 2014 um 07:00 von

justitia-421805_640Liebe Mandanten und Freund der Kanzlei,

mit unserem Blog möchten wir Sie nicht nur über aktuelle Themen rund um das Energierecht informieren, sondern Sie auch zum Diskutieren und zum aktiven Meinungsaustausch animieren. Aus diesem Grund werden wir in unregelmäßigen Abständen – meist umstrittene – Problemstellungen aufgreifen und in diesem Forum zur Diskussion stellen.

In unserem ersten Beitrag dieser Art sprechen wir das rechtlich bislang weitgehend ungeklärte Thema der Sperrung von gemischt genutzten Netzanschlüssen an.

Die Ausgangssituation ist recht einfach und schnell beschrieben. Ein Netzanschluss wird nicht allein durch eine einzige Person für die Entnahme von Strom genutzt, sondern durch mehrere Anschlussnutzer und/oder für die gleichzeitige Einspeisung von EEG-Strom. Gerät nun der eine oder einer der Anschlussnutzer in Zahlungsverzug und begehrt der Lieferant/Netzbetreiber die Unterbrechung der Anschlussnutzung, stellt sich die Frage, ob die Anschlussnutzung für alle angeschlossenen Kunden und auch für die Einspeisung unterbrochen werden darf.

Die sachverhaltlichen Varianten, in denen diese Problematik virulent wird, sind aufgrund der verschiedensten Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen der letzten zehn Jahre allerdings vielfältig. Gleichwohl existiert weitgehend noch keine, in Teilbereichen allenfalls eine nicht gefestigte Rechtsprechung.

Beispielhafte Problemfälle:

  1. Ein Netznutzer speist über einen Netzanschluss, den er auch zum Strombezug verwendet, Strom aus seiner EEG-Anlage ein. Gegenüber seinem Lieferanten/Netzbetreiber gerät der Kunde in Zahlungsverzug, so dass sein Vertragspartner die Sperrung des Anschlusses begehrt. Gegen dieses Vorhaben wendet der Anschlussnutzer ein, dass § 11 Abs. 1 Satz 1 EEG ausdrücklich die unverzügliche und vorrangige Abnahme des EEG-Stroms anordne. Diesem Argument hält der Lieferant/Netzbetreiber entgegen, dass ihm ein Zurückbehaltungsrecht bis zum Wegfall des Verzugs zustehe.
  2. Über den Netzanschluss wird zwar kein EEG-Strom eingespeist, der Anschluss wird aber durch mehrere Personen genutzt. Einer der Anschlussnutzer gerät wiederum in Zahlungsverzug, weswegen sich der Lieferant/Netzbetreiber erneut auf sein Zurückbehaltungsrecht beruft und den Anschluss sperren (lassen) will. Die nicht säumigen Kunden halten diesem Vorhaben entgegen, dass schließlich nicht sie, sondern ein anderer Kunde zahlungssäumig sei. Eine Unterbrechung ihrer Versorgung sei daher wegen Unverhältnismäßigkeit nicht zulässig. Der Lieferant/Netzbetreiber steht auf dem Standpunkt „mitgegangen, mitgefangen, mitgehangen“.
  3. Die Beispielsfälle 1 und 2 lassen sich vielfältig variieren. Insbesondere ergeben sich Verschiebungen der Interessenlagen je nach dem, ob der Lieferant oder der Netzbetreiber das Zurückbehaltungsrecht geltend macht. Darüber hinaus lassen sich die Fälle 1 und 2 auch kombinieren, wenn beispielsweise die EEG-Einspeisung im Wege der – ausdrücklich in § 11 Abs. 2 EEG vorgesehenen – kaufmännisch-bilanziellen Weiterleitung erfolgt.

Ein vom Gesetz-/Verordnungsgeber eindeutig vorgegebener oder durch die Rechtsprechung konkretisierter Umgang existiert bislang nicht, so dass eine erhebliche Rechtsunsicherheit in einem nicht unwesentlichen Themenkomplex besteht.

Was ist Ihre Meinung? Wie sind Ihre Erfahrungen? Wie lösen Sie die Probleme in Ihren Unternehmen? Haben Sie Kritik an der bestehenden Rechtsprechung? Haben Sie Anliegen an den Gesetz-/Verordnungsgeber?

Diskutieren Sie mit uns und anderen Blog-Lesern!

Es bewegt sich doch – Bundeskartellamt ändert seine Marktabgrenzung im Gasbereich

6. November 2014 um 15:45 von

BKartADas Bundeskartellamt hat den Erwerb von weiteren 15,79 % der Anteile an der VNG AG, Leipzig, durch die EWE AG, Oldenburg, freigegeben. Durch diesen Erwerb wird die EWE AG insgesamt 63,69 % der VNG-Anteile halten und damit fusionskontrollrechtlich die alleinige Kontrolle erlangen.

Zwar sind die Entscheidung und deren Begründung bislang noch nicht veröffentlicht; es liegt bislang lediglich eine Presseerklärung des Amtes vor, doch bereits jetzt ist festzustellen, dass die Freigabe des Anteilserwerbs über den Einzelfall hinaus für die Branche von Bedeutung ist.

Das Amt hat sich im Rahmen des Verfahrens mit der sachlichen und örtlichen Abgrenzung der relevanten Märkte im Gasbereich beschäftigt und aufgrund der „positiven wettbewerblichen Entwicklung im Gasbereich“ seine bisherige Abgrenzung geändert. Tendenzen dazu waren bereits in einigen anderen Verfahren in der Vergangenheit erkennbar gewesen, doch hat das Amt eine tatsächliche Änderung seiner Marktabgrenzung offen gehalten.

Ausweislich der Presseerklärung stellt das Amt nunmehr Folgendes fest:

  • Die Marktmacht der deutschen Ferngasgesellschaften hat sich vor allem zu den ausländischen Gasproduzenten verschoben, namentlich Gazprom und Statoil. Gasproduzenten seien auch immer mehr als Händler auf den nachgelagerten Stufen tätig.
  • Die bisherige Unterscheidung zwischen der Belieferung überregionaler Ferngasgesellschaften (1. Stufe) und regionalen Ferngasunternehmen (2. Stufe) wird aufgehoben. Anmerkung: Bislang hat das Amt unter Berufung auf die sog. Staubsaugerbeutel-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vertreten, dass eine separate Erfassung dieser beiden Märkte erforderlich sei. Eine Marktabgrenzung sei nämlich fehlerhaft, wenn sie dazu führt, dass Erzeuger und Verkäufer einer Stufe gestellt werden, obwohl die gesamte gehandelte Ware von den Erzeugern in den Verkehr gebracht worden ist. Zukünftig wird das Amt beide Marktstufen zu einer einheitlichen Gasgroßhandelstufe (für H-Gas und L-Gas) einschließlich der Händler zusammenfassen. Örtlich grenzt das Amt diese Marktstufe bundesweit ab, also weder netz- oder marktgebietsbezogen.
  • Auch der nachgelagerte Markt für die Belieferung von regionalen und lokalen Weiterverteilern, insbesondere Stadtwerken, wird bundesweit abgegrenzt. Auch dies war zwar in der Vergangenheit vom Amt diskutiert, aber im Ergebnis noch offen gehalten worden (vgl. etwa Beschluss vom 20. März 2012 in Sachen Energie Südwest AG, enovos Deutschland AG und anderen, Textziffer 44 ff.).
  • Bei der Belieferung von Haushaltskunden ging das Amt bisher davon aus, dass auf dieser Marktstufe, unabhängig von der Frage, ob es sich bei den Kunden um grundversorgte Kunden oder Sondervertragskunden handelt, eine netzgebietsbezogene Marktabgrenzung vorzunehmen sei. Im eigenen Netzgebiet nahm das Amt im Regelfall eine marktbeherrschende Stellung des mit dem Netzbetreiber verbundenen Versorgers an. Zukünftig will es hier – wie bereits im Strombereich – differenzieren zwischen Grundversorgungs- und Sondervertragskunden, die jeweils separate sachliche Märkte bilden. Hierfür sprechen nach Ansicht des Amtes Abstände bei den Preisen, Wechselverhalten und Anbieterstruktur. Örtlich grenzt das Amt im Bereich der Sondervertragskunden aufgrund der positiven wettbewerblichen Entwicklung in diesem Bereich den Markt bundesweit ab. Im Bereich der Grundversorgung verbleibt es aber bei der bisherigen netzbezogenen Abgrenzung, bei der jeder Grundversorger in seinem Gebiet ein Monopol habe.

Für die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen bedeutet die neue Abgrenzung des Amtes im Bereich der Sondervertragskunden, dass eine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung eines Energieversorgers aufgrund der größeren geographischen Ausdehnung des sachlichen Marktes und der größeren Anzahl der Marktteilnehmer – natürlich vorbehaltlich einer Prüfung im Einzelfall  – auch unter Berücksichtigung sonstiger, insbesondere der in § 18 Abs. 3 GWB genannten Faktoren, häufig nicht mehr gegeben sein dürfte. Ist dies der Fall, fehlt es an der Anwendungsvoraussetzung der entsprechenden Normen des GWB. Anders sieht es im Bereich der Grundversorgung aus. Der Grundversorger unterliegt als Marktbeherrscher oder – wie das Amt schreibt – als Monopolist nach wie vor den Vorschriften über die Missbrauchsaufsicht, insbesondere der kartellrechtlichen Preishöhenkontrolle.