BGH: kontrollfreie Preishauptabrede und kontrollfähige Preisnebenabrede

8. November 2018 um 11:20 von

Erneut hat der XI. Zivilsenat eine Klausel zu einem laufzeitunabhängigen Bearbeitungsentgelt in einem Unternehmerdarlehensvertrag für unwirksam befunden (BGH_XI_ZR_593-16 (Bearbeitungsprovision). Die Ausführungen des XI. Zivilsenats insbesondere zur Abgrenzung von kontrollfreier Preishauptabrede und kontrollfähiger Preisnebenabrede sind auch für Energielieferverträge von Interesse.

Insolvenzverfahren über das Vermögen der Care-Energy AG eröffnet

22. August 2017 um 11:36 von

PressemeldungAm 16.08.2017 um 15:30 Uhr ist durch das zuständige Amtsgericht Bremen als Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Care-Energy AG eröffnet worden. Zum Insolvenzverwalter ist Rechtsanwalt Jan H. Wilhelm aus Bremen bestellt. Einzelheiten zum weiteren Verfahren ergeben sich aus dem Eröffnungsbeschluss.

Mieterstromgesetz soll Solarausbau auf Wohngebäuden vorantreiben

27. April 2017 um 12:11 von

photovoltaic-352670_640Das BMWi hat einen 30-seitigen Entwurf zum Mieterstromgesetz nebst Begründung veröffentlicht. Ziel der Gesetzesinitiative soll der Ausbau der Solarenergie auf Wohngebäuden sein, indem die sog. „Mieterstrommodelle“ in die Förderung des EEG 2017 einbezogen werden. Obgleich keine Einspeisung in das Netz der allgemeinen Versorgung erfolgt, sondern der Strom unmittelbar in dem Gebäude verbraucht wird, auf dem die Solaranlagen (bis 100 KW) installiert sind, wird eine Förderung wie bei einer Einspeisung erfolgen. Die Fördertatbestände des EEG werden zu diesem Zweck um den „Mieterstromzuschlag“ ergänzt.

Wegen der vom Anlagenbetreiber bei den Mietern erzielten Verkaufserlöse werden allerdings 8,5 ct/kWh von der EEG-Vergütung abgezogen. Weitere Voraussetzung ist, dass mindestens 40 % des Gebäudes auch tatsächlich dem Wohnen dienen und dass die gelieferte Strommenge so genau ermittelt wird, wie es die Messtechnik zulässt, die nach dem MsbG zu verwenden ist. Eine Befreiung von der EEG-Umlagepflicht für den hausintern gelieferten Strom erfolgt nicht.

Zudem ist eine Kopplung des Mietvertrages an einen mit dem Anlagenbetreiber zu schließenden Stromlieferungsvertrag grundsätzlich untersagt. Ein neu einzuführender § 42a EnWG („Mieterstromverträge“) wird dementsprechend anordnen, dass der Mieter in seiner Wahl des Stromlieferanten frei bleibt. Zudem wird die Laufzeit eines Mieterstromvertrages, der auch die Versorgung bei einem Ausfall der Solarstromerzeugung sicherstellen muss, auf ein Jahr begrenzt. Der Preis für die Gesamtlieferung (Solarstrom und „Reservestrom“) darf 90 % des Grundversorgungstarifs nicht überschreiten, anderenfalls erfolgt eine Herabsetzung auf den zulässigen Höchstpreis. Der Stromliefervertrag endet automatisch – ohne Kündigung – mit der Rückgabe der Wohnung.

BGH bestätigt: Verzug ohne Mahnung bei Fälligkeitsangabe auf Energierechnung – Achtung: Zweiwochenfrist ab Zugang muss eingehalten sein

2. August 2016 um 12:07 von

bgh_front2Mit noch unveröffentlichtem Versäumnisurteil vom 08.06.2016 (VIII ZR 215/15) hat der BGH im Grundsatz bestätigt, dass die Angabe der Fälligkeit des Rechnungsbetrages auf der Stromrechnung eine kalendermäßige Bestimmung der Leistungszeit in § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist, so dass der Kunde auch ohne Mahnung in Verