Neues aus Karlsruhe: BGH bestätigt am 06.10.2015 zwei wichtige Entscheidungen des OLG Düsseldorf

8. Oktober 2015 um 09:32 von

bgh_front2Wir hatten in unserem Block über eine Entscheidung des OLG Düsseldorf zu § 26 Abs. 2 Satz 1 ARegV berichtet. Darin hatte das OLG Düsseldorf die Auffassung der Bundesnetzagentur zur Ausgestaltung des Verfahrens zur Aufteilung der Erlösobergrenzen nach § 26 Abs. 2 ARegV verworfen. Zugleich hatte das OLG Düsseldorf abgelehnt, dem aufnehmenden Netzbetreiber aus § 26 Abs. 2 Satz 1 ARegV einen unmittelbaren Auskunftsanspruch gegen den abgebenden Netzbetreiber einzuräumen.

Diese Entscheidung hat der BGH nun mit Beschluss vom 06.10.2015 bestätigt. Die Entscheidungsgründe, auf die man gespannt sein darf, liegen derzeit aber noch nicht vor. In der mündlichen Verhandlung ließ der BGH allerdings Sympathie für die Ausführungen des OLG Düsseldorf zu den Verfahrensfragen erkennen. Wenn es dabei bleibt, werden die Regulierungsbehörden zukünftig auch einseitige Anträge eines Netzbetreibers auf Aufteilung der Erlösobergrenze bescheiden müssen. Das würde dann zu einer Reihe von neuen Verfahrensfragen führen, und zwar insbesondere dann, wenn unterschiedliche Behörden für den abgebenden und den aufnehmenden Netzbetreiber zuständig sind.

Darüber hinaus hat der BGH am selben Tag zu § 19 Abs. 2 StromNEV a. F. einen ebenfalls für die Branche sehr bedeutsamen Beschluss gefasst:

Im Ausgangsverfahren ging es um die Beschwerde eines regionalen Netzbetreibers gegen einen Bescheid der Bundesnetzagentur, der zur vollständigen Befreiung eines stromintensiven Letztverbrauchers von den Netzentgelten auf der Grundlage des § 19 Abs. 2 StromNEV a. F. ergangen war (Fassung gemäß Artikel 7 des Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 26.07.2011).

Diesen Bescheid der Bundesnetzagentur hatte das OLG Düsseldorf im Beschwerdeverfahren aufgehoben. Die dagegen erhobene  Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur wurde jetzt vom BGH zurückgewiesen.

Auch hier liegen die Entscheidungsgründe noch nicht vor. Mutmaßlich wird der BGH aber die Rechtsauffassung des OLG Düsseldorf bestätigen, dass die vollständige Befreiung stromintensiver Letztverbraucher von Netzentgelten, die unter bestimmten Voraussetzungen in § 19 Abs. 2 StromNEV a. F.  vorgesehen war, wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht unwirksam ist.

LG Mannheim bestätigt Indizwirkung der genehmigten Erlösobergrenze

12. August 2015 um 10:01 von

money-73341_640Die Parteien stritten vor dem Landgericht Mannheim (8 O 159/14) über die Zahlungsverpflichtungen des Netznutzers aus einem Netznutzungsvertrag. Der Netzkunde bezweifelte dabei unter anderem die Billigkeit der vom Netzbetreiber verlangten Entgelte. Der Netzbetreiber verteidigte sich mit dem Argument, dass er seine Netzentgelte auf Grundlage der ihm nach der ARegV genehmigten Erlösobergrenze gebildet habe und deswegen eine Indizwirkung für die Billigkeit der Netzentgelte streite.

Im Ergebnis ist das Landgericht Mannheim dieser Argumentation mit Urteil vom 06.08.2015 gefolgt, so dass der gegnerische Unbilligkeitseinwand ins Leere ging. Aufgrund der von der Bundesnetzagentur festgesetzten Erlösobergrenze gemäß ARegV sei nämlich von der Billigkeit des Netzentgelts im Sinne des § 315 BGB auszugehen. Insoweit gelten nach der Rechtsprechung des Landgerichts für die anreizregulierten Netzentgelte keine anderen Grundsätze als die, die der BGH in seiner Entscheidung Stromnetznutzungsentgelt V vom 15.05.2012 (EnZR 105/10) für die kostenbasiert genehmigten Netzentgelte gemäß § 23a EnWG festgelegt hatte. Die Gegenseite hätte die Indizwirkung der zugunsten des Netzbetreibers festgesetzten Erlösobergrenze erschüttern müssen. Dies sei vorliegend nicht gelungen mit der weiteren Folge, dass der Klage stattzugeben war.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

