Bekommen ist gut, behalten dürfen ist besser!

5. Oktober 2015 um 11:37 von

money-73341_640Bundeskabinett beschließt Reform der Insolvenzanfechtung

Am 29.09.2015 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz beschlossen. Anlass hierfür ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der im Laufe der letzten Jahre insbesondere den Tatbestand der Vorsatzanfechtung immer weiter ausgedehnt hat. Da § 133 InsO eine zehnjährige Anfechtungsfrist normiert, werden als Konsequenz der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch Insolvenzverwalter zunehmend auch kongruente Deckungsgeschäfte aus vielen Jahren vor der Stellung des Insolvenzantrages angefochten. Die Insolvenzen der TelDaFax-Gruppe im Jahr 2011 und des FlexStrom-Konzerns im Jahr 2013 sind hierfür eindrucksvolle Beispiele.

Mit dem aktuellen Gesetzgebungsvorhaben soll mehr Rechtssicherheit geschaffen und der Geschäftsverkehr sowie Arbeitnehmer insolventer Unternehmen vor übermäßigen Belastungen geschützt werden.

Die wesentlichen Neuerungen:

1.         Stärkung des Gläubigerantragsrechts (§ 14 InsO-E)

§ 14 InsO-E sieht vor, dass der Insolvenzantrag eines Gläubigers nicht allein dadurch unzulässig wird, dass der Schuldner nach Antragstellung die offene Forderung des Gläubigers bedient. Das ist zu begrüßen. Denn bislang bleibt der Antrag nach Befriedigung der Forderung nur zulässig, wenn innerhalb der letzten zwei Jahre bereits einmal ein Insolvenzantrag gestellt wurde. Ansonsten bleibt den Gläubigern nur übrig, nach Befriedigung ihrer Forderung den Antrag für erledigt zu erklären, wollen sie nicht riskieren, dass der Antrag als unzulässig abgewiesen und ihnen die Verfahrenskosten auferlegt werden. Der Schuldner kann so – auch zum Nachteil der Gläubigergesamtheit – weiter wirtschaften und neue Verbindlichkeiten begründen.

Wird das Verfahren später aufgrund eines erneuten Gläubigerantrags oder eines Eigenantrags des Schuldners eröffnet, unterliegen die Zahlungen zur Begleichung der offenen Forderungen, die Grund für den Insolvenzantrag waren, in aller Regel der Vorsatzanfechtung. Die Antragstellung gereicht dem betroffenen Gläubiger sogar zum Nachteil, weil regelmäßig geltend gemacht wird, der Schuldner habe nur unter dem Druck des Insolvenzantrags gezahlt. Mit § 14 InsO-E soll die Möglichkeit für Gläubiger, auf eine frühzeitige Sachaufklärung hinzuwirken, verbessert werden.

2.         Einschränkung der Inkongruenzanfechtung (§ 131 Abs. 1 Satz 2 InsO-E)

Sicherungen oder Befriedigungen sind nach § 131 Absatz 1 Satz 2 InsO-E nicht allein deshalb inkongruent, weil Gläubiger sie im Wege der Zwangsvollstreckung erlangt haben. Hierdurch wird zum Ausdruck gebracht, dass Gläubiger, die lediglich von den gesetzlich vorgesehenen Zwangsmitteln Gebrauch machen, nur dann um die Früchte ihrer Anstrengungen gebracht werden können, wenn sie bei der Vollstreckung Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners haben, also die Voraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO vorliegen.

3.         Einschränkung der Vorsatzanfechtung von Deckungshandlungen (§ 133 Abs. 2 und 3 InsO-E)

Der Gesetzgeber beabsichtigt, die Vorsatzanfechtung von Deckungshandlungen zu beschränken und differenziert daher zwischen solchen Deckungshandlungen und sonstigen Rechtshandlungen wie etwa Vermögensverschiebungen. Für Deckungshandlungen sollen deshalb zwei Sonderregelungen in die Insolvenzordnung aufgenommen werden:

Zum einen wird in § 133 Abs. 2 InsO-E die Anfechtungsfrist von bisher zehn Jahren auf vier Jahre verkürzt und damit der Kritik Rechnung getragen, dass bei Deckungsgeschäften ein Gläubiger nicht weniger schutzwürdig ist als derjenige, der eine unentgeltliche Leistung erhält (§ 134 InsO). Die Verkürzung der Anfechtungsfrist gilt für kongruente ebenso wie für inkongruente Deckungshandlungen.

