Karlsruhe locuta, causa finita! – Rechtsverstöße im Konzessionsvergabeverfahren nach § 46 EnWG führen zur Nichtigkeit des Konzessionsvertrages

20. Dezember 2013 um 16:37 von

Mit Urteilen vom 17.12.2013 (Az.: KZR 65/12 und KZR 66/12) hat der BGH die Revisionen gegen die Entscheidungen des OLG Schleswig vom 22.11.2012 (Az.: 16 U Kart. 21/12 und 22/12) zurückgewiesen. Diese mit Spannung erwarteten Entscheidungen des BGH setzen einen Schlusspunkt unter die in Literatur und Rechtsprechung umstrittenen Fragen zur Ausgestaltung des Konzessionsvergabeverfahrens nach § 46 EnWG, zu möglichen Rügepflichten sowie zu den Rechtsfolgen fehlerhafter Konzessionsvergabeverfahren. Im Verhandlungstermin hat sich der Kartellsenat zu den einzelnen Rechtsfragen vorläufig wie folgt positioniert:

Der Senat leitet aus dem in § 46 Abs. 1 EnWG ausdrücklich normierten Diskriminierungsverbot eine Verpflichtung der Gemeinde her, ein transparentes und diskriminierungsfreies Konzessionsvergabeverfahren durchzuführen und die relevanten Entscheidungskriterien vorab bekanntzugeben. Ohne eine solche Bekanntgabe werde gegen das Diskriminierungsverbot des § 46 Abs. 1 EnWG verstoßen, worin der Senat zugleich eine unbillige Behinderung im Sinne des § 20 Abs. 1 GWB sieht.

Welche Auswahlkriterien zulässig seien, sei eine durchaus schwierige Rechtsfrage. Der Senat ließ aber deutlich erkennen, dass die Ziele des § 1 EnWG vorrangig zu berücksichtigen seien. Dies gelte ohne weiteres auch für Verfahren die zeitlich vor der Klarstellung des Gesetzgebers in § 46 Abs. 3 Satz 5 EnWG abgeschlossen wurden oder begonnen haben. Bei der Gewichtung der unterschiedlichen Zielsetzungen des § 1 EnWG habe die Gemeinde grundsätzlich einen Entscheidungsspielraum. Zudem könne innerhalb der von der KAV gesetzten Grenzen die Auswahlentscheidung nach Auffassung des Senats daneben durch konzessionsvertragliche Regelungen – wie Folgekostenregelungen, Kommunalrabatte sowie Kaufpreisregelungen – mitbestimmt werden. Die Berücksichtigung darüber hinausgehender fiskalischer Interessen sieht der Senat kritisch. Der Zweck der Konzessionsabgabenverordnung, übermäßige Belastungen der Strompreise zu verhindern, bestehe fort.

Das Interesse der Gemeinde, sich konzessionsvertraglich Einflussnahmemöglichkeiten auf den Netzbetrieb zu sichern, erkennt der Senat zwar grundsätzlich an; es sei aber sicherzustellen, dass es über dieses Kriterium nicht zu einer „Systementscheidung durch die Hintertür“ komme. Den Grundsatz vom Gleichlauf von Herrschaft und Haftung – wie ihn die Landeskartellbehörde Baden-Württemberg in ihrem Positionspapier zur Konzessionsvergabe hervorhebt – teilte der Senat mit Blick auf etwaige Kooperationsmodelle. Im Übrigen wurde aber die Notwendigkeit, dass die Kommune überhaupt am Netzbetrieb teilnimmt, durchaus kritisch hinterfragt.

Daran, dass Kartellrechtsverstöße der Gemeinde im Rahmen des Konzessionsvergabeverfahrens zur Unwirksamkeit des daraufhin abgeschlossenen Konzessionsvertrages führen, hat der Senat keine Zweifel gelassen. In solchen Fällen komme auch eine Berufung auf die konzessionsvertragliche Endschaftsbestimmung aus abgetretenem Recht nicht in Betracht.

An diesem Befund ändere sich auch nicht deshalb etwas, weil sich der Alt-Konzessionär erst im Netzherausgabeverfahren auf die Nichtigkeit des Konzessionsvertrages berufen hatte. Es sei fraglich, ob Grundsätze des förmlichen Vergabeverfahrens wie etwa Rügepflichten oder eine Präklusionswirkung auf die Konzessionsvergabe nach § 46 EnWG überhaupt übertragbar seien. Im Ergebnis ist der Alt-Konzessionär nicht gehindert Netzüberlassungsansprüchen, die Einwendung einer unwirksamen Konzessionierung auf Grund von Verfahrensfehlern der Kommune entgegen zu halten

Christian Hemmersbach