LG Offenburg: Pooling-Regelungen teilweise unwirksam

10. August 2015 um 09:48 von

rope-461577_1280Das Landgericht Offenburg hat am 22.07.2015 ein Urteil gefällt, das erhebliche praktische Relevanz für die Netzentgeltabrechnung in sog. Pooling-Sachverhalten haben könnte. Konkret ging es um die in Pooling-Fällen oftmals schwierige Frage, wann eine kundenseitige galvanische Verbindung im Sinne von § 17 Abs. 2a Nr. 4 StromNEV vorliegt. Hier wird zum Teil eine streng technische Auffassung vertreten, wonach eine galvanische Verbindung nur dann besteht, wenn die Verbindung über elektrisch leitfähiges Material hergestellt wird. Im Fall des Landgerichts Offenburg war allerdings der nachgelagerte Netzbetreiber „nur“ über mehrere Umspannwerke mit dem Hochspannungsnetz des vorgelagerten Netzbetreibers verbunden. Es lag also auf der Umspannebene keine galvanische Verbindung im technischen Sinne vor.

Der vorgelagerte Netzbetreiber als Kläger im Rechtsstreit hatte die Anwendung der Pooling-Regeln verweigert und den Differenzbetrag zwischen dem sich ohne Anerkennung der Pooling-Regeln ergebenden Netzentgelt und dem von der Beklagten unter Anwendung der Pooling-Regeln anerkannten Netzentgelt gerichtlich geltend gemacht.

Das Landgericht Offenburg hat der Klage stattgegeben. § 17 Abs. 2a Nr. 4 StromNEV sei aufgrund des Wortlauts eindeutig und verlange eine galvanische Verbindung. Diese liege hier nicht vor. Eine über den Wortlaut hinausgehende großzügigere Auslegung komme nicht in Betracht.

Allein schon wegen dieser Gesetzesauslegung hätte die Entscheidung Aufmerksamkeit verdient. Was das Offenburger Urteil für die Praxis so bedeutsam macht, sind jedoch die weiteren Ausführungen des Landgerichts: Danach gibt es nämlich keinen sachlichen Grund, die Fälle einer galvanischen Verbindung und einer induktiven Verbindung über Transformatoren ungleich zu behandeln. Von daher verstoße § 17 Abs. 2a Nr. 4 StromNEV in seiner zweiten Alternative gegen das Diskriminierungsverbot und sei mithin insgesamt unwirksam. Nach dieser Logik kommt also ein Pooling selbst dann nicht in Betracht, wenn eine galvanische Verbindung in einem streng technischen Sinne vorliegt. Die einzig verbleibende Möglichkeit für ein zulässiges Pooling ist demnach, dass die Entnahmestellen Bestandteil desselben Netzknotens sind, § 17 Abs. 2a Nr. 4 erste Alternative StromNEV.

Die Entscheidung, die nicht rechtskräftig ist, wirft für die Praxis erhebliche Fragen auf. Denn ob die Pooling-Regeln zur Anwendung kommen oder nicht, hat auf die Höhe der zu zahlenden Netzentgelte oft eine ganz erhebliche Auswirkung. Von daher werden sich alle Netzbetreiber mit der Frage befassen müssen, ob aufgrund ihrer individuellen Anschlusssituation im Lichte der Entscheidung des Landgerichts Offenburg Ansprüche des vorgelagerten Netzbetreibers auf sie zukommen können und wie ggf. eigene Forderungen gegen nachgelagerte Netzbetreiber oder industrielle Endkunden gesichert werden können.

Auf ein Neues: Insolvenzanfechtungen im Fall Flexstrom

24. Juni 2015 um 12:55 von

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Zahlreiche Unternehmen berichten, dass nunmehr auch Herr Dr. Schulte-Kaubrügger als Insolvenzverwalter der Flexstrom AG und einiger weiterer Unternehmen dieser Unternehmensgruppe Insolvenzanfechtungen erklärt hat, zumeist auf der Grundlage des § 133 InsO, der sog. Vorsatzanfechtung. Dr. Schulte-Kaubrügger gehört wie der Insolvenzverwalter im Fall TelDaFax dem Insolvenzverwalterteam White & Case an, so dass dort ein reger Informationsaustausch stattfinden wird.

Auch zahlreiche Netzbetreiber konnten inzwischen durch den zeitlich älteren Fall TelDaFax Erfahrungen mit Insolvenzanfechtungen und auch deren Beurteilung durch die Gerichte sammeln. Ob diese allerdings in jedem Einzelfall auf das Verfahren Flexstrom übertragen werden können, ist jedoch zweifelhaft. Die bisher ergangene Instanzrechtsprechung ist sehr heterogen und macht deutlich, dass gerade im Bereich der Vorsatzanfechtung die individuellen Umstände des Einzelfalls maßgeblich sind. Von daher darf eine Entscheidung darüber, ob und zu welchen Konditionen man mit dem Insolvenzverwalter der Flexstrom AG eine außergerichtliche Einigung anstrebt oder eine gerichtliche Klärung sucht, einer sorgfältigen Analyse im Einzelfall. Diese wird man leider nicht in Kenntnis der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Fall TelDaFax anstellen können. Bis diese Fälle den BGH erreichen, wird noch einige Zeit vergehen.