Zum anderen wird bei kongruenten Deckungshandlungen die gesetzliche Vermutung der Kenntnis des Anfechtungsgegners vom Benachteiligungsvorsatz des Schuldners abgeschwächt, indem die Kenntnis der drohenden Zahlungsunfähigkeit nicht mehr genügt. Damit soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass bei Gewährung einer kongruenten Deckung eine geschuldete Leistung erbracht wird und dass der Schuldner vor Eintritt der Insolvenz grundsätzlich frei ist zu entscheiden, welche Forderungen er erfüllt.

Begrüßenswert ist die Neuerung in § 133 Abs. 3 Satz 2 InsO-E:  Hat der Gläubiger mit dem Schuldner eine Zahlungsvereinbarung getroffen oder ihm in sonstiger Weise eine Zahlungserleichterung gewährt, wird vermutet, dass er zur Zeit der Handlung die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht kannte. Damit sollen bewährte und effiziente Verkehrsübungen bewahrt werden, auf deren Grundlage Unternehmen vorübergehende Liquiditätsengpässe überbrücken können. Darüber hinaus sollen Gläubiger, die im Rahmen der Durchsetzung ihrer Forderung auf eine gütliche Erledigung bedacht sind und auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen mit dem Schuldner Zahlungsvereinbarungen abschließen oder diesem in anderer Weise Zahlungserleichterungen gewähren, abgesichert werden.

4.         Konkretisierung des Bargeschäftsprivilegs

§ 142 InsO-E soll vollständig neu gefasst und dadurch künftig Bargeschäfte weitergehend als bisher der Vorsatzanfechtung entzogen werden. Für ihre Anfechtbarkeit müssen nicht nur die Voraussetzungen von § 133 Abs. 1 bis 3 InsO-E erfüllt sein. Vielmehr muss der Anfechtungsgegner auch erkannt haben, dass der Schuldner unlauter handelte. Das ist von besonderer Bedeutung, da genau dies in der jüngsten Rechtsprechung des BGH zur Privilegierung des bargeschäftsähnlichen Leistungsaustauschs im Rahmen der Vorsatzanfechtung unklar geblieben ist.

Ferner stellt § 142 Abs. 2 InsO-E klar, dass die Bestimmung der Unmittelbarkeit von Leistung und Gegenleistung sich nach der Art der ausgetauschten Leistungen richtet und dabei die Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs zu berücksichtigen sind. Das ist gerade auch für die Energiewirtschaft von besonderer Bedeutung, weil aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Vorgaben die Leistung in das Vermögen des Schuldners und deren Abrechnung zeitlich deutlich auseinanderfallen können.

Schließlich beendet der Gesetzgeber den Disput zwischen BGH und BAG zur Frage, welcher Zeitraum zwischen Erbringung der Arbeitsleistung eines Arbeitnehmers und der Entgeltzahlung des Arbeitgebers für die nach § 142 InsO erforderliche Unmittelbarkeit unschädlich ist. Mit der Normierung des Dreimonatszeitraums bei Arbeitsentgelt gibt der Gesetzgeber dem BAG den Vorzug vor dem BGH.

Fazit

Der Entwurf der Bundesregierung greift Ansätze der Rechtsprechung zur Eindämmung der Vorsatzanfechtung auf. Das Vorhaben vermag allerdings die Anfechtungsrisiken, die sich unter anderem aus der besonderen Situation der Energieversorgungsunternehmen ergeben, nicht zu beseitigen.

Das gilt namentlich für die „Privilegierung“ kongruenter Deckungshandlungen nach § 133 Abs. 3 InsO-E. Ob die Einschränkung, dass nur die Kenntnis von einer eingetretenen (statt einer nur drohenden) Zahlungsunfähigkeit in der Praxis zu nennenswerten Veränderungen führt, darf bezweifelt werden, solange die Indizien für eine Kenntnis des Gläubigers von einer eingetretenen Zahlungsunfähigkeit genau dieselben sind wie für die Kenntnis einer nur drohenden Illiquidität. Das gilt insbesondere, solange Gerichte bestimmte Umstände wie etwa die Anforderung von Sicherheitsleistungen oder Vorauszahlungen als Indiz für eine Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners überinterpretieren.

