Grundversorger stehen vor schwieriger Entscheidung/Risiken auch für Netzbetreiber

27. November 2025 um 11:36 von

Nachdem jüngst die EnWG-Novelle die parlamentarischen Hürden genommen hat, wird zeitnah die neu geschaffene Regelung zu Übergangsversorgung in § 38a EnWG in Kraft treten. Vereinfacht gesagt dehnt § 38a EnWG die nur für die Niederspannung oder Niederdruck geltenden Regelungen zur Ersatzversorgung mit manchen Modifikationen auf die höheren Ebenen Mittelspannung und Mitteldruck sowie die Umspannebene von Mittel- auf Niederspannung aus.

Eine der wichtigsten Modifikationen ist dabei, dass die Grundversorger nicht kraft Gesetzes verpflichtet sind, die Übergangsversorgung zu übernehmen. Es bedarf einer Vereinbarung mit dem Netzbetreiber, die der Grundversorger abschließen kann, aber nicht muss. Folglich sollte der Grundversorger zeitnah entscheiden, ob er die Übernahme der Übergangsversorgung anstreben will oder nicht.

Die gesetzliche Regelung zu den Preisen der Übergangsversorgung ist dabei in Anlehnung an den während der Energiekrise kurzfristig geltenden § 118c EnWG so ausgestaltet, dass dies einer Übernahme der Übergangsversorgung nicht entgegenstehen sollte. Der Übergangsversorger darf ein angemessenes Entgelt verlangen, das die Kosten einer kurzfristigen Beschaffung der Energie über Börsenprodukte zuzüglich Börsennebenkosten und eines Aufschlags von 10 % sowie zusätzlich einen Grundpreis umfassen darf. Hinzu kommen weiterhin die Kosten für die Netz- und Messentgelte sowie staatliche Belastungen.

Allerdings kann die beste Preisreglung nichts daran ändern, dass mit einer Übernahme der Übergangsversorgung auch ein in Fällen dieser Art wohl erhöhtes Forderungsausfall einhergeht. Dieses Risiko wird jedoch begrenzt durch § 38a Abs. 2 EnWG, wonach der Übergangsversorger die Belieferung eines Letztverbrauchers aus wirtschaftlichen Gründen ablehnen kann. Als ein solcher wirtschaftlicher Grund werden im Gesetz ausdrücklich Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des Kunden genannt.

Fraglich ist aber weiterhin, wem der Strom bilanziell zugeordnet wird, der nach einer Ablehnung der Übergangsversorgung von dem betreffenden Letztverbraucher gleichwohl verbraucht wird. Das war nach altem Recht Gegenstand mehrerer Auseinandersetzungen, die erst durch den BGH entschieden wurden. Der BGH hat in 2024 geurteilt, dass in solchen Fällen nicht etwa der Netzbetreiber in eine unfreiwillige Lieferantenposition eintritt. Vielmehr dürfe und müsse der Netzbetreiber die bis zu einer möglichen Anschlusssperre verbrauchten Strommengen bilanziell einem EVU zuordnen, „das aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Netzbetreibers voraussichtlich in der Lage ist, die Versorgung kurzfristig sicherzustellen.“ Das dürfe, so der BGH weiter, nicht ohne weiteres der Grundversorger sein; vielmehr käme insbesondere auch der letzte Versorger des lieferantenlosen Kunden in Betracht.

Ohne sich mit dieser BGH-Rechtsprechung auseinanderzusetzen, geht demgegenüber die amtliche Begründung zu § 38a EnWG beiläufig davon ausgeht, dass das wirtschaftliche Risiko eines nach Ablehnung der Übergangsversorgung am Netz bleibenden Kunden beim Netzbetreiber liegt. Ob diese Risikozuweisung im Gesetzgebungsverfahren zu einer Abkehr von der bisherigen BGH-Rechtsprechung führt, wonach die Energiemengen dem Bilanzkreis eines Vertriebsunternehmens zugeordnet werden müssen, sei es nun der Übergangsversorger oder ein anderes Unternehmen, wird man abwarten müssen. Jedenfalls ergibt sich aus der amtlichen Begründung ein (neues) Risiko für den Netzbetreiber, so dass auch dieser im eigenen wirtschaftlichen Interesse lieferantenlose Kunden in höheren Spannungsebenen kurzfristig vom Netz trennen sollte, einerlei, ob es gar keinen Übergangsversorger gibt oder der Übergangsversorger unter Berufung auf eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit die Belieferung des Letztverbrauchers ablehnt.

