Umsatzsteuer & Co. – Maßnahmen zur Entlastung und Förderung

26. Oktober 2022 um 10:00 von

I. Temporäre Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gas- und Fernwärmelieferungen über Versorgungsnetze

Durch das „Gesetz zur temporären Senkung des Umsatzsteuersatzes auf Gaslieferungen über das Erdgasnetz“ (BGBl. I S. 1743) wird der Umsatzsteuersatz für Gas- und Fernwärmelieferungen über ein Erdgas- bzw. Wärmenetz befristet vom 01.10.2022 bis zum 31.03.2024 von 19 Prozent auf 7 Prozent gesenkt. Die in die § 28 Abs. 5 und Abs. 6 Umsatzsteuergesetz (UStG) aufgenommene Regelung tritt rückwirkend zum 01.10.2022 in Kraft.

Voraussetzung für die Ermäßigung ist, dass das Gas (Erdgas oder Biogas) vom leistenden Unternehmer aus dem Erdgasnetz entnommen wird, so dass andere Vertriebswege über Tankwagen oder Kartuschen nicht begünstigt werden.

Problematisch ist der Wortlaut im Hinblick einer Lieferung von Wärme über ein Wärmenetz, da dadurch (Fern-)Wärmelieferungen über Contracting-Anlagen, die sich innerhalb des Gebäudes befinden oder kein verteilendes Quartiersnetz versorgen, nicht erfasst werden. Das BMF-Schreiben vom 25.10.2022 (Rn. 9) stellt jedoch fest, dass damit die Lieferung von Wärme aus einer Wärmeerzeugungsanlage begünstigt sei. Insofern scheint es vertretbar, den niedrigen Umsatzsteuersatz auch auf die Lieferung aus Contracting-Anlagen in Wohngebäuden anzuwenden.

Ebenfalls begünstigt werden die Leistungen zur Herstellung des Erdgas- oder Fernwärmehausanschlusses. Das BMF-Schreiben vom 25.10.2022 zur Absenkung des Umsatzsteuersatzes verweist insoweit auf die Ausführungen im BMF-Schreiben vom 04.02.2021 zu Hauswasseranschlüssen (2021/0107398), wonach auch Wartungs- und Reparaturleistungen an solchen Hausanschlüssen unter die Begünstigung fallen.

Grundsätzlich sind nach vorgenannten BMF-Schreiben alle Gas- und Fernwärmelieferungen erst mit Ablauf des jeweiligen Ablesezeitraums als ausgeführt zu behandeln, so dass auch für Teilleistungen, die vor dem 01.10.2022 erbracht wurden, bei einer danach erfolgenden (Turnus-)Abrechnung der ermäßigte Steuersatz für den gesamten Ablesezeitraum anzuwenden wäre. Dem Versorgungsunternehmen bleibt es jedoch unbenommen, den Verbrauch im Abrechnungszeitraum entsprechend anteilig abzugrenzen und mit unterschiedlichen Umsatzsteuersätzen abzurechnen.

Das BMF-Schreiben folgt insoweit auch den bereits in der temporären Absenkung zwischen dem 01.07.2020 und 31.12.2020 (BMF-Schreiben vom 30.06.2020 (2020/0610691)) erlassenen Nichtbeanstandungsregelungen im Hinblick auf die Behandlung von Abschlagszahlungen. So wird es nicht beanstandet, wenn vorsteuerabzugsberechtigte Kunden aus den Abschlagsrechnungen einen Vorsteuerabzug auf der Grundlage von 19 Prozent geltend machen und der Vorsteuerabzug für die gesamte Leistung erst auf der Grundlage der späteren Endabrechnung auf den zulässigen Wert korrigiert wird.

 

II. Geplante Umsatzsteuerbefreiung auf Lieferungen von Solaranlagen und zugehörige Batteriespeicher bis 30 kWp

Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2022 (Drucksache 20/3879; Stand 10.10.2022) sieht die Einführung eines Nullsteuersatzes mit Vorsteuerabzug für die Lieferung und Installation von Photovoltaikanlagen ab dem 01.01.2023 vor. Die Befreiung soll auch für die wesentlichen Komponenten und der Batteriespeicher, die dazu dienen, den mit Solarmodulen erzeugten Strom zu speichern, gelten.

Voraussetzung für die Anwendung der Nullsteuersatzes gemäß § 12 Abs. 3 UStG-E ist es, dass die Photovoltaikanlage gemäß der Anmeldung im Marktstammdatenregister nicht mehr als 30 kWp hat und die Photovoltaikanlage auf und in der Nähe von Privatwohnungen, Wohnungen sowie öffentlichen oder anderen Gebäuden, die für dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten genutzt werden, installiert wird.

