Und wandelt mit bedächt‘ger Schnelle…

26. Februar 2014 um 16:56 von

Faust-Goethe-14Der BGH hat durch Urteil vom 25.02.2014 entschieden, dass Netzbetreiber bei Überspannungsschäden auch ohne jedes Verschulden nach dem Produkthaftungsgesetz haften. Stellt man diese Entscheidung in einen größeren zeitlichen Rahmen, fühlt man sich unwillkürlich an Goethes Faust erinnert:

„Und wandelt mit bedächt’ger Schnelle
Vom Himmel durch die Welt zur Hölle.“

Der (Haftungs-)Himmel der Netzbetreiber, das war bis zum Jahr 2006 die privilegierte Haftungsregelung des § 6 AVBEltV, wonach die Netzbetreiber bei Sachschäden nur in Fällen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit hafteten und dies auch nur beschränkt auf 2.500,00 € pro Kunde.

Mit Inkrafttreten der NAV wurden die Netzbetreiber bildlich aus dem Paradies vertrieben und waren in der Welt angekommen. Der Verordnungsgeber der NAV hat 2006 den Haftungsrahmen deutlich erweitert, jedoch zugleich die besonderen Haftungsrisiken der leitungsgebundenen Energieversorgung abermals anerkannt. In der amtlichen Begründung zu § 18 NAV heißt es, dass bereits geringstes menschliches Versagen kaum unübersehbare Schadensfolgen auslösen könne. Angesichts dieses Risikos wäre eine uneingeschränkte Haftung der Netzbetreiber kaum mehr versicherbar, würde aber zumindest über entsprechend hohe Versicherungsprämien oder Rückstellungen zu einer Kostenbelastung führen, die dem Interesse an einer möglichst kostengünstigen Energieversorgung zuwiderliefen.

All das hat der BGH ignoriert und eine „höllisch“ gefährliche, weil verschuldensunabhängige, Haftung der Netzbetreiber nach dem Produkthaftungsgesetz angenommen. Zur Begründung wird in der bislang allein vorliegenden Pressemeldung angeführt, der Netzbetreiber sei Hersteller des fehlerhaften Produkts Elektrizität im rechtlichen Sinne, weil er es vor dem Transport an den Kunden transformiert habe. Energiewirtschaftlich zwingend ist das alles nicht und zugleich eine Entscheidung, die dem Willen des Verordnungsgebers der NAV diametral zuwiderläuft.

Was kann man tun? Erstens ist zu empfehlen, die Konditionen der betrieblichen Haftpflichtversicherung zu prüfen, denn die Haftung nach dem ProdHaftG ist zwingend und kann durch Vertragsklauseln nicht abbedungen werden. Zweitens wird man sich zukünftig, soweit dies technisch/betrieblich überhaupt möglich ist, in vorhersehbar kritischen Situationen überlegen müssen, ob man nicht vorsorglich zur Vermeidung von Überspannungsschäden die Stromversorgung unterbricht. Drittens sollten Netzbetreiber ihre Kundenstruktur prüfen, ob (zumindest bestimmte) Kundenanlagen zukünftig nicht auf ein entsprechendes Verlangen des Netzbetreibers mit einer Einrichtung zum Schutz vor Überspannungen ausgerüstet werden sollten oder müssen.

Die Quintessenz der BGH-Entscheidung für Netzbetreiber ist jedenfalls, Elektrizität im Zweifelsfall lieber gar nicht als fehlerhaft zu transportieren. Bei einer Nichtlieferung von Strom dürfte eine verschuldensunabhängige Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz wegen der Fehlerhaftigkeit des Produkts nämlich nicht in Betracht kommen.

OLG Düsseldorf zu § 26 ARegV

23. Januar 2014 um 10:34 von

Bundesnetzagentur_Gebaeude_136KB[1]In einer mündlichen Verhandlung am 22.01.2014 bestätigte der Kartellsenat des OLG Düsseldorf die Position der Bundesnetzagentur in einem Besonderen Missbrauchsverfahren nach § 31 EnWG, wonach ein aufnehmender Netzbetreiber keinen aus § 26 ARegV ableitbaren Informationsanspruch gegen den abgebenden Netzbetreiber habe. Weigere sich dieser, Netzdaten in Bezug auf das bei ihm verbleibende Teilnetz herauszugeben, handele der abgebende Netzbetreiber nicht missbräuchlich.

Zugleich ging das OLG Düsseldorf kritisch mit einer zentralen Aussage im Leitfaden der Regulierungsbehörden zu § 26 ARegV um. Die dortige Aussage, es müsse ein einvernehmlicher Antrag des aufnehmenden und des abgebenden Netzbetreibers eingereicht werden – mit der Maßgabe, dass im Streitfall die richtige gemeinsame Position im Zivilrechtswege zu klären sei – sei abzulehnen. Es sei originäre Aufgabe der Regulierungsbehörden, Erlösobergrenzen festzulegen und Anträge der Netzbetreiber auf Aufteilung der Erlösobergrenzen nach einem Netzübergang zu bescheiden. Einen Antrag eines einzelnen Netzbetreibers hält der Kartellsenat nach den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ebenso für möglich wie divergierende Anträge der betroffenen Netzbetreiber.

Die Bundesnetzagentur trat dieser Rechtsauffassung entgegen und hielt an den Aussagen des Leitfadens fest. Mit einer kurzfristigen Änderung der Verwaltungspraxis ist also nicht zu rechnen.

goldgas SL GmbH fordert Rückzahlung überhöhter Lieferantenentgelte für Konzessionsabgaben

14. Januar 2014 um 16:40 von

Pipeline1Die goldgas SL GmbH als ein bundesweit tätiger Gaslieferant fordert offenbar in größerem Umfang Konzessionsabgabenzahlungen zurück.

Die Abrechnung der Konzessionsabgabenzahlungen im Gasbereich ist seit langem umstritten. § 2 Abs. 6 KAV ordnet die Wettbewerbsneutralität der Konzessionsabgaben an. Im Falle von Drittbelieferungen sollen grundsätzlich dieselben Konzessionsabgaben gezahlt werden, die  das mit dem Netzbetreiber verbundene oder assoziierte Vertriebsunternehmen in dem Konzessionsgebiet zu zahlen hat. Nach einer Entscheidung des BGH vom 06.11.2012 bedeutet das allerdings nicht, dass ein Drittunternehmen die hohe Tarifkunden-KA zu zahlen hat, wenn der mit dem Netzbetreiber verbundene oder assoziierte Vertrieb nur Tarifverträge anbietet.

Der Rückforderungsanspruch von goldgas stützt sich jedoch auf eine angebliche Unterschreitung des in § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 KAV normierten Grenzpreises. Zwar legt der Wortlaut in § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 KAV eine unternehmensindividuelle Bestimmung des Grenzpreises nahe. Fraglich ist aber, ob damit tatsächlich für jeden einzelnen Lieferanten ein Grenzpreis zu ermitteln ist oder ob dies nur bedeutet, dass anders als im Strom kein bundesweiter, sondern ein auf das Netzgebiet begrenzter Grenzpreis gilt.

Mit dem Willen des Gesetzgebers, das Konzessionsabgabenaufkommen der Gemeinden durch die Neuregelung des EnWG nicht  zu tangieren (BT-Drucks. 15/1468, S. 10), ist die von goldgas vertretene lieferantenindividuelle Bestimmung genauso wenig vereinbar wie mit dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität des Grenzpreises. Im Übrigen wird man Aussagekraft der zum Nachweis der Unterschreitung des unternehmensindividuellen Grenzpreises vorgelegten Wirtschaftsprüfertestate kritisch bewerten müssen.

Care Energy: Einstweilige Verfügung des Landgerichts Hamburg gegen Stadtwerk

18. September 2013 um 09:00 von

Bild2Die unter der Marke Care Energy agierende mk-Unternehmensgruppe aus Hamburg jubelt pressewirksam über eine einstweilige Verfügung, die das Landgericht Hamburg gegen ein Stadtwerk erlassen hat.

Was war geschehen?

Die mk-power hatte ihre Kunden aufgefordert, sich beim Netzbetreiber um einen eigenständigen Netznutzungsvertrag zu bemühen. Daraufhin hatte das Stadtwerk die Letztverbraucher darauf hingewiesen, dass sie als Netznutzer die GPKE-Festlegung der Bundesnetzagentur zur elektronischen Abwicklung der Netznutzung zu beachten hätten. Dieses Schreiben des Stadtwerks an die Letztverbraucher hat dann die mk-power zum Anlass genommen, nach dem UWG wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend zu machen.

Warum die mk-power berechtigt sein soll, wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend zu machen, leuchtet nicht ein. Es muss auch bezweifelt werden, dass sich das Landgericht vertiefte Gedanken zum Verhältnis von Umsatzsteuergesetz und GPKE gemacht hat. Es ist eine Frage, ob im Rahmen einer bestehenden Vertragsbeziehung nach § 14 UStG eine Rechnung in Papier verlangt werden darf, und eine andere Frage, ob überhaupt eine Vertragsbeziehung eingegangen werden muss. Zwar ist der Netzbetreiber grundsätzlich kontrahierungspflichtig; dies gilt allerdings nicht in den Fällen der Unzumutbarkeit. Solche liegen nach zutreffender Rechtsauffassung der Bundesnetzagentur vor, wenn ein Netznutzer eine Papierrechnung verlangt.

Schöne neue Energiewelt

15. August 2013 um 14:08 von

CuRIn der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Contracting und Recht“ (CuR 02-2013, Seite 51) habe ich unter der Rubrik „CuR Standpunkt“ zu aktuellen Fehlentwicklungen in der Energiepolitik Stellung genommen:

„Es war einmal vor über zwei Jahrzehnten in Brüssel: Seinerzeit wurde die Idee geboren, die europäischen Energiemärkte zu liberalisieren. Weg von den Monopolstrukturen und hin zum Markt, so hieß die Devise, die in Deutschland schneller als europarechtlich gefordert mit dem Energiewirtschaftsgesetz 1998 in nationales Recht umgesetzt wurde. Am Ende sollten die Verbraucher von effizienten wettbewerblichen Prozessen in der Energiewirtschaft und günstigeren Preisen profitieren.

Was ist seither geschehen? Zur Förderung des Wettbewerbs wurde das Netzgeschäft einer strikten Regulierung unterworfen. Das war konsequent, weil das Netz zwangsläufig und dauerhaft Monopolstrukturen ausbildet. Durch staatliche Eingriffe ist inzwischen aber auch vom Wettbewerb auf dem Erzeugungsmarkt kaum noch etwas übrig. Der Betrieb älterer Atomkraftwerke wurde schlicht verboten; neuere Kraftwerke dürfen nur noch für eine Übergangszeit betrieben werden. Volkswirtschaftliches Vermögen in Milliardenwert wurde durch den berühmten „Federstrich des Gesetzgebers“ entwertet. Derselbe Gesetzgeber fördert erneuerbare Energien ohne Rücksicht auf marktwirtschaftliche Zusammenhänge. Im Jahre 2011 wurden rund 16,7 Mrd. EUR an EEG-Anlagenbetreiber ausgeschüttet; gleichzeitig lagen die Erlöse der Übertragungsnetzbetreiber aus der Vermarktung des EEG-Stroms bei rund 4,4 Mrd. EUR. Dabei mussten die Übertragungsnetzbetreiber an einigen Tagen negative Strompreise realisieren, also noch Geld mitbringen, um den zwangsweise übernommenen EEG-Strom absetzen zu können.

Aber damit nicht genug: Wenn sich Betreiber konventioneller Kraftwerke aufgrund der subventionierten EEG-Konkurrenz marktkonform verhalten und ihre Kraftwerke vom Netz nehmen, muss ihnen das staatlicherseits untersagt werden, weil nach all den Eingriffen der vorhandene Kraftwerkspark nicht mehr ausreicht, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Und im Vertrieb? Hier ist scheinbar alles gut. In den einschlägigen Internetportalen können die Kunden aus zahlreichen, oftmals hunderten von Angeboten auswählen. Trotzdem werden von manchen Gerichten die Preise des Grundversorgers einer strikten Kontrolle nach § 315 BGB unterworfen. Der Aufwand zur Darlegung der Billigkeit im Zivilprozess ist dabei oftmals so groß, dass es für die betroffenen Unternehmen weit wirtschaftlicher wäre, die streitige Forderung auszubuchen und dem Kunden zu kündigen. Das ist aber im Bereich der Grundversorgung durch die Grundversorgungsverordnungen Strom und Gas verboten. Insofern findet sich hier eine unselige Mischung aus staatlichem Versorgungszwang und gerichtlicher Preiskontrolle, die auf einem Wettbewerbsmarkt mit effektiven Wechselmöglichkeiten nichts verloren hat. Eine gesetzgeberische Korrektur dieser Entwicklung ist dennoch nicht in Sicht.

Das alles wäre nicht so schlimm, wenn in der Energieversorgung schnelle Reaktionszeiten auf die zahlreichen staatlichen Aktivitäten möglich wären. Das ist aber nicht der Fall. Die Planung und Umsetzung von Infrastrukturprojekten (Kraftwerke und Netze) wird auch künftig Jahre dauern. Daran werden alle Beschleunigungsgesetze nichts ändern. Und dann muss man auch noch jemanden finden, der in einem politisch und ökonomisch volatilen Marktumfeld überhaupt langfristig Kapital binden will. Dies mag im Netzbetrieb noch möglich sein, wo die Monopolsituation – bei manchem Ärger der Netzbetreiber über die Ausgestaltung der Regulierung durch die zuständigen Behörden – eine gewisse Planungssicherheit ermöglicht. Aber im Erzeugungsbereich bleiben ältere konventionelle Kraftwerke am Netz, weil keine neuen gebaut werden.

Wohin führt das Ganze? Ein Zurück in die Zeiten geschlossener Versorgungsgebiete wird es nicht geben. Jedoch tut eine Rückbesinnung auf die Grundüberlegung aus den 90iger Jahren Not: Der Wettbewerb als Ordnungsprinzip hat (mit Einschränkungen) funktioniert und dem Land einen erheblichen Wohlstand verschafft. Warum nicht auch in der Energiewirtschaft? Warum hat der Staat hier so viel Angst vor den Geistern, die er vor nicht allzu langer Zeit selbst rief?

Darauf mag man antworten, dass die Energiewende im Wettbewerb nicht funktioniert. Der politisch motivierte (und vom Wahlvolk in großer Mehrheit mitgetragene) Umbau der Energieerzeugung geht schwerlich ohne staatlichen Dirigismus vonstatten. Alle Marktakteure wissen das und richten sich auch für die Zukunft auf staatliche Eingriffe ein. Trotzdem sollte eine neue Bundesregierung wegkommen vom sprunghaften energiepolitischen „Wünsch-Dir-was“ und langfristige Planungssicherheit für die Marktteilnehmer schaffen. Es geht nicht um die Frage Staat oder Markt, sondern um die richtige Mischung. Etwas mehr Markt und etwas weniger staatlicher Aktionismus sowie eine Kosten-Nutzen-Analyse der einzelnen Energiewende-Maßnahmen wären hilfreich, um zu vermeiden, dass aus einer teuren eine unbezahlbare Energiewende wird.“