BGH zu Ersatzbelieferungen

25. November 2024 um 12:02 von

Mit Urteil vom 17.09.2024 (Az. EnZR 57/23) hat sich der BGH erstmals mit der Frage nach dem Umgang mit von einem kurzfristigen Lieferantenausfall betroffenen Letztverbrauchern beschäftigt, die wegen eines Strombezugs in höheren Spannungsebenen nicht in den Anwendungsbereich der Grund- und Ersatzversorgung gemäß §§ 36, 38 EnWG fallen. Gegenstand der Entscheidung war insbesondere die richtige bilanzielle Zuordnung der betreffenden Marktlokationen und die sich daran anschließende Frage, welcher Lieferant die Marktlokationen beliefert.

Der BGH hat unter Bezugnahme auf die Vorgaben der GPKE entschieden, dass entweder eine Meldung an den Ersatzbelieferer zu veranlassen oder der Netzanschluss zu unterbrechen sei. Da die betreffenden Letztverbraucher in dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall keine vertragliche Vereinbarung mit einem Ersatzbelieferer getroffen hatten und eine sofortige Sperrung des Anschlusses nach den Feststellungen des BGH zum einen nur mit einem gewissen Zeitaufwand möglich sei und zum anderen ohnehin nur als Ultima Ratio in Betracht komme, bedürfe es – so der BGH – jedenfalls für eine zur Umsetzung der Sperrung erforderliche Übergangszeit einer Bilanzkreiszuordnung der betroffenen Marktlokationen. Diese Zuordnung müsse der Netzbetreiber diskriminierungsfrei nach sachlichen Kriterien vornehmen. Dabei müsse er insbesondere die Netzstabilität, die Versorgungssicherheit und sonstige Interessen der betroffenen Letztverbraucher berücksichtigen.

Vor diesem Hintergrund sei es sachlich gerechtfertigt, wenn ein Netzbetreiber die lieferantenlosen Marktlokationen in höheren Spannungsebenen einem Energieversorgungsunternehmen zuordne, das aus seiner Sicht nach den vorstehenden Kriterien voraussichtlich am besten in der Lage sei, die Versorgung des jeweiligen Letztverbrauchers kurzfristig sicherzustellen. Dies gälte nicht nur bei einer bereits erfolgten Beendigung der Belieferung des Letztverbrauchers durch seinen Vertragslieferanten, sondern auch dann, wenn der alte Liefervertrag noch einige Tage weiterlaufe. In dem letztgenannten Fall sei die betreffende Marktlokation übergangsweise auch über das Vertragsende hinaus weiterhin dem Altlieferanten zuzuordnen. Dieser wisse aufgrund des bestehenden Lieferverhältnisses regelmäßig, wer sein Schuldner sei, und könne daher zivilrechtliche Ansprüche leichter durchsetzen. Zudem werde die letzte rechtliche Lieferbeziehung während eines vertragslosen Zustands durch weitere Stromentnahmen faktisch nahtlos fortgeführt.

Im Ergebnis hat der BGH dem Netzbetreiber damit ein Wahlrecht im Sinne eines Auswahlermessens eingeräumt, dieses Ermessen aber gleichzeitig für die Konstellationen, in denen ein Letztverbraucher zum Zeitpunkt des Ausfalls seines (neuen) Lieferanten noch von einem Altlieferanten versorgt wird, auf null reduziert. Zwar hatte die BGH-Entscheidung einen Sachverhalt zum Gegenstand, in dem die „lieferantenlosen“ Kunden in der Mittelspannung versorgt wurden. Der BGH bezieht sich in seinen Ausführungen aber nicht nur auf die Mittelspannung, sondern auf höhere Spannungsebenen im Allgemeinen, weshalb es keinen Unterschied machen dürfte, ob ein Letztverbraucher in der Mittel- Hoch- oder Höchstspannungsebene Strom bezieht. Für den Umfang mit höheren Druckebenen im Gasbereich dürfte die Entscheidung ebenfalls von Bedeutung sein.