Die Finanzverwaltung NRW weist darauf hin, dass in Fällen, in denen im Jahr 2022 Anzahlungsrechnungen unter Anwendung des Regelsteuersatzes in Höhe von 19% erstellt wurden, diese mit der Schlussrechnung bei Abschluss der Installation nach dem 01.01.2023 korrigiert und der Nullsteuersatz auf die gesamte Leistung anzuwenden ist.

Die Mehrwertsteuersystemrichtlinie (2006/112/EG) erlaubt es den Mitgliedstaaten aufgrund einer Ausnahmeregelung in Art. 98 Abs. 2 der Richtlinie eine Steuerbefreiung mit Recht auf Vorsteuerabzug oder einen unter dem Mindestsatz von 5% liegenden Steuersatz auf bestimmte Gegenstände und Dienstleistungen des Anhang III anzuwenden. Darunter fallen auch gemäß Nummer 10c des Anhang III die Lieferung und Installation von Solarpaneelen. Ob die die geplante (Mit-)Befreiung der zugehörigen Batteriespeicher insoweit beanstandet wird oder eine Klarstellung in der Richtlinie erfolgt, bleibt abzuwarten.

 

III. Einkommenssteuerbefreiung für Betreiber von Solaranlagen auf Wohn- und Gewerbeimmobilien geplant

Der Entwurf des Jahressteuergesetzes 2022 (Drucksache 20/3879; Stand 10.10.2022) sieht zugleich eine Befreiung von der Einkommenssteuer (§ 3 Nr. 72 EStG-E) für Betreiber von Photovoltaikanlagen auf oder an Einfamilienhäusern bis 30 kWp für Einkünfte ab dem 01.01.2023 (§ 51 Abs. 4 Satz 27 EStG-E) vor. Das gleiche gilt für Mehrfamilienhäuser, wenn die Photovoltaikanlage 15 kW (peak) je Wohn- oder Gewerbeeinheit nicht überschreitet. Die bisher vorgesehene Maximalschwelle von 100 kWp pro Steuerpflichtigen (natürliche Person oder Kapitalgesellschaft) befindet sich im Hinblick auf den Wegfall der 100 kWp-Begrenzung für Mieterstromanlagen im EEG 2023 noch in der Diskussion.

Die Steuerbefreiung soll nach der Gesetzesbegründung unabhängig von der Verwendung des erzeugten Stroms und dem Inbetriebnahmedatum der Anlage gelten. Damit sind auch Einnahmen aus Photovoltaikanlagen, bei denen der erzeugte Strom vollständig in das öffentliche Stromnetz eingespeist, zum Aufladen eines privaten oder betrieblich genutzten E-Autos verbraucht oder von Mietern genutzt wird, steuerfrei.

Zweck der Änderungen ist der Abbau bürokratischen Aufwandes für private Anlagenbetreiber, die bisher eine Einnahm-Überschussrechnung erstellen mussten oder zum Zwecke des Vorsteuerabzuges einen Verzicht auf die Kleinunternehmerregelung (§ 19 UstG) vorgenommen haben.

Somit könnten zukünftig auch vermögensverwaltende Personengesellschaften (z. B. Vermietungs-GbR) auf ihren Mietobjekten Photovoltaikanlagen von bis zu 15 kW (peak) je Wohn- und Gewerbeeinheit (max. 100 kW (peak)) installieren und ihre Mieter mit selbst produziertem Strom versorgen, ohne steuerliche Nachteile durch eine gewerbliche Infektion der Vermietungseinkünfte befürchten zu müssen.

 

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BGH zur einseitigen Fortsetzung eines Lieferverhältnisses – Update zu „Kein Gratis-Strom im Schweinestall…“

19. Juli 2022 um 13:35 von

Mit Beitrag vom 10. Februar 2021 (Verlinkung) haben wir über ein Urteil des OLG Düsseldorf (I-27 U 19/19) zur Rechtsfigur der sog. geduldeten Notstromentnahme berichtet. Das OLG Düsseldorf hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Letztverbraucher, der ohne ein Lieferverhältnis zu einem bestimmten Lieferanten Strom bezogen hat, zwar in Niederspannung angeschlossen, aber nicht grundversorgungsberechtigt war. Bekanntlich hat das OLG Düsseldorf entschieden, dass der Letztverbraucher dem Netzbetreiber (jedenfalls) auf der Grundlage der Geschäftsführung ohne Auftrag einen Ersatz für die entnommenen Strommengen schulde.