Was lange währt, wird endlich …

23. September 2015 um 13:07 von

Achtung… endlich ja, aber was?

Nach eingehenden Diskussionen unter erheblichem Zeitdruck hat heute das Kabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes (KWKG) beschlossen. Der Inhalt und die Erfolgsaussichten des Gesetzesvorhabens waren und sind umstritten.

Zur Erreichung der Klimaziele der Bundesregierung sollen fortan vor allem neue KWK-Anlagen gezielt gefördert werden, wenn deren Betrieb dabei hilft, den CO2-Ausstoß weiter zu verringern. Dazu ist ein Anstieg der Fördergelder auf 1,5 Mrd. € vorgesehen. Eine Förderung erhalten aber auch – zumindest für vier Jahre – bereits existierende besonders effiziente KWK-Anlagen, um deren Abschaltung zu verhindern.

Um dem damit für Letztverbraucher verbundenen Anstieg von Stromkosten entgegenzuwirken, wird die Lastenverteileilung angepasst. Obgleich Privilegierungen für stromintensive Unternehmen nicht vollständig abgeschafft werden,erfolgt auch eine stärkere Belastung dieser Kundengruppe.

Ob das Gesetz die gewünschten Effekte – Erhalt und Steigerung CO2-reduzierter Wärme- und Stromversorgung – erzielen wird, bleibt abzuwarten. Bezweifelt wird (so etwa der VKU in der heutigen Pressemitteilung) unter anderem, ob der Förderrahmen geeignet ist, alle Potentiale auszuschöpfen, oder ob nicht zu befürchten ist, dass gerade besonders effiziente Anlagen trotz der verbesserten Förderbedingungen auf der Strecke bleiben.

Weitere Hinweise Pressemitteilung des BMWi

17. August 2015 um 10:59 von

Strommast Ausschnitt grauDie Bundesnetzagentur stellt in ihrer Mediathek einen informativen Kurzbeitrag zum Thema “Kommunikationskanäle beim Stromnetzausbau” bereit. Mittels einer transparenten und umfassenden (auch informellen) Bürgerbeteiligung soll die Akzeptanz bei den Bürgern vor Ort gesteigert werden.

LG Offenburg: Pooling-Regelungen teilweise unwirksam

10. August 2015 um 09:48 von

rope-461577_1280Das Landgericht Offenburg hat am 22.07.2015 ein Urteil gefällt, das erhebliche praktische Relevanz für die Netzentgeltabrechnung in sog. Pooling-Sachverhalten haben könnte. Konkret ging es um die in Pooling-Fällen oftmals schwierige Frage, wann eine kundenseitige galvanische Verbindung im Sinne von § 17 Abs. 2a Nr. 4 StromNEV vorliegt. Hier wird zum Teil eine streng technische Auffassung vertreten, wonach eine galvanische Verbindung nur dann besteht, wenn die Verbindung über elektrisch leitfähiges Material hergestellt wird. Im Fall des Landgerichts Offenburg war allerdings der nachgelagerte Netzbetreiber „nur“ über mehrere Umspannwerke mit dem Hochspannungsnetz des vorgelagerten Netzbetreibers verbunden. Es lag also auf der Umspannebene keine galvanische Verbindung im technischen Sinne vor.

Der vorgelagerte Netzbetreiber als Kläger im Rechtsstreit hatte die Anwendung der Pooling-Regeln verweigert und den Differenzbetrag zwischen dem sich ohne Anerkennung der Pooling-Regeln ergebenden Netzentgelt und dem von der Beklagten unter Anwendung der Pooling-Regeln anerkannten Netzentgelt gerichtlich geltend gemacht.

