Mitmieter müssen auch mithaften! – Update zum konkludenten Vertragsschluss durch Energieentnahme

28. Juli 2014 um 07:15 von

bgh_front2Inzwischen ist die bereits angekündigte Entscheidung des BGH in dem Verfahren VIII ZR 313/13 zu der Frage, mit wem ein Vertrag durch die Entnahme von Energie zustande kommt, wenn ein schriftlicher Vertrag nicht geschlossen wurde und das versorgte Grundstück vermietet oder verpachtet ist, ergangen. Und dies mit einem (mehr oder weniger) erstaunlichen Ergebnis!

Mit Urteil vom 22.07.2014 hat der BGH entschieden, dass Mieter, die den Mietvertrag mitunterschrieben haben, selbst dann für die an der Anschlussstelle entnommene Energie haften, wenn sie selbst nie in dem Haus oder der Wohnung gelebt und keine Energie entnommen haben.

In dem vom BGH nun entschiedenen Fall nahm ein Versorgungsunternehmen die Beklagte als Mitmieterin eines Einfamilienhauses auf Zahlung von ca. 7.000,00 € für in den Jahren 2005 bis 2008 gelieferte Gasmengen in Anspruch. Die Beklagte hatte jedoch nie in dem Haus gelebt und soll noch nicht einmal Schlüssel dazu besessen haben. Das Haus wurde während des gesamten Zeitraums allein von ihrem (Ex-)Mann bewohnt. Da die Beklagte als Beamtin gut verdiente, hatte sie den Mietvertrag des Mannes aus „Bonitätsgründen“ mitunterschrieben. Diese Unterschrift ist ihr nun teuer zu stehen gekommen, denn der BGH hat der Zahlungsklage des Versorgungsunternehmens, die von der Berufungsinstanz (KG Berlin, Urteil vom 10.10.2013 – 22 U 233/12) noch abgewiesen wurde, stattgegeben.

In seiner Pressemitteilung (Nr. 116/2014) hat der BGH hierzu bekannt gegeben, dass sich das Angebot des Versorgungsunternehmens auf Abschluss eines Versorgungsvertrages, die Realofferte, typischerweise an denjenigen richtet, der nach außen erkennbar die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Hierbei komme es nicht maßgeblich auf die Eigentümerstellung an, sondern auf die Zugriffsmöglichkeit auf den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt. Im Falle eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks stehe die tatsächliche Verfügungsgewalt den Mietern zu. Mangels anderer Anhaltspunkte richte sich deshalb auch die Realofferte des Versorgungsunternehmens regelmäßig an sämtliche Mieter.

Nimmt einer der Mieter das Angebot des Versorgungsunternehmens durch sozialtypisches Verhalten (Energieentnahme) an, schließt er dadurch sowohl für sich selbst als auch, wenn auch nicht explizit, sondern abermals konkludent, im Wege der Stellvertretung – jedenfalls kraft Duldungsvollmacht – für die anderen Mitmieter einen Versorgungsvertrag ab.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte es geduldet, dass ihr Mann alleine in das gemeinsam gemietete Haus einzog. Dabei hätte ihr klar sein müssen, dass die Nutzung des Hauses auch zwingend die Benutzung der Heizung bedeutete und ihr Mann durch die Entnahme des Gases einen Versorgungsvertrag mit dem Gaslieferanten schloss. Indem sie dies duldete, kam auch zwischen ihr und dem Versorgungsunternehmen ein Vertragsverhältnis zustande, aufgrund dessen das Versorgungsunternehmen nun die Zahlung des Entgelts für die gelieferten Gasmenge in Höhe von fast 7.000,00 € von der Beklagten verlangen kann.

Die Entscheidung des BGH vom 22.07.2014 ist insoweit erstaunlich, als der BGH zuletzt in seiner Entscheidung vom 02.07.2014 (VIII ZR 316/13) noch stark darauf abgestellt hatte, wer tatsächlich Zugriff auf den Anschluss und die Energie verbraucht hatte. In der Entscheidung vom 22.07.2014 hatte die Beklagte jedoch tatsächlichen keinen Zugriff auf den Anschluss. Zudem wurde die Duldungsvollmacht aus Vertrauensschutzgedanken entwickelt. Der Vollmachtgeber muss den Anschein der Bevollmächtigung gegenüber demjenigen verantworten, der darauf gutgläubig vertraut hat. Ob diese Voraussetzungen im Falle der Beklagten gegenüber dem Versorgungsunternehmen tatsächlich vorliegen, erscheint zumindest zweifelhaft. Es bleibt daher abzuwarten, was der BGH hierzu in seinen Urteilsgründen, die noch nicht veröffentlicht sind, ausführen wird. Eine tatsächliche „Präzisierung“ der Rechtsprechung in diesem Bereich, wie der BGH es selbst in seiner Pressemitteilung angab, ist mit diesem Urteil jedenfalls nicht erreicht worden.