Diese Entscheidung wurde nunmehr mit Urteil vom 10. Mai 2022 (EnZR 54/21) durch den BGH gekippt. Nach Auffassung des BGH seien Strommengen, die ein Letztverbraucher ohne vertragliche oder gesetzliche Grundlage aus dem Niederspannungsnetz beziehe, bilanziell, wirtschaftlich und zivilrechtlich nicht dem Verteilernetzbetreiber, sondern dem Grund- und Ersatzversorger zuzuordnen. Die Zuordnung zum Grund- und Ersatzversorger habe unabhängig davon zu erfolgen, ob es sich bei dem betroffenen Letztverbraucher um einen grundversorgungsfähigen Haushaltskunden handele oder nicht.

Der BGH hat unter Bezugnahme auf seine frühere Entscheidung vom 27.10.2020 (EnVR 104/19) erklärt, dass einer Zuordnung lieferantenloser Lieferstellen zum Bilanzkreis des Verteilnetzbetreibers die Entflechtungsvorgaben der §§ 6 ff. EnWG entgegenstünden. Da eine bilanzielle Zuordnung zum Verteilnetzbetreiber unzulässig sei, könnten die Strommengen, die der Letztverbraucher unberechtigterweise aus dem Netz entnehme, auch nicht dem Vermögen des Verteilnetzbetreibers zugeordnet werden. Deshalb könne dieser keine Zahlungsansprüche – über eine Geschäftsführung ohne Auftrag oder das Bereicherungsrecht – gegen den Letztverbraucher geltend machen.

Nach Auffassung des BGH seien die Strommengen, die der lieferantenlose Letztverbraucher dem Niederspannungsnetz entnehme, stets dem Grund- und Ersatzversorger bilanziell zuzuordnen. Dies gelte wegen der Auffangfunktion des Grund- und Ersatzversorgers insbesondere auch dann, wenn der Letztverbraucher nicht als Haushaltskunde qualifiziert werden könne. Es komme also in jedem Fall zu einer wirtschaftlichen und vermögensrechtlichen Zuordnung zum Grund- und Ersatzversorger; und das selbst nach Auslaufen Ersatzversorgung. Der Letztverbraucher setze das Lieferverhältnis nach Ablauf der dreimonatigen Ersatzversorgung einseitig fort, so der BGH. Der ihm somit gewissermaßen aufgedrängten Belieferung des Letztverbrauchers könne der Grund- und Ersatzversorger entgegenwirken, indem er eine Zählersperre durchsetze oder zivilrechtliche Unterlassungs- und Ausgleichsansprüche geltend mache.

Damit lehnt der BGH die kontrovers diskutierte Rechtsfigur der geduldeten Notstromentnahme sowohl für grundversorgungsfähige (Beschluss vom 27.10.2020, EnVR 104/19) als auch für nicht grundversorgungsfähige Letztverbraucher (Urteil vom 10.05.2022, EnZR 54/21) kategorisch ab. Die Verantwortlichkeit für die Belieferung der Letztverbraucher liegt aus Sicht des BGH ausnahmslos bei dem jeweils zuständigen Grund- und Ersatzversorger.

Nur eingeschränkte gerichtliche Überprüfung bei Umrüstung von Freileitung auf Erdkabel aufgrund neuer Ladepunkte für Elektromobile

13. April 2022 um 10:04 von

Das Amtsgericht Trier (Az. 31 C 20/22) hat geurteilt, dass die Entscheidung des Netzbetreibers, eine vorhandene Freileitung zurückzubauen und die angeschlossenen Immobilien nunmehr über ein Erdkabel zu versorgen, im Ermessen des Netzbetreibers steht und daher nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist.

Der Klägerin waren aufgrund der Umstellung von Freileitung auf Erdkabel Kosten für die Anpassung ihrer elektrischen Anlage entstanden. Diese verlangte sie vom Netzbetreiber unter anderem mit der Begründung erstattet, die Umrüstung auf Erdkabel sei einzig aus dem Grund erfolgt, weil ein einzelner Nachbar die Errichtung mehrerer Ladepunkte für Elektromobile beantragt habe. Es sei unbillig, dass ihr aufgrund der Entscheidung eines Einzelnen Kosten entstünden, weswegen ihr der Netzbetreiber zur Erstattung verpflichtet sei.