Die BGH-Entscheidung hat zumindest für einen Teil der seit Jahren diskutierten Fragen im Zusammenhang mit der kurzfristigen Notfallversorgung außerhalb des Anwendungsbereichs von §§ 36, 38 EnWG Klarheit gebracht. Es stellt sich aber nach wie vor die Frage, wie die Belieferung der Letztverbraucher durch den nach den vorstehenden Kriterien bestimmten „Notfalllieferanten“ dogmatisch einzuordnen ist und welche Preise der Lieferant für den Übergangszeitraum gegenüber dem Letztverbraucher abrechnen kann. Beide Fragen hatte der BGH in seinem Urteil vom 17.09.2024 nicht zu entscheiden. Insofern bleibt also die weitere Entwicklung abzuwarten.

OLG Düsseldorf zu Preisanpassungsschreiben

27. Juli 2024 um 09:00 von

In einem Beschluss nach § 522 ZPO hat sich das OLG Düsseldorf der herrschenden Meinung in der Literatur angeschlossen, dass der Anwendungsbereich des § 41 Abs. 3 EnWG a.F. auf Haushaltskunden beschränkt ist. Das war lange umstritten. Zwar adressierten nämlich die amtliche Überschrift des § 41 EnWG a.F. und alle anderen Absätze ausdrücklich nur den Haushaltskunden; in Abs. 3 war allerdings vom Letztverbraucher die Rede. Der auf Haushaltskunden beschränkte Anwendungsbereich auch dieses Absatzes ergibt sich nach der Entscheidung des OLG Düsseldorf aus der amtlichen Begründung sowie aus Systematik und dem Sinn und Zweck der Norm. Der gegenteilige Wortlaut beruhe in der damals gültigen Fassung des Gesetzes auf einem Redaktionsversehen.

Ungeachtet der gesetzlichen Neuregelung im heutigen § 41 Abs. 5 EnWG, der zweifellos für alle Letztverbraucher gilt, hat die Entscheidung aus Düsseldorf keineswegs nur rechtsgeschichtliche Relevanz. Bekanntlich hatte der BGH im Dezember 2022 entschieden, dass auch in Sonderverträgen im Rahmen eines Preisanpassungsschreibens über Anlass, Voraussetzungen und Umfang der Preisänderung zu unterrichten ist (Az. VIII ZR 199/20 und 200/20). Da § 41 Abs. 3 EnWG a.F. – auch insoweit im Unterschied zur geltenden Rechtslage – im Gesetzeswortlaut keine solchen Transparenzvorgaben enthielt, hatten zahlreiche Versorger bei Preisanpassungen gegenüber ihren Sondervertragskunden vor Bekanntwerden der beiden BGH-Urteile auf entsprechende Ausführungen verzichtet.

Das führte und führt bis heute zu zahlreichen Streitigkeiten, ob Preisanpassungen, die die formalen Vorgaben des BGH aus den Entscheidungen vom Dezember 2022 nicht beachten, unwirksam sind -und dies insbesondere auch dann, wenn die Preiserhöhungen vor Erlass der BGH-Entscheidungen vorgenommen wurden, diese also im Zeitpunkt der Preisanpassung noch nicht bekannt waren.

Inzwischen haben sich mehrere Amts- und Landgerichte gegen eine Unwirksamkeit der Preisanpassung aufgrund eines formalen Verstoßes gegen § 41 Abs. 3 EnWG a.F. in der Auslegung des BGH aus dem Dezember 2022 ausgesprochen; obergerichtliche Rechtsprechung steht aber noch aus.

Das OLG Düsseldorf hat zu dieser Frage in dem erwähnten Hinweisbeschluss konsequenterweise keine Stellung genommen, da § 41 Abs. 3 EnWG a.F. im dortigen Fall eines Stromliefervertrages zwischen einem EVU und einer Kapitalgesellschaft erst gar nicht einschlägig war. Jedenfalls in einem solchen Fall kommen also keine Rückforderungsansprüche von Kunden, die auf vermeintlich unwirksame Preisanpassungen gezahlt haben, in Betracht. Bei Lieferverträgen mit Haushaltskunden wird man die ober- und höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Frage noch abwarten müssen.