Ebenso wenig hilft die Gesetzesinitiative der Bundesregierung zur Novellierung des Anfechtungsrechts. Zum einen ist der derzeit noch völlig unklar, welchen Änderungen der Referentenentwurf im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch unterworfen wird. Zum anderen sollen nach der im derzeitigen Entwurf vorgesehenen Überleitungsvorschrift die heute geltenden Bestimmungen auf Insolvenzverfahren, die vor dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes eröffnet worden sind, anwendbar bleiben. Für die Fälle TelDaFax und Flexstrom kommen damit alle gesetzgeberischen Erleichterungen zu spät.

 

Beschlossene Sache – Bundestag beschließt IT-Sicherheitsgesetz – mehr als eine Randnotiz

22. Juni 2015 um 12:18 von

privacy-policy-445157_1280Am 12.06.2015 hat der Bundestag des IT-Sicherheitsgesetz verabschiedet (der Entwurf des Gesetzes findet sich auf der Internetseite des BMI). Regelungsadressaten sind die Betreiber sog. „kritischer Infrastrukturen“. Dazu zählen vor allem die Versorgungsnetze Strom, Gas, Wasser und Telekommunikation, aber auch die Anlagen, die an diese Netze angeschlossen sind sowie die daran anknüpfenden Dienstleistungen. Je nach Branche gelten unterschiedliche Anforderungen. Hervorzuheben ist insbesondere, dass etwaige Vorgaben nicht nur – wie ursprünglich vorgesehen – „beachtet“, sondern „eingehalten“ werden müssen. Dies erfordert nicht nur eine weitsichtige Investition in neue langlebige Infrastrukturen, sondern auch eine permanente Überwachung. Verstöße gegen die gesetzlichen Vorgaben sind bußgeldbewehrt.

Zur Bedeutung des Gesetzes äußert sich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich ein einem Videobeitrag, der auf der Internetseite des BMI abgerufen werden kann.

Videobeitrag der Bundesnetzagentur zur Erdverkabelung

30. April 2015 um 08:00 von

Strommast Ausschnitt grauDie Bundesnetzagentur stellt in ihrer Mediathek einen informativen Kurzbeitrag zum Thema „Ausbau der Höchstspannungsnetze“ bereit. Am Beispiel eines Pilotprojektes im münsterländischen Raesfeld wird die Frage nach den Vor- und Nachteilen einer  Erdverkabelung im Vergleich zur konventionellen Errichtung von Höchstspannungsleitungen in Form von Freileitungen aufgeworfen. Sämtliche Beteiligte erhoffen sich vor allem Erkenntnisse für zukünftige Projekte in Bezug auf Versorgungssicherheit, mögliche Umweltauswirkungen, Kosten und Akzeptanz bei den Bürgern vor Ort zu gewinnen.

Novelle der AusglMechV belastet VNB

20. November 2014 um 19:21 von

money-73341_640Bislang waren ausschließlich die Übertragungsnetzbetreiber in die arbeitsintensive und das Verhältnis zum Kunden belastende, gleichzeitig aber für das Unternehmensergebnis nicht einträgliche Beitreibung der EEG-Umlage involviert. Diese mussten mit großen Aufwand Milliardenbeträge wälzen, Rechtsstreitigkeiten führen und einen Verwaltungsapparat einrichten, der allein dazu dient, die gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen.

Inzwischen liegt der Referentenentwurf des BMWi vom 19.11.2014 zur Novellierung der AusglMechV ist inzwischen vor, nach dessen Inhalt nunmehr auch die Verteilernetzbetreiber in den Kreis der Arbeitsbelasteten einbezogen werden sollen. Bereits mit Inkrafttreten des § 91 Nr. 7 EEG 2014 zeichnete sich ab, dass diese Novelle insbesondere bei den VNB keine Begeisterung auslösen würde.

Zwar müssen die ÜNB auch nach der geplanten Novelle der AusglMechV weiterhin die Hauptlast der Beitreibung der EEG-Umlage tragen. Allerdings werden, wie bereits in § 91 Nr. 7 EEG 2014 angelegt, zukünftig die VNB grundsätzlich für die Beitreibung der EEG-Umlage in Eigenversorgungssachverhalten zuständig seien.

Die dahinterstehende gesetzgeberische Überlegung ist nachvollziehbar: Eigenversorgungssachverhalte sind lokal begrenzt, so dass die VNB diese Sachverhalte in ihrem Netz besser kennen als die ÜNB und deswegen damit leichter umgehen können. Auf diese Weise soll zugleich die Effizienz des Belastungsausgleichs erhöht werden.

Aus Sicht der VNB ist diese Entwicklung trotzdem unerfreulich. Da die neuen Aufgaben selbstredend nicht einfach ignoriert werden können, müssen die VNB zukünftig alle zumutbaren Anstrengungen unternehmen, in ihrem Zuständigkeitsbereich die EEG-Umlage beizutreiben. Damit werden sie bereits unmittelbar nach dem 1. Juli 2015 beginnen müssen. Denn nach einer im Referentenentwurf enthaltenen Übergangsbestimmung werden zu diesem Stichtag die Forderungen nach § 61 EEG 2014 für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis zum 28.02.2015 fällig.