Weitere Niederlage für LichtBlick

10. Februar 2015 um 18:22 von

Strommast AusschnittEbenso wie das OLG Düsseldorf (Urteil vom 13.08.2014, VI-2 U 2/13), wir berichteten, hat nun auch das OLG München in einem Urteil vom 11.12.2014 (U 1928/14 Kart) dem Ökostromanbieter in Bezug auf die Rückforderung angeblich zu viel gezahlter Netzentgelte eine Absage erteilt. Auch in diesem Verfahren hatte LichtBlick behauptet, die Entgelte des dortigen Netzbetreibers seien – trotz entsprechender behördlicher Prüfung und Genehmigung – unbillig überhöht.

Dem Vertriebsunternehmen ist es nach Ansicht des OLG München aber nicht gelungen, die für die Billigkeit streitende gewichtige Indizwirkung zu erschüttern. Insbesondere reiche die Behauptung der Netznutzerin zu einer mangelnden Tiefe der behördlichen Prüfung nicht aus, die Indizwirkung entfallen zu lassen. Ebenso sei der Vortrag zu den einzelnen, angeblich überhöhten Kostenpositionen wie der Eigenkapitalquote, dem Eigenkapitalzinssatz, den Kosten für das vorgelagerte Netz, unzutreffende Anschaffungs- und Herstellungskosten etc. nicht überzeugend gewesen.

Stattdessen hätte LichtBlick entsprechend den vom BGH in seiner Entscheidung vom 15.05.2012 (EnZR 105/10, „Stromnetznutzungsentgelt V“) herausgestellten Grundsätzen konkrete Anhaltspunkte wie etwa unrichtige Tatsachenangaben des Netzbetreibers, die im Einzelfall zu einer Überhöhung der Entgelte führen könnten, vortragen müssen.

Da die Netznutzerin die Indizwirkung der Entgeltgenehmigung nicht zu erschüttern vermochte, bestand nach Ansicht des entscheidenden Senats auch kein Anlass zur Vorlage eines ungeschwärzten Bescheids.

Der auf die kartellrechtliche Anspruchsnorm des § 33 Abs. 3 GWB gestützte Hilfsantrag wurde ebenfalls als unbegründet abgewiesen. Auch in diesem Zusammenhang greife die Indizwirkung des Genehmigungsbescheids zu Gunsten des Netzbetreibers. Darüber hinaus sei aber auch kein Verschulden des Netzbetreibers feststellbar, weil dieser auf die Genehmigung der Regulierungsbehörde habe vertrauen dürfen. Schließlich fehle es an einem Schaden des Vertriebsunternehmens, weil dieses die Netzentgelte an die eigenen Kunden weitergereicht habe.

Und wandelt mit bedächt‘ger Schnelle…

26. Februar 2014 um 16:56 von

Faust-Goethe-14Der BGH hat durch Urteil vom 25.02.2014 entschieden, dass Netzbetreiber bei Überspannungsschäden auch ohne jedes Verschulden nach dem Produkthaftungsgesetz haften. Stellt man diese Entscheidung in einen größeren zeitlichen Rahmen, fühlt man sich unwillkürlich an Goethes Faust erinnert:

„Und wandelt mit bedächt’ger Schnelle
Vom Himmel durch die Welt zur Hölle.“

Der (Haftungs-)Himmel der Netzbetreiber, das war bis zum Jahr 2006 die privilegierte Haftungsregelung des § 6 AVBEltV, wonach die Netzbetreiber bei Sachschäden nur in Fällen von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit hafteten und dies auch nur beschränkt auf 2.500,00 € pro Kunde.

Mit Inkrafttreten der NAV wurden die Netzbetreiber bildlich aus dem Paradies vertrieben und waren in der Welt angekommen. Der Verordnungsgeber der NAV hat 2006 den Haftungsrahmen deutlich erweitert, jedoch zugleich die besonderen Haftungsrisiken der leitungsgebundenen Energieversorgung abermals anerkannt. In der amtlichen Begründung zu § 18 NAV heißt es, dass bereits geringstes menschliches Versagen kaum unübersehbare Schadensfolgen auslösen könne. Angesichts dieses Risikos wäre eine uneingeschränkte Haftung der Netzbetreiber kaum mehr versicherbar, würde aber zumindest über entsprechend hohe Versicherungsprämien oder Rückstellungen zu einer Kostenbelastung führen, die dem Interesse an einer möglichst kostengünstigen Energieversorgung zuwiderliefen.

All das hat der BGH ignoriert und eine „höllisch“ gefährliche, weil verschuldensunabhängige, Haftung der Netzbetreiber nach dem Produkthaftungsgesetz angenommen. Zur Begründung wird in der bislang allein vorliegenden Pressemeldung angeführt, der Netzbetreiber sei Hersteller des fehlerhaften Produkts Elektrizität im rechtlichen Sinne, weil er es vor dem Transport an den Kunden transformiert habe. Energiewirtschaftlich zwingend ist das alles nicht und zugleich eine Entscheidung, die dem Willen des Verordnungsgebers der NAV diametral zuwiderläuft.

Was kann man tun? Erstens ist zu empfehlen, die Konditionen der betrieblichen Haftpflichtversicherung zu prüfen, denn die Haftung nach dem ProdHaftG ist zwingend und kann durch Vertragsklauseln nicht abbedungen werden. Zweitens wird man sich zukünftig, soweit dies technisch/betrieblich überhaupt möglich ist, in vorhersehbar kritischen Situationen überlegen müssen, ob man nicht vorsorglich zur Vermeidung von Überspannungsschäden die Stromversorgung unterbricht. Drittens sollten Netzbetreiber ihre Kundenstruktur prüfen, ob (zumindest bestimmte) Kundenanlagen zukünftig nicht auf ein entsprechendes Verlangen des Netzbetreibers mit einer Einrichtung zum Schutz vor Überspannungen ausgerüstet werden sollten oder müssen.

Die Quintessenz der BGH-Entscheidung für Netzbetreiber ist jedenfalls, Elektrizität im Zweifelsfall lieber gar nicht als fehlerhaft zu transportieren. Bei einer Nichtlieferung von Strom dürfte eine verschuldensunabhängige Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz wegen der Fehlerhaftigkeit des Produkts nämlich nicht in Betracht kommen.

Fehlerhafter Strom? LG Berlin zu § 18 NAV und zum ProdHaftG

22. Juli 2013 um 10:25 von

Strommast Ausschnitt grauUnser Kooperationspartner Dr. Hempel machte uns freundlicherweise auf eine Entscheidung des LG Berlin vom 21.12.2012 aufmerksam:

Der Kläger hatte Schadenersatzklage gegen den Netzbetreiber nach einem Kurzschluss im öffentlichen Netz erhoben. Das LG Berlin wies die Klage ab. Es arbeitete zunächst zutreffend heraus, dass die Beweislastumkehr in § 18 NAV allein das Verschulden betrifft, nicht aber die Frage, ob der Netzbetreiber fehlerhaft gehandelt hat. Dies muss ebenso wie die Kausalität zwischen Pflichtwidrigkeit und Schaden nach den allgemeinen Regeln vom Anspruchsteller bewiesen werden. Sieht man sich den Wortlaut des § 18 NAV an, sind die Ausführungen des LG Berlin an sich eine Selbstverständlichkeit. Dennoch wird vielfach versucht, die Beweislastumkehr des § 18 NAV in unzulässiger Weise auszudehnen. Von daher trägt das Urteil des LG Berlin zur Rechtsklarheit bei.

Interessant sind auch die Ausführungen am Ende des Urteils zum Produkthaftungsgesetz. Ansprüche werden kurz und knapp damit abgelehnt, dass der Netzbetreiber nicht Hersteller der Elektrizität ist. Das ist für sich genommen richtig; zugleich kann man aber „dem Hersteller“ (welchem der zahlreichen Kraftwerksbetreibern eigentlich?) nach dem Produkthaftungsgesetz nicht die Verantwortung für einen Kurzschluss im Netz aufbürden. Man kommt dann zu der fast schon rechtsphilosophisch anmutenden Frage, ob es fehlerhaften Strom überhaupt geben kann. Damit haben sich schon im Zusammenhang mit den BGB-Gewährleistungsansprüchen Rossel/Schöne in ET 2004, 113 auseinandergesetzt. Zur Info: Mit der Frage, wie das ProdHaftG praxistauglich auf das Produkt Elektrizität anzuwenden ist, wird sich demnächst auch der BGH befassen. Man darf gespannt sein …

Aktuell:

In einem vergleichbaren Fall wird nunmehr am 25.02.2014 der BGH über die Haftung eines Netzbetreibers nach dem Produkthaftungsgesetz wegen fehlerhaften Stroms verhandeln. Das LG Wuppertal hatte als Berufungsgericht dem klagenden Netzkunden Recht gegeben und den Netzbetreiber wegen der Herstellung eines fehlerhaften Produkts zu Schadensersatz verurteilt.