 

22.05. – Dortmunder Off-Peak im Deutschen Fußballmuseum

18. April 2024 um 14:38 von

!!! Update !!!

Liebe Mandanten, liebe Freunde der Kanzlei,

auf die unten stehende Veranstaltung möchten wir noch einmal hinweisen. Inzwischen hat am 07.05.2024 die mündliche Verhandlung vor dem Kartellsenat des BGH stattgefunden. Eine Entscheidung gibt es zwar noch nicht, aus dem Verlauf der mündlichen Verhandlung lassen sich jedoch durchaus Rückschlüsse ziehen, wohin die Reise gehen könnte.

Die bislang zahlreichen Anmeldungen zu der Veranstaltung lassen auf einen spannenden Austausch hoffen. Wir freuen uns auf nächste Woche Mittwoch.

 

 

Liebe Mandanten, liebe Freunde der Kanzlei,

wir möchten Sie ganz herzlich zu einer weiteren Veranstaltung aus unserer Reihe „Dortmunder Off-Peak“ am 22.05.2024, 18:00 Uhr in das

Deutsche Fußballmuseum

Platz der Deutschen Einheit 1, 44137 Dortmund (direkt gegenüber dem Hbf.)

einladen. Die Teilnahme ist selbstverständlich kostenlos.

Im dortigen „Weltmeisterraum“ wollen wir uns aus aktuellem Anlass dem Thema „Notstromversorgung“ widmen. Denn am 07.05.2024 verhandelt der BGH über die „Ersatzbelieferung in Mittelspannung“. Herr Rechtsanwalt Raphael Seiler, Höch und Partner Rechtsanwälte mbB, wird nach einer Darstellung der Entwicklung von der klassischen Notstromversorgung bis zur Entscheidung „Goldbuschfeld“ von den Eindrücken und Erkenntnissen der mündlichen Verhandlung vor dem Kartellsenat berichten. Im Anschluss wird uns Herr Rechtsanwalt Nils Korfsmeier, Fachbereichsmanager Energierecht Netz bei der Westfalen Weser Netz GmbH, die Entscheidung aus Sicht eines Netzbetreibers einordnen und bewerten. Welche Schlussfolgerungen vertriebsseitig zu ziehen sind und welche Probleme zukünftig noch zu erwarten sein werden, wird uns Frau Syndikusrechtsanwältin Dr. Kristina Lichter, Legal, Compliance & Data Protection bei der E.ON Energie Deutschland GmbH, näher bringen.

Der übliche persönliche Austausch – auch über andere aktuelle Themen der Energiewirtschaft – wird sich wie gewohnt in entspannter Atmosphäre anschließen. Für das leibliche Wohl ist gesorgt.

Wer möchte, kann sich uns um 16:30 Uhr gerne einer Besichtigung des Museums anschließen.

Zur Anmeldung reicht eine einfache E-Mail an off-peak[at]hoech-partner.de oder ein Anruf in unserer Kanzlei. Bitte geben Sie dabei auch an, ob Sie auch an der Besichtigung teilnehmen werden.

Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme! Gerne können Sie die Einladung bei Interesse an eine Kollegin oder einen Kollegen weiterleiten.