Das Landgericht Offenburg hat der Klage stattgegeben. § 17 Abs. 2a Nr. 4 StromNEV sei aufgrund des Wortlauts eindeutig und verlange eine galvanische Verbindung. Diese liege hier nicht vor. Eine über den Wortlaut hinausgehende großzügigere Auslegung komme nicht in Betracht.

Allein schon wegen dieser Gesetzesauslegung hätte die Entscheidung Aufmerksamkeit verdient. Was das Offenburger Urteil für die Praxis so bedeutsam macht, sind jedoch die weiteren Ausführungen des Landgerichts: Danach gibt es nämlich keinen sachlichen Grund, die Fälle einer galvanischen Verbindung und einer induktiven Verbindung über Transformatoren ungleich zu behandeln. Von daher verstoße § 17 Abs. 2a Nr. 4 StromNEV in seiner zweiten Alternative gegen das Diskriminierungsverbot und sei mithin insgesamt unwirksam. Nach dieser Logik kommt also ein Pooling selbst dann nicht in Betracht, wenn eine galvanische Verbindung in einem streng technischen Sinne vorliegt. Die einzig verbleibende Möglichkeit für ein zulässiges Pooling ist demnach, dass die Entnahmestellen Bestandteil desselben Netzknotens sind, § 17 Abs. 2a Nr. 4 erste Alternative StromNEV.

Die Entscheidung, die nicht rechtskräftig ist, wirft für die Praxis erhebliche Fragen auf. Denn ob die Pooling-Regeln zur Anwendung kommen oder nicht, hat auf die Höhe der zu zahlenden Netzentgelte oft eine ganz erhebliche Auswirkung. Von daher werden sich alle Netzbetreiber mit der Frage befassen müssen, ob aufgrund ihrer individuellen Anschlusssituation im Lichte der Entscheidung des Landgerichts Offenburg Ansprüche des vorgelagerten Netzbetreibers auf sie zukommen können und wie ggf. eigene Forderungen gegen nachgelagerte Netzbetreiber oder industrielle Endkunden gesichert werden können.

Auf ein Neues: Insolvenzanfechtungen im Fall Flexstrom

24. Juni 2015 um 12:55 von

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Zahlreiche Unternehmen berichten, dass nunmehr auch Herr Dr. Schulte-Kaubrügger als Insolvenzverwalter der Flexstrom AG und einiger weiterer Unternehmen dieser Unternehmensgruppe Insolvenzanfechtungen erklärt hat, zumeist auf der Grundlage des § 133 InsO, der sog. Vorsatzanfechtung. Dr. Schulte-Kaubrügger gehört wie der Insolvenzverwalter im Fall TelDaFax dem Insolvenzverwalterteam White & Case an, so dass dort ein reger Informationsaustausch stattfinden wird.

Auch zahlreiche Netzbetreiber konnten inzwischen durch den zeitlich älteren Fall TelDaFax Erfahrungen mit Insolvenzanfechtungen und auch deren Beurteilung durch die Gerichte sammeln. Ob diese allerdings in jedem Einzelfall auf das Verfahren Flexstrom übertragen werden können, ist jedoch zweifelhaft. Die bisher ergangene Instanzrechtsprechung ist sehr heterogen und macht deutlich, dass gerade im Bereich der Vorsatzanfechtung die individuellen Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind. Von daher darf eine Entscheidung darüber, ob und zu welchen Konditionen man mit dem Insolvenzverwalter der Flexstrom AG eine außergerichtliche Einigung anstrebt oder eine gerichtliche Klärung sucht, einer sorgfältigen Analyse im Einzelfall. Diese wird man leider nicht in Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Fall TelDaFax anstellen können. Bis diese Fälle den BGH erreichen, wird noch einige Zeit vergehen.

Ebenso wenig hilft die Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Novellierung des Anfechtungsrechts. Zum einen ist der derzeit noch völlig unklar, welchen Änderungen der Referentenentwurf im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch unterworfen wird. Zum anderen sollen nach der im derzeitigen Entwurf vorgesehenen Überleitungsvorschrift die heute geltenden Bestimmungen auf Insolvenzverfahren, die vor dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes eröffnet worden sind, anwendbar bleiben. Für die Fälle TelDaFax und Flexstrom kommen damit alle gesetzgeberischen Erleichterungen zu spät.