BGH gesteht Regulierungsbehörden Beurteilungs- und Ermessensspielraum zu

2. September 2014 um 12:41 von

wenn-dannMit Beschluss vom 22.07.2014 (EnVR 59/12) hat der BGH in Bezug auf die §§ 19, 20 ARegV entschieden, den Regulierungsbehörden bei der Bestimmung von Qualitätselementen hinsichtlich der Auswahl der einzelnen Parameter und Methoden ein Spielraum zusteht, der in einzelnen Aspekten einem Beurteilungsspielraum, in anderen Aspekten einem Regulierungsermessen gleichkommt.

Ausgangspunkt war die Festlegung der Bundesnetzagentur (BK8-11/002) über den Beginn, die nähere Ausgestaltung und das Verfahren der Bestimmung des Qualitätselements hinsichtlich der Netzzuverlässigkeit für Elektrizitätsverteilernetze nach §§ 19, 20 ARegV vom 07.06.2011. Dort hatte die Bundesnetzagentur unter anderem den Beginn der Anwendung des Qualitätselements und dessen Anwendungsbereich sowie dessen Datengrundlage festgelegt.

Der Inhalt der Festlegung war unter anderem deshalb angegriffen worden, weil nicht erkennbar gewesen sei, welche Daten die Bundesnetzagentur ihrer Entscheidung zugrunde gelegt hatte. Sämtliche Einwände der Beschwerdeführerin hat der BGH in der vorstehend zitierten Entscheidung jedoch zurückgewiesen. Bei Betrachtung des Wortlauts der §§ 19, 20 ARegV ist es nicht überraschend, dass der BGH der Regulierungsbehörde sowohl einen Beurteilungs- als auch einen Ermessensspielraum zuerkannt hat.

Bemerkenswert ist allerdings, dass der BGH unter Berufung auf die jüngste Rechtsprechung des BVerwG auf eine saubere Unterscheidung zwischen den beiden Spielräumen verzichtet. Zuzugeben ist, dass sich die Kontrollmaßstäbe bei einer Überprüfung der behördlichen Entscheidung inhaltlich nicht wesentlich unterscheiden. Allerdings ist darauf zu achten, dass dadurch zukünftig nicht unter dem Deckmantel des „Regulierungsermessens“ auf eine saubere Trennung zwischen der Tatbestands- und der Rechtsfolgenseite verzichtet werden wird. Denn inhaltlich macht es durchaus einen erheblichen Unterscheid, ob bereits der Tatbestand einer Norm nicht erfüllt ist und deshalb ein Einschreiten der Behörde von vorneherein ausscheidet oder ob die Behörde (lediglich) eine falsche Rechtsfolge angeordnet hat. Insofern ist das Aufweichen dieser nicht grundlos existierenden Grenzen nicht wünschenswert.

BGH zu OLG Düsseldorf (Beschluss vom 12.12.2012 – VI-3 Kart 137/12 (V)) – Rechtsbeschwerde zurückgewiesen

11. Juni 2014 um 07:00 von

bgh_front2Mit Beschluss vom 03.06.2014 – EnVR 10/13 hat der BGH die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 12.12.2012 – VI-3 Kart 137/12 (V) zurückgewiesen.

Das Oberlandesgericht hatte in der vorstehenden Entscheidung den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 26.01.2012 – BK6-11-052 aufgehoben, mit dem diese den Alt-Konzessionär verpflichtet hatte, die im Rahmen der Netzübernahmeverhandlungen streitigen Mittelspannungsleitungen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung nach der Wahl des Neukonzessionärs zu übereignen oder den Besitz hieran zu verschaffen. Dabei hatte die Bundesnetzagentur im Rahmen des nach § 65 EnWG eingeleiteten Verfahrens die Wirksamkeit des Konzessionsvertrages nicht geprüft.

 Das OLG Düsseldorf hatte angenommen, im Rahmen der allgemeinen Missbrauchsaufsicht nach § 65 Abs. 2 EnWG seien auch strukturelle Maßnahmen der Regulierungsbehörde zulässig. Bei der Erforderlichkeit und Angemessenheit solcher Maßnahmen seien aber strenge Maßstäbe anzulegen. Gehe die Regulierungsbehörde im Rahmen ihrer allgemeinen Missbrauchsaufsicht gegen einen Verstoß des Alt-Konzessionärs gegen seine Überlassungspflichten aus § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG vor, so habe sie die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm, insbesondere den wirksamen Abschluss eines neuen Konzessionsvertrags, umfassend zu überprüfen. Zum Inhalt des Anspruchs aus § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG der bis zum 03.08.2011 gültigen Fassung vertrat das OLG Düsseldorf die Auffassung, dass kein Anspruch auf Übertragung des Eigentums an den für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen bestehe und gemischt genutzte Anlagen vom Überlassungsanspruch des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG nicht erfasst werden.

Die hiergegen eingereichte Rechtsbeschwerde des Neukonzessionärs hat der BGH im Ergebnis zurückgewiesen. Es bleibt abzuwarten, wie detailliert sich der BGH in den Entscheidungsgründen mit den einzelnen Rechtsfragen auseinandersetzt. Sobald die Entscheidungsgründe vorliegen, werden wir hierüber in unserem Blog informieren.

Berlins verzweifelte Suche nach Stromquellen?!

17. April 2014 um 12:31 von

Stecker-SchildDie Welt-Online zitiert in ihrer Ausgabe vom10.04.2014 unter der Überschrift Berlins verzweifelte Suche nach Stromquellen aus einem noch geheimen Bericht des Bundesnetzagentur. Dieser enthülle Unglaubliches:

„Da will man dem Energiekonzern E.on zwar erlauben, sein bayerisches Kernkraftwerk Grafenrheinfeld im kommenden Jahr abzuschalten. Doch zu den Voraussetzungen der politisch erwünschten Stilllegung gehört, dass der französische Methusalem-Meiler Fessenheim im Erdbebengebiet des Rheingrabens weiter am Netz bleibt, um im Notfall die süddeutsche Stromversorgung zu sichern. Der Atomausstieg, auf den sich Deutschland international so viel einbildet, funktioniert einstweilen also nur, weil man sich insgeheim auf Atomstrom aus einem Uralt-Reaktor im Ausland verlässt.

Es kommt noch schlimmer: Weil die Versorgungslage im Süden ab Ende 2017 erst so richtig prekär wird, bereitet sich die Bundesregierung darauf vor, erstmals einen Kraftwerksneubau staatlich anzuordnen. Denn freiwillig ist kein privater Investor bereit, unter den Bedingungen der Energiewende Geld in neue Kraftwerke zu stecken, seien sie zur Aufrechterhaltung des Stromversorgung auch noch so dringend nötig.

Deshalb arbeitet die Bundesnetzagentur bereits an der Ausschreibung für das erste deutsche Staatskraftwerk der Nachkriegszeit. Es handelt sich dabei auch um das amtliche Siegel auf dem Totenschein des deutschen Energiemarktes und zugleich um die Bankrotterklärung der deutschen Energiewendepolitik.“

Hier der Link zum gesamten Artikel:

http://www.welt.de/debatte/kommentare/article126762434/Berlins-verzweifelte-Suche-nach-Stromquellen.html

nebst einem weiteren Bericht, der sich tiefergehend mit den Plänen zur Errichtung eines „besonderen netztechnischen Betriebsmittels im Sinne“ der Reservekraftwerksverordnung  (in der Diktion der Welt: „Staatskraftwerk“) auseinandersetzt.

http://www.welt.de/wirtschaft/energie/article126769283/Staatskraftwerk-aus-Angst-vor-Blackouts-geplant.html

 

OLG Düsseldorf im Gegensatz zum Leitfaden von BNetzA: § 26 Abs. 2 S. 1 ARegV setzt weder einen gemeinsamen noch einen inhaltlich übereinstimmenden Antrag voraus

17. März 2014 um 11:23 von

OLG DUSMit Beschluss vom 05.03.2014 hat der Kartellsenat des OLG Düsseldorf zwar die Position der Bundesnetzagentur in einem besonderen Missbrauchsverfahren nach § 31 EnWG bestätigt, wonach ein aufnehmender Netzbetreiber keinen aus § 26 ARegV ableitbaren Informationsanspruch gegen den abgebenden Netzbetreiber habe.

Der von der Bundesnetzagentur in dem Leitfaden zu § 26 ARegV und auch im vorliegenden Verfahren vertretenen Rechtsauffassung, dass § 26 Abs. 2 Satz 1 ARegV entweder einen gemeinsamen Antrag oder inhaltlich überstimmende Anträge voraussetze, hat sich das OLG Düsseldorf aber ausdrücklich nicht angeschlossen. Gleiches gilt für den Verweis auf den Zivilrechtsweg im Falle einer Uneinigkeit zwischen den beteiligten Netzbetreibern. Eine im zivilrechtlichen Instanzenzug erstrittene Entscheidung über die Aufteilung der Erlösobergrenze dürfe die Regulierungsbehörde nicht binden. Mit anderen Worten dürfe nicht ein mit der Materie weniger vertrautes Zivilgericht über eine originär den Regulierungsbehörden zugewiesene Materie abschließend entscheiden.

Der Kartellsenat betont, dass es die originäre Aufgabe der Regulierungsbehörden sei, Erlösobergrenzen festzulegen und Anträge der Netzbetreiber auf Aufteilung der Erlösobergrenzen nach einem Netzübergang zu bescheiden. Eine eigenständige Prüfung der zuständigen Regulierungsbehörde unter Anwendung des für regulierungsbehördliche Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes sei auch bei § 26 Abs. 2 ARegV unumgänglich. An die Anträge der beteiligten Netzbetreiber sei die Regulierungsbehörde daher nicht gebunden. Die Aufteilung der Erlösobergrenze unterfalle nicht dem Dispositionsprinzip der Parteien. Auch bei inhaltlich übereinstimmenden Vorstellungen der Parteien bestehe ein Prüfungsauftrag der Regulierungsbehörde. § 26 Abs. 2 ARegV schließe daher nicht aus, dass die beteiligten Netzbetreiber voneinander abweichende Anträge stellen.

Da die Regulierungsbehörde über die sachgerechte Aufteilung der Erlösobergrenze gemäß § 26 ARegV zu befinden habe und im Rahmen dieses Verfahrens die hierzu erforderliche Daten anfordern könne, reiche es aus, wenn der aufnehmende Netzbetreiber unter Hinweis auf die fehlende Datenübermittlung die Aufteilung der Erlösobergrenze beantrage. Die Regulierungsbehörde müsse dann zur Bereitstellung der erforderlichen Informationen auffordern und eine sachgerechte Aufteilung der Erlösobergrenze vornehmen.

Ob die Bundesnetzagentur ihre Verwaltungspraxis angesichts der vorliegenden Entscheidung ändert oder sich weiterhin auf den Standpunkt zurückziehen wird, eine Aufteilung der Erlösobergrenzen nur auf übereinstimmenden Antrag hin vornehmen zu müssen, bleibt aber abzuwarten.

OLG Düsseldorf zu § 26 ARegV

23. Januar 2014 um 10:34 von

Bundesnetzagentur_Gebaeude_136KB[1]In einer mündlichen Verhandlung am 22.01.2014 bestätigte der Kartellsenat des OLG Düsseldorf die Position der Bundesnetzagentur in einem Besonderen Missbrauchsverfahren nach § 31 EnWG, wonach ein aufnehmender Netzbetreiber keinen aus § 26 ARegV ableitbaren Informationsanspruch gegen den abgebenden Netzbetreiber habe. Weigere sich dieser, Netzdaten in Bezug auf das bei ihm verbleibende Teilnetz herauszugeben, handele der abgebende Netzbetreiber nicht missbräuchlich.

Zugleich ging das OLG Düsseldorf kritisch mit einer zentralen Aussage im Leitfaden der Regulierungsbehörden zu § 26 ARegV um. Die dortige Aussage, es müsse ein einvernehmlicher Antrag des aufnehmenden und des abgebenden Netzbetreibers eingereicht werden – mit der Maßgabe, dass im Streitfall die richtige gemeinsame Position im Zivilrechtswege zu klären sei – sei abzulehnen. Es sei originäre Aufgabe der Regulierungsbehörden, Erlösobergrenzen festzulegen und Anträge der Netzbetreiber auf Aufteilung der Erlösobergrenzen nach einem Netzübergang zu bescheiden. Einen Antrag eines einzelnen Netzbetreibers hält der Kartellsenat nach den Ausführungen in der mündlichen Verhandlung ebenso für möglich wie divergierende Anträge der betroffenen Netzbetreiber.

Die Bundesnetzagentur trat dieser Rechtsauffassung entgegen und hielt an den Aussagen des Leitfadens fest. Mit einer kurzfristigen Änderung der Verwaltungspraxis ist also nicht zu rechnen.