Herzlichst,

Höch und Partner Rechtsanwälte mbB

OLG Hamm mit lehrreicher Entscheidung zu Messung und Energievertrieb

20. Oktober 2023 um 09:00 von

Mit Urteil vom 15.06.2023 (Az. 2 U 179/21) hat das Oberlandesgericht Hamm im Rahmen eines Berufungsverfahrens über einen Fall mit einigen für das Vertriebsrecht interessanten Fragestellungen entschieden. Ein Energieversoger hat einen größeren Industriekunden mit Strom beliefert und aufgrund eines Fehlers des Messstellenbetreibers bei der Verarbeitung der Messwerte über Jahre einen deutlich zu niedrigen Stromverbrauch abgerechnet. Nachdem der Fehler auf Seiten des Messstellenbetreibers aufgefallen war, hat der Energieversorger Korrekturrechnungen gegenüber dem Kunden ausgestellt, die mit einer hohen Nachforderung endeten. Der Kunde hat keine Zahlungen an den Versorger geleistet und sich hierbei neben verschiedenen anderen Einwänden u.a. auf die dreijährige Ausschlussfrist aus § 18 Abs. 2 Hs. 2 StromGVV bzw. einer dieser Regelung nachgebildeten Klausel aus den AGB des Liefervertrages berufen. Außerdem hat er für den Fall einer Stattgabe der Klage widerklagend Schadensersatzansprüche geltend gemacht und zur Begründung angeführt, dass ihm bei einer rückwirkenden Abrechnung des höheren Stromverbrauchs wegen der inzwischen abgelaufenen Antragsfristen energie- und steuerrechtliche Privilegierungen in Form einer Reduzierung der EEG-Umlage (im Rahmen der besonderen Ausgleichsregelung) und der Stromsteuer entgehen würden.

Das Oberlandesgericht Hamm hat die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Arnsberg, mit der der Klage des Versogers in überwiegendem Umfang stattgegeben und die (hilfsweise) Widerklage abgewiesen wurde, bestätigt. Es hat die AGB-rechtliche Zulässigkeit der die Regelung aus § 18 Abs. 2 Hs. 2 StromGVV nachbildenden Klausel bestätigt und sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Beginn und zur Berechnung der Ausschlussfrist angeschlossen. Die Frist werde von dem Zeitpunkt an zurückgerechnet, in welchem der Kunde von der Möglichkeit, wegen eines Berechnungsfehlers in Anspruch genommen zu werden, aufgrund eigener Feststellungen oder durch Mitteilung des Versorgungsunternehmens jedenfalls dem Grunde nach Kenntnis erlangt habe. Dieser Zeitpunkt fordere weder eine positive Kenntnis des Kunden von Einzelheiten des Berechnungsfehlers und des Zeitraums, in dem er sich auswirke, noch von der Höhe etwaiger Nach- oder Rückzahlungen oder auch nur die Gewissheit, dass der Kunde überhaupt nachträglich in Anspruch genommen werde.

Aus Sicht des Oberlandesgerichts sei die Klageforderung auch nicht verjährt. Eine der Regelung aus 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV nachgebildete Klausel aus den AGB des Liefervertrages begegne keinen AGB-rechtlichen Bedenken. Maßgebend für den Beginn der Verjährungsfrist sei nicht der Zeitpunkt, zu dem der Versorger die Fälligkeit durch Vorlage einer Abrechnung hätte herbeiführen können, sondern der Zeitpunkt, an dem die Nachforderungsansprüche fällig würden. Es komme also nicht auf die Ausstellung der ersten, fehlerhaften Rechnungen, sondern auf die Ausstellung der Korrekturrechnungen an. Eine Verwirkung der Klageforderung komme ebenfalls nicht in Betracht. Aus der kommentarlosen Übersendung der fehlerhaften Ursprungsabrechnungen habe der Kunde nicht schließen können, dass der Versorger keine Nachzahlungen im Falle von Berechnungsfehlern erheben würde.

Mit Blick auf die Abweisung der Widerklage des Kunden sind insbesondere die Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamm zur Frage der Zurechnung des Verschuldens des Messstellenbetreibers an den Versorger interessant. Aus Sicht des Gerichts handele der Messstellenbetreiber bei der Ermittlung und Verarbeitung der Messwerte nicht als Erfüllungsgehilfe des Versorgers im Sinne von § 278 BGB. Der Messstellbetreiber erfülle mit der Ablesung der Messgeräte und der anschließenden Berechnung des Stromverbrauchs eine eigene Pflicht. Im Übrigen habe der Messstellenbetreiber den Fehler nicht grob fahrlässig verursacht. Er habe einen schlichten, wenngleich ungewöhnlichen Rechenfehler begangen, der sich anschließend unverändert fortgesetzt habe, aber nicht jedem Sachkundigen gleichsam ins Auge habe fallen müssen. Daher könnte sich der Versorger erfolgreich auf die – ebenfalls AGB-rechtlich wirksame – Haftungsbeschränkung aus dem Stromliefervertrag berufen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm ist rechtskräftig.