Dieser Argumentation ist das Amtsgericht Trier nicht gefolgt. Vielmehr stellte es fest, dass dem Netzbetreiber gemäß § 8 Abs. 3 NAV ein Ermessensspielraum zustehe, der nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterläge. Dabei erscheine es vorliegend sinnvoll, dass das Netz zur Errichtung neuer Ladepunkte ertüchtigt wird. Das allein reiche für eine sachliche Rechtfertigung der Umbaumaßnahmen aus. Eine Alternativlosigkeit sei hierfür nicht erforderlich.

Aufgrund der sachlichen Rechtfertigung der Umbaumaßnahmen bleibt es ausweislich der Begründung des Gerichtes dabei, dass die Kostentragung der Verantwortung für die technischen Anlagen folgt. Die vorliegend entstandenen Kosten seien dem Verantwortungsbereich der Klägerin zuzuordnen und somit auch von dieser zu tragen. Anhaltspunkte für eine Kostentragung durch den Netzbetreiber bestünden nicht. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.

Verbraucherzentrale unterliegt bei Preisspaltung

6. April 2022 um 12:23 von

Mit Beschluss vom 01.04.2022 hat das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf VI-5 W 2/22 (Kart)) die sofortige Beschwerde der Verbraucherzentrale NRW gegen eine Entscheidung des Landgerichts Dortmund (10 O 11/22 [EnW]) zurückgewiesen, was die von einem Grundversorger vorgenommene Preisspaltung mit einer tariflichen Differenzierung zwischen Neu- und Altkunden als rechtmäßig bestätigt hatte.

Im Beschwerdeverfahren hielt das OLG Düsseldorf die landgerichtliche Entscheidung aufrecht und schloss sich einer inhaltsgleichen Entscheidung des OLG Köln vom 02.03.2022 an. Auch das OLG Düsseldorf verwarf die Argumentation der Verbraucherzentrale, aus einer europarechtskonformen Auslegung des § 36 EnWG ergäbe sich das Verbot einer Preisspaltung. Eine Ungleichbehandlung von Kunden sei nicht per se, sondern nur dann verboten, wenn sie ohne sachlich gerechtfertigten Grund erfolge. Ein solcher sei hier allerdings aufgrund der erheblichen Verwerfungen durch die unvorhersehbare Entwicklung auf den Energiemärkten zum Ende des Jahres 2021 gegeben.

Mit der Entscheidung des OLG Düsseldorf sind zwei von drei Eilverfahren zu Gunsten der beklagten Grundversorger erledigt. In einem dritten Verfahren hatte das Landgericht Düsseldorf vor einigen Tagen den Eilantrag der Verbraucherzentrale durch Urteil zurückgewiesen. Insoweit läuft noch die Rechtsmittelfrist. Allerdings müsste über eine Berufung erneut das OLG Düsseldorf entscheiden. Von daher bleibt abzuwarten, ob die Verbraucherzentrale in diesem Verfahren noch Berufung einlegt.

OLG Köln und Landgericht Dortmund weisen Eilanträge der Verbraucherzentrale NRW zurück

7. März 2022 um 09:14 von

Gespaltene Preise in der Grund- und Ersatzversorgung sind nach Auffassung des Landgerichts Dortmund mit § 36 EnWG vereinbar. § 36 EnWG regle nämlich nicht die Einzelheiten der Ausgestaltung des Energieliefervertrages . Weiter sei die Rechtsprechung des BGH, wonach ein Grund- und Ersatzversorger mehrere Preise und Tarife anbieten dürfe, auch auf den vorliegenden Fall anwendbar, dass die Preisspaltung auf unterschiedlichen Beschaffungskosten basiere.

Schließlich weist das Landgericht das Argument der Verbraucherzentrale NRW zurück, die Binnenmarktrichtlinie Elektrizität verbiete die Preisspaltung. Art. 27 Abs. 1 der Richtlinie 2019/944 regle ein Diskriminierungsverbot; vorliegend gebe es aber – wie auch die Landeskartellbehörde NRW festgestellt habe – aufgrund der extremen Situation an den Großhandelsmärkten sachliche Gründe für die Ungleichbehandlung.

Mit dieser Entscheidung, die noch nicht rechtskräftig ist, schließt sich das LG Dortmund dem LG Köln an, das vor drei Wochen bereits einen gleichlautenden Antrag der Verbraucherzentrale NRW zurückgewiesen hatte. Dessen Entscheidung wurde inzwischen durch das OLG Köln bestätigt.