LG Offenburg: Pooling-Regelungen teilweise unwirksam

10. August 2015 um 09:48 von

rope-461577_1280Das Landgericht Offenburg hat am 22.07.2015 ein Urteil gefällt, das erhebliche praktische Relevanz für die Netzentgeltabrechnung in sog. Pooling-Sachverhalten haben könnte. Konkret ging es um die in Pooling-Fällen oftmals schwierige Frage, wann eine kundenseitige galvanische Verbindung im Sinne von § 17 Abs. 2a Nr. 4 StromNEV vorliegt. Hier wird zum Teil eine streng technische Auffassung vertreten, wonach eine galvanische Verbindung nur dann besteht, wenn die Verbindung über elektrisch leitfähiges Material hergestellt wird. Im Fall des Landgerichts Offenburg war allerdings der nachgelagerte Netzbetreiber „nur“ über mehrere Umspannwerke mit dem Hochspannungsnetz des vorgelagerten Netzbetreibers verbunden. Es lag also auf der Umspannebene keine galvanische Verbindung im technischen Sinne vor.

Der vorgelagerte Netzbetreiber als Kläger im Rechtsstreit hatte die Anwendung der Pooling-Regeln verweigert und den Differenzbetrag zwischen dem sich ohne Anerkennung der Pooling-Regeln ergebenden Netzentgelt und dem von der Beklagten unter Anwendung der Pooling-Regeln anerkannten Netzentgelt gerichtlich geltend gemacht.

Das Landgericht Offenburg hat der Klage stattgegeben. § 17 Abs. 2a Nr. 4 StromNEV sei aufgrund des Wortlauts eindeutig und verlange eine galvanische Verbindung. Diese liege hier nicht vor. Eine über den Wortlaut hinausgehende großzügigere Auslegung komme nicht in Betracht.

Allein schon wegen dieser Gesetzesauslegung hätte die Entscheidung Aufmerksamkeit verdient. Was das Offenburger Urteil für die Praxis so bedeutsam macht, sind jedoch die weiteren Ausführungen des Landgerichts: Danach gibt es nämlich keinen sachlichen Grund, die Fälle einer galvanischen Verbindung und einer induktiven Verbindung über Transformatoren ungleich zu behandeln. Von daher verstoße § 17 Abs. 2a Nr. 4 StromNEV in seiner zweiten Alternative gegen das Diskriminierungsverbot und sei mithin insgesamt unwirksam. Nach dieser Logik kommt also ein Pooling selbst dann nicht in Betracht, wenn eine galvanische Verbindung in einem streng technischen Sinne vorliegt. Die einzig verbleibende Möglichkeit für ein zulässiges Pooling ist demnach, dass die Entnahmestellen Bestandteil desselben Netzknotens sind, § 17 Abs. 2a Nr. 4 erste Alternative StromNEV.

Die Entscheidung, die nicht rechtskräftig ist, wirft für die Praxis erhebliche Fragen auf. Denn ob die Pooling-Regeln zur Anwendung kommen oder nicht, hat auf die Höhe der zu zahlenden Netzentgelte oft eine ganz erhebliche Auswirkung. Von daher werden sich alle Netzbetreiber mit der Frage befassen müssen, ob aufgrund ihrer individuellen Anschlusssituation im Lichte der Entscheidung des Landgerichts Offenburg Ansprüche des vorgelagerten Netzbetreibers auf sie zukommen können und wie ggf. eigene Forderungen gegen nachgelagerte Netzbetreiber oder industrielle Endkunden gesichert werden können.

Einheitlicher Netznutzungsvertrag durch BNetzA festgelegt

27. April 2015 um 16:00 von

VertragsunterzeichnungDie Bundesnetzagentur (BK6-13-042 „Festlegung zum Netznutzungsvertrag/Lieferantenrahmenvertrag (Strom)“) hat auf Grundlage von 29 Abs. 1 EnWG in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Nr. 7, 9, 11, 12, 13, 14, 15, 17, 19, 22 sowie §§ 24 und 25 StromNZV mit Festlegung vom 16.04.2015 einen einheitlichen Netznutzungsvertrag vorgegeben. Die Möglichkeit, die kursierenden Muster von Lieferantenrahmenverträgen unternehmensindividuell anzupassen, ist den Netzbetreibern damit genommen. Allerdings dürften die Zeiten, in denen Netznutzer reihenweise Vorbehalte gegen den Inhalt der Netznutzungsverträge der Netzbetreiber erklärt haben, ebenfalls vorbei sein.

