Insolvenzrecht – Entgegenkommen bei Ratenzahlungsvereinbarungen

24. April 2015 um 15:33 von

bgh_front2Der für Fragen des Insolvenzrechts zuständige 9. Zivilsenat am BGH hat durch Beschluss vom 16.04.2015 (IX ZR 6/14) seine Rechtsprechung zur Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO bestätigt, wonach die Bitte eines Schuldners auf Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung als solche kein Indiz für eine Zahlungseinstellung oder Zahlungsunfähigkeit des Schuldners sei, solange sich die Bitte im Rahmen der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs halte.

Der Beschluss ist vordergründig gläubigerfreundlich. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich aber erneut, wie problematisch für einen Gläubiger in einer wirtschaftlich schwierigen Situation seines Vertragspartners der Umgang mit dem Risiko einer möglichen späteren Insolvenzanfechtung ist. So führt der BGH in den Entscheidungsgründen im o.g. Beschluss aus, eine Bitte um Ratenzahlung sei insolvenzrechtlich anders zu beurteilen, wenn sie vom Schuldner mit der Erklärung verbunden wird, seine fälligen Verbindlichkeiten nicht anders begleichen zu können. Das ist dann laut BGH ein (im Regelfall wohl gewichtiges) Indiz für eine Zahlungseinstellung, die ihrerseits nach § 17 Abs. 2 InsO in der Regel dazu führt, dass Zahlungsunfähigkeit anzunehmen ist. Auch das Eingreifen einer Verfallklausel – wenn eine Rate der Ratenzahlungsvereinbarung nicht pünktlich gezahlt wird, wird der gesamte noch offene Betrag auf einmal fällig – kann im Einzelfall Indiz für eine Zahlungseinstellung sein. Entscheidend sind hier die Umstände des Einzelfalls.

Der Fall zeigt einmal mehr, dass im Umgang mit Schuldnern in wirtschaftlichen Schwierigkeiten aus insolvenzrechtlicher Sicht höchste Vorsicht geboten ist. Allzu großes Entgegenkommen bei Ratenzahlungsvereinbarungen kann leicht dazu führen, dass im Fall der späteren Insolvenz des Vertragspartners die empfangenen Zahlungen an den Insolvenzverwalter zu erstatten sind.

Es bewegt sich doch – Bundeskartellamt ändert seine Marktabgrenzung im Gasbereich

6. November 2014 um 15:45 von

BKartADas Bundeskartellamt hat den Erwerb von weiteren 15,79 % der Anteile an der VNG AG, Leipzig, durch die EWE AG, Oldenburg, freigegeben. Durch diesen Erwerb wird die EWE AG insgesamt 63,69 % der VNG-Anteile halten und damit fusionskontrollrechtlich die alleinige Kontrolle erlangen.

Zwar sind die Entscheidung und deren Begründung bislang noch nicht veröffentlicht; es liegt bislang lediglich eine Presseerklärung des Amtes vor, doch bereits jetzt ist festzustellen, dass die Freigabe des Anteilserwerbs über den Einzelfall hinaus für die Branche von Bedeutung ist.

Das Amt hat sich im Rahmen des Verfahrens mit der sachlichen und örtlichen Abgrenzung der relevanten Märkte im Gasbereich beschäftigt und aufgrund der „positiven wettbewerblichen Entwicklung im Gasbereich“ seine bisherige Abgrenzung geändert. Tendenzen dazu waren bereits in einigen anderen Verfahren in der Vergangenheit erkennbar gewesen, doch hat das Amt eine tatsächliche Änderung seiner Marktabgrenzung offen gehalten.

Ausweislich der Presseerklärung stellt das Amt nunmehr Folgendes fest:

  • Die Marktmacht der deutschen Ferngasgesellschaften hat sich vor allem zu den ausländischen Gasproduzenten verschoben, namentlich Gazprom und Statoil. Gasproduzenten seien auch immer mehr als Händler auf den nachgelagerten Stufen tätig.
  • Die bisherige Unterscheidung zwischen der Belieferung überregionaler Ferngasgesellschaften (1. Stufe) und regionalen Ferngasunternehmen (2. Stufe) wird aufgehoben. Anmerkung: Bislang hat das Amt unter Berufung auf die sog. Staubsaugerbeutel-Entscheidung des Bundesgerichtshofs vertreten, dass eine separate Erfassung dieser beiden Märkte erforderlich sei. Eine Marktabgrenzung sei nämlich fehlerhaft, wenn sie dazu führt, dass Erzeuger und Verkäufer einer Stufe gestellt werden, obwohl die gesamte gehandelte Ware von den Erzeugern in den Verkehr gebracht worden ist. Zukünftig wird das Amt beide Marktstufen zu einer einheitlichen Gasgroßhandelstufe (für H-Gas und L-Gas) einschließlich der Händler zusammenfassen. Örtlich grenzt das Amt diese Marktstufe bundesweit ab, also weder netz- oder marktgebietsbezogen.
  • Auch der nachgelagerte Markt für die Belieferung von regionalen und lokalen Weiterverteilern, insbesondere Stadtwerken, wird bundesweit abgegrenzt. Auch dies war zwar in der Vergangenheit vom Amt diskutiert, aber im Ergebnis noch offen gehalten worden (vgl. etwa Beschluss vom 20. März 2012 in Sachen Energie Südwest AG, enovos Deutschland AG und anderen, Textziffer 44 ff.).
  • Bei der Belieferung von Haushaltskunden ging das Amt bisher davon aus, dass auf dieser Marktstufe, unabhängig von der Frage, ob es sich bei den Kunden um grundversorgte Kunden oder Sondervertragskunden handelt, eine netzgebietsbezogene Marktabgrenzung vorzunehmen sei. Im eigenen Netzgebiet nahm das Amt im Regelfall eine marktbeherrschende Stellung des mit dem Netzbetreiber verbundenen Versorgers an. Zukünftig will es hier – wie bereits im Strombereich – differenzieren zwischen Grundversorgungs- und Sondervertragskunden, die jeweils separate sachliche Märkte bilden. Hierfür sprechen nach Ansicht des Amtes Abstände bei den Preisen, Wechselverhalten und Anbieterstruktur. Örtlich grenzt das Amt im Bereich der Sondervertragskunden aufgrund der positiven wettbewerblichen Entwicklung in diesem Bereich den Markt bundesweit ab. Im Bereich der Grundversorgung verbleibt es aber bei der bisherigen netzbezogenen Abgrenzung, bei der jeder Grundversorger in seinem Gebiet ein Monopol habe.

Für die Missbrauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmen bedeutet die neue Abgrenzung des Amtes im Bereich der Sondervertragskunden, dass eine marktbeherrschende oder marktstarke Stellung eines Energieversorgers aufgrund der größeren geographischen Ausdehnung des sachlichen Marktes und der größeren Anzahl der Marktteilnehmer – natürlich vorbehaltlich einer Prüfung im Einzelfall  – auch unter Berücksichtigung sonstiger, insbesondere der in § 18 Abs. 3 GWB genannten Faktoren, häufig nicht mehr gegeben sein dürfte. Ist dies der Fall, fehlt es an der Anwendungsvoraussetzung der entsprechenden Normen des GWB. Anders sieht es im Bereich der Grundversorgung aus. Der Grundversorger unterliegt als Marktbeherrscher oder – wie das Amt schreibt – als Monopolist nach wie vor den Vorschriften über die Missbrauchsaufsicht, insbesondere der kartellrechtlichen Preishöhenkontrolle.