Verbraucher sollen gläserne Stromrechnung bekommen – oder wäre weniger vielleicht doch mal mehr?

17. Juli 2014 um 11:09 von

DSC_0196Diese (Titel der heutigen Welt im Internet) oder ähnliche Schlagzeilen liest man heute reihenweise. Wirtschaftsminister Gabriel plant eine transparente Stromrechnung, die eine genaue Auflistung über den Anteil von Stromsteuer und EEG-Umlage enthalten soll. Der Entwurf zur „Verordnung zur transparenten Ausweisung staatlich oder regulatorisch gesetzter Preisbestandteile in der Strom- und Gasgrundversorgung“ sei bereits mit dem Justizministerium abgestimmt und befinde sich zur Abstimmung bei den Ländern und Interessenverbänden, zitiert die Welt den Wirtschaftsminister.

War da nicht schon mal was? Ach ja, § 40 EnWG. Rechnungen eines Energieversorgers müssen einfach und verständlich sein. Dies erreicht man nach dem bisherigen Verständnis des Gesetzgebers, indem man neben Namen, ladungsfähiger Anschrift und zuständigem Registergericht sowie Angaben, die eine schnelle elektronische Kontaktaufnahme ermöglichen, einschließlich der Adresse der elektronischen Post, zur Angabe folgender Dinge verpflichtet:

  • die Vertragsdauer, die geltenden Preise, den nächstmöglichen Kündigungstermin und die Kündigungsfrist,
  • die für die Belieferung maßgebliche Zählpunktbezeichnung und die Codenummer des Netzbetreibers,
  • den ermittelten Verbrauch im Abrechnungszeitraum und bei Haushaltskunden Anfangszählerstand und den Endzählerstand des abgerechneten Zeitraums,
  • den Verbrauch des vergleichbaren Vorjahreszeitraums,
  • bei Haushaltskunden unter Verwendung von Grafiken darzustellen, wie sich der eigene Jahresverbrauch zu dem Jahresverbrauch von Vergleichskundengruppen verhält,
  • die Belastungen aus der Konzessionsabgabe und aus den Netzentgelten für Letztverbraucher und gegebenenfalls darin enthaltene Entgelte für den Messstellenbetrieb und die Messung beim jeweiligen Letztverbraucher sowie
  • Informationen über die Rechte der Haushaltskunden im Hinblick auf Streitbeilegungsverfahren, die ihnen im Streitfall zur Verfügung stehen, einschließlich der für Verbraucherbeschwerden nach § 111b einzurichtenden Schlichtungsstelle und deren Anschrift sowie die Kontaktdaten des Verbraucherservice der Bundesnetzagentur für den Bereich Elektrizität und Gas

Hinzu kommt die Stromkennzeichnung nach § 42 EnWG, nach dem zusätzlich informiert werden muss über:

  • den Anteil der einzelnen Energieträger (Kernkraft, Kohle, Erdgas und sonstige fossile Energieträger, erneuerbare Energien, gefördert nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, sonstige erneuerbare Energien) an dem Gesamtenergieträgermix, den der Lieferant im letzten oder vorletzten Jahr verwendet hat; spätestens ab 1. November eines Jahres sind jeweils die Werte des vorangegangenen Kalenderjahres anzugeben
  • Informationen über die Umweltauswirkungen zumindest in Bezug auf Kohlendioxidemissionen (CO2-Emissionen) und radioaktiven Abfall, die auf den in Nummer 1 genannten Gesamtenergieträgermix zur Stromerzeugung zurückzuführen sind

Auf die Darstellung weiterer Untergliederungen und Vorgaben zur Darstellung in den Rechnungen wird an dieser Stelle verzichtet. Denn auch ohne eine vollständige Wiedergabe aller Anforderungen an eine Rechnung eines Energieversorgungsunternehmens wird man diskutieren können, inwieweit dem Kunden derzeit schon eine gläserne Rechnung aufgezwungen wird. Aber was soll das Nachvollziehen einer Rechnung (noch) leichter machen; das man zudem in einer (weiteren) Verordnung regeln muss?

Angedacht sind Ergänzungen in den jeweiligen Grundversorgungsverordnungen Strom und Gas, nach denen (zusätzlich) folgende Preisbestandteile auszuweisen sein sollen:

Ergänzende Vorgaben zur Art der Veröffentlichung und Darstellung fehlen natürlich auch hier nicht.

In der Begründung zum Verordnungsentwurf liest man, dass der Grundversorger bisher nicht verpflichtet sei, die in die Kalkulation des Grundversorgungspreises eingeflossenen gesetzlich oder durch den Netzzugang veranlassten Kostenbelastungen auszuweisen. Aha, dem wird man ketzerisch entnehmen dürfen, dass die §§ 40 und 42 des EnWG nicht für Grundversorger gelten. Denn Redundanzen sind sicherlich nicht angedacht.

Weiter liest man, dass sich der Kunde zwar die einzelnen Bestandteile des ihm gegenüber ausgwiesenen Brutto-Endbetrags zusammensuchen könne, ihm aber eben nicht ohne nähere Nachforschungen deutlich werde, in welchem Umfang und in welcher Höhe dem Grundversorger entsprechende Kostenbelastungen entstehen. Gut, dass die Preisangabenverordnung (§ 3) zur Bündelung all dieser Informationen vor Vertragsschluss verpflichtet, damit der Kunde sich den Brutto-Preis nicht zusammenrechnen muss.

Im Übrigen: Eine Angleichung bzw. Harmonisierung der einschlägigen Bestimmungen im EnWG und in der Preisangabenverordnung sind nicht angedacht.

Man darf gespannt sein, was dabei am Ende des Tages herauskommt. Hoffen wir, dass der Versuch gelingt, mehr Transparenz statt weiterer Verwirrung zu schaffen. Denn es soll auch schon Leute gegeben haben, die gegen die Rechnungen eines Energieversorgers geklagt haben, weil sie die – wohlgemerkt: den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden – Pflichtangaben auf der Rechnung nicht verstanden haben. Interessant bleibt jedenfalls, wie viel Verordnung nötig sein wird, um beim Kunden Klarheit und Transparenz zu schaffen.

goldgas SL GmbH fordert Rückzahlung überhöhter Lieferantenentgelte für Konzessionsabgaben

14. Januar 2014 um 16:40 von

Pipeline1Die goldgas SL GmbH als ein bundesweit tätiger Gaslieferant fordert offenbar in größerem Umfang Konzessionsabgabenzahlungen zurück.

Die Abrechnung der Konzessionsabgabenzahlungen im Gasbereich ist seit langem umstritten. § 2 Abs. 6 KAV ordnet die Wettbewerbsneutralität der Konzessionsabgaben an. Im Falle von Drittbelieferungen sollen grundsätzlich dieselben Konzessionsabgaben gezahlt werden, die  das mit dem Netzbetreiber verbundene oder assoziierte Vertriebsunternehmen in dem Konzessionsgebiet zu zahlen hat. Nach einer Entscheidung des BGH vom 06.11.2012 bedeutet das allerdings nicht, dass ein Drittunternehmen die hohe Tarifkunden-KA zu zahlen hat, wenn der mit dem Netzbetreiber verbundene oder assoziierte Vertrieb nur Tarifverträge anbietet.

Der Rückforderungsanspruch von goldgas stützt sich jedoch auf eine angebliche Unterschreitung des in § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 KAV normierten Grenzpreises. Zwar legt der Wortlaut in § 2 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 KAV eine unternehmensindividuelle Bestimmung des Grenzpreises nahe. Fraglich ist aber, ob damit tatsächlich für jeden einzelnen Lieferanten ein Grenzpreis zu ermitteln ist oder ob dies nur bedeutet, dass anders als im Strom kein bundesweiter, sondern ein auf das Netzgebiet begrenzter Grenzpreis gilt.

Mit dem Willen des Gesetzgebers, das Konzessionsabgabenaufkommen der Gemeinden durch die Neuregelung des EnWG nicht  zu tangieren (BT-Drucks. 15/1468, S. 10), ist die von goldgas vertretene lieferantenindividuelle Bestimmung genauso wenig vereinbar wie mit dem Grundsatz der Wettbewerbsneutralität des Grenzpreises. Im Übrigen wird man Aussagekraft der zum Nachweis der Unterschreitung des unternehmensindividuellen Grenzpreises vorgelegten Wirtschaftsprüfertestate kritisch bewerten müssen.

Grundsatz bestätigt: Pflichtversorgungskunden können fehlerhafte Messung/Ablesung erst im Rückforderungsprozess beanstanden

8. Oktober 2013 um 10:44 von

Zähler elektronisch1Kaum jemals wird ein Rechtsstreit wegen rückständiger Versorgungsentgelte vor den Gerichten verhandelt, ohne dass sich der Kunde früher oder später auf eine vermeintliche Fehlerhaftigkeit der ermittelten Verbrauchsmengen berufen würde. Dieser Einwand mag oftmals nur vorgeschützt sein, sich teilweise aus bloßem Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Netzbetreibers (als Messstellenbetreiber) ergeben und teilweise auch einem ungenügenden Einschätzungsvermögen bezüglich des eigenen Verbrauchsverhaltens geschuldet sein – als gerechtfertigt erweist sich dieser Einwand erfahrungsgemäß nur in den seltensten Fällen.

Umso misslicher ist es daher, dass einige Gerichte nicht selten bloße Zweifel an der Richtigkeit der Messung und Ablesung genügen lassen wollen, um dem Versorger einen Beweis der tatsächlichen Liefermengen abzuverlangen, und ihm – zur Vermeidung dieses zeit- und kostenaufwändigen Unterfangens – die Eingehung eines verlustreichen Prozessvergleichs nahelegen. Hier drängt sich der Eindruck auf, dass sich mancher Richter von einem falsch verstanden Verbraucherschutzdenken beeinflussen lässt. Denn zumindest im Bereich der Pflichtversorgung gemäß AVBWasserV, StromGVV und GasGVV hat der Verordnungsgeber klare Regelungen des Inhalts getroffen, dass eine Zahlungsverweigerung des Kunden grundsätzlich nur insoweit zulässig ist, als die fraglichen Abrechnungen bzw. die zugrunde gelegten Messwerte offensichtlich fehlerhaft sind (§ 30 Nr. 1 AVBWasserV sowie – jeweils mit zusätzlichen Einschränkungen bezüglich einer unterjährigen Verbrauchssteigerung und eines Nachprüfungsverlangens – § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV/GasGVV).

Hilfreich in der Argumentation vor den Instanzgerichten ist nun eine jüngere Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 21.11.2012 zum Aktenzeichen VIII ZR 17/12. Darin bestätigt der Senat in Bezug auf § 30 Nr. 1 AVBWasserV einmal mehr:

„Um Liquiditätsengpässe und daraus folgende Versorgungseinschränkungen auszuschließen, wollte der Verordnungsgeber es den Versorgungsunternehmen mit der Bestimmung des § 30 AVB ermöglichen, die Vielzahl ihrer häufig relativ kleinen Forderungen mit einer vorläufig bindenden Wirkung festzusetzen und im Prozess ohne eine abschließende Beweisaufnahme über deren materielle Berechtigung durchzusetzen. Zu diesem Zweck sollte dem Kunden nur der von ihm zu erbringende Nachweis einer offensichtlichen Unrichtigkeit als Verteidigungsmittel gegen das Zahlungsverlangen offenstehen. Nach der gewählten Konzeption sollte der Kunde, der einen offensichtlichen Fehler nicht vortragen und/oder belegen kann, deshalb im Zahlungsprozess des Versorgungsunternehmens mit dem Einwand eines fehlerhaft abgerechneten Verbrauchs ausgeschlossen und darauf verwiesen sein, die von ihm vorläufig zu erbringenden Zahlungen in einem anschließend zu führenden Rückforderungsprozess in Höhe des nicht geschuldeten Betrages erstattet zu verlangen

(BGH, a.a.O. Rn. 12). Zur Begründung heißt es an nämlicher Stelle:

„Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass die einem Kontrahierungszwang unterliegenden Versorgungsunternehmen in der Regel erheblichen Vorleistungspflichten ausgesetzt sind und ihrer gleichwohl bestehenden Aufgabe, für eine kostengünstige und sichere Energie- und Wasserversorgung einzustehen, nur dann hinreichend nachkommen können, wenn ein verhältnismäßig zeitnaher Zahlungseingang für die von ihnen erbrachte Versorgungsleistung gewährleistet ist.“

Die vom Kunden darzulegende und erforderlichenfalls zu beweisende Offensichtlichkeit des fraglichen Mess-, Ablese- oder Rechenfehlers setzt dabei voraus – so der Senat weiter –, dass die Rechnung bereits auf den ersten Blick Fehler erkennen lässt, also bei objektiver Betrachtung kein vernünftiger Zweifel über die Fehlerhaftigkeit möglich ist (BGH, a.a.O. Rn. 15 f.).

Es bleibt zu hoffen, dass die Instanzgerichte diese sachgerechte und überzeugend begründete Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zukünftig konsequenter berücksichtigen werden und damit der reflexhaften Berufung auf irgendwelche vorgeschützten Mess- oder Ablesefehler einen Riegel vorschieben.

Dortmunder Off-Peak

5. September 2013 um 16:44 von

DSC_2487-1Liebe Freunde der Kanzlei,

am 26.09.2013, 18:30 Uhr findet unser „Dortmunder Off-Peak“ in der Weingalerie Kaiserstraße – VinoVin, Kaiserstr. 77, 44135 Dortmund statt. Nach einem kurzen Gastbeitrag von Herrn Dr.  Hempel zur Gaspreisentscheidung des BGH vom 31.07.2013 (Az.: VIII ZR 162/09) bleibt im Rahmen einer Weinprobe genügend Zeit, sich auch über andere Themen der Energiewirtschaft auszutauschen.

Zur Anmeldung schicken Sie uns eine E-Mail an off-peak@hoech-partner.de. Aus organisatorischen Gründen ist die Teilnehmerzahl begrenzt. Wir werden die Anmeldungen daher nach dem Prinzip first come, first served berücksichtigen.

BGH zieht Konsequenz aus EuGH-Urteil: Preisänderungsklausel analog § 4 AVBGasV im Sondervertrag unwirksam

6. August 2013 um 08:15 von

GasflammeAm Mittwoch, 31.07.2013, verkündete der Bundesgerichthof die Entscheidung, dass die unveränderte Übernahme des im Tarifkundenverhältnis geltenden Preisänderungsrechts aus § 4 AVBGasV in einen Sondervertrag AGB-rechtlich unwirksam sei, weil die Regelung nicht den Transparenzanforderungen der europäischen Klauselrichtlinie (RL 93/13/EWG) und der Erdgasbinnenmarktrichtlinie (RL 2003/55/EG, inzwischen aufgehoben durch RL 2009/73/EG) entspreche. Der BGH, der in der Vergangenheit eine solche unveränderte Übernahme des gesetzlichen Preisänderungsrechts aus Gründen der Interessengleichheit von Tarif- und Sonderkunden im Ergebnis für konform mit dem AGB-Recht gehalten hatte (vgl. BGH NJW 2011, 1342 Rn. 27 m.w.N.), musste mit der jüngsten Entscheidung vom 31.07.2013 nunmehr die im Ergebnis gegenteilige Konsequenz aus dem Urteil des EuGH vom 21.03.2013 (Rs C-92/11 – NJW 2013, 2253) ziehen. Der EuGH hatte damit die ihm vom BGH vorgelegten Fragen zur Anwendbarkeit der Klauselrichtlinie und zur Vereinbarkeit einer das gesetzliche Preisänderungsrecht unverändert übernehmenden AGB-Klausel mit dieser Richtlinie sowie der Erdgasbinnenmarktrichtlinie beantwortet. Zum Urteil des EuGH hatte ich bereits am 21.03.2013 in diesem Blog berichtet. Außerdem habe ich auf der frei zugänglichen AGB-Klauselwerke Homepage des C.H. Beck Verlags eine Anmerkung verfasst. Die Homepage veröffentlicht aktuelle Meldungen, die im Zusammenhang mit dem Handbuch “Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke” (hsrg. von Graf von Westphalen) stehen. Mein Kollege Dr. Thomas Höch und ich kommentieren darin das Recht der Gaslieferverträge.