Zum 01.01.2016 müssen von den Netzbetreibern alle bestehenden Verträge inhaltlich vollständig an die Festlegung angepasst werden. Bereits bis zum 01.08.2015 ist eine Prozessbeschreibung als Grundlage für die massengeschäftstaugliche Ausgestaltung eines elektronischen Netzentgeltpreisblatts zu erarbeiten und der Bundesnetzagentur vorzulegen. Zuvorderst gilt es jedoch für jeden einzelnen Betroffenen innerhalb eines Monats ab Zustellung der Entscheidung zu prüfen, inwiefern er mit dem Inhalt des behördlich vorgegebenen Vertragswerks konform gehen kann oder gegen die Festlegung im Wege der Beschwerde vorgehen möchte. Die Festlegung gilt gemäß § 73 Abs. 1a Satz 3 mit dem Tag als zugestellt, an dem seit dem Tag der Bekanntmachung im Amtsblatt der Bundesnetzagentur zwei Wochen verstrichen sind.

Grundsätzlich hat eine Beschwerde keine aufschiebende Wirkung, so dass die Umstellung der Verträge trotz laufenden Beschwerdeverfahrens erfolgen muss. Daher sollten auch die Altverträge rechtzeitig gekündigt werden. Weigert sich ein Kunde, den vorgegebenen Vertrag zu unterzeichnen, so kommt unter Umständen eine Einstellung der Netznutzung in Betracht. Wie mit Vorbehalten eines Kunden gegen den Vertragsinhalt vor Bestandskraft der Festlegung umzugehen ist, wird sich zeigen.

OLG Düsseldorf stärkt Festlegungspraxis der Bundesnetzagentur

7. April 2015 um 09:10 von

OLG DUSDie Bundesnetzagentur darf auch eine rechtswidrige Festlegung beachten, wenn sie nicht zuvor von dem konkret betroffenen Netzbetreiber angegriffen wurde. Auf diese Formel lässt sich ein Beschluss des OLG Düsseldorf vom 14.03.2015 (AZ: VI-3 Kart 14/11) bringen. In dem Beschluss ging es um eine Investitionsmaßnahme, die die Bundesnetzagentur einem Netzbetreiber nach § 23 ARegV genehmigt hatte. Dabei hatte sie allerdings dem Netzbetreiber aufgegeben, für die Berechnung der Kapital- und Betriebskosten die Festlegung BK4-12-656 vom 02.05.2012 zu berücksichtigen. Diese Festlegung sieht vor, dass bei Neuanlagen für das erste Jahr der Kostenwirksamkeit der Jahresanfangsbestand der kalkulatorischen Restwerte des Sachanlagevermögens mit Null festzusetzen ist.

Die Besonderheit des Falles liegt darin, dass die Festlegung BK4-12-656 nach Auffassung des OLG Düsseldorf rechtswidrig ist. In zwei anderen Verfahren aus dem Jahr 2013 hatte das OLG Düsseldorf daher in Anlehnung an den BGH (EnVR 54/13) die Festlegung aufgehoben.

Aus diesem Grund meinte die Beschwerdeführerin im jetzt vom OLG Düsseldorf entschiedenen Beschwerdeverfahren, die Bundesnetzagentur dürfe ihr nicht aufgeben, die Berechnung der Kapital- und Betriebskosten nach einer rechtswidrigen Festlegung vorzunehmen. Dem hat das OLG Düsseldorf aber widersprochen. Dem Netzbetreiber wurde zum Verhängnis, dass er selbst keine Beschwerde gegen die Festlegung eingelegt hatte. Der entscheidende Leitsatz des OLG Düsseldorf lautet:

„Die formelle und materielle Bestandskraft einer Festlegung steht ihrer gerichtlichen Kontrolle grundsätzlich entgegen. Die zweistufige Ausgestaltung des Regulierungssystems, in dem wiederkehrende, und für eine Vielzahl von Fallgestaltungen relevante methodische Fragen vorab mittels Festlegung geklärt werden können, liefe leer, wenn nicht nur die Methodenfestlegung als solche, sondern nachträglich im Rahmen einer jeder Einzelfallentscheidung auch die vorgelagerten allgemeinen Entscheidungen angegriffen werden könnten.“

Aus alldem folgt, dass Festlegungen, die auf einer zweiten Ebene negative Folgen haben können, schon auf der ersten Ebenen angegriffen werden müssen. Anderenfalls kann es nämlich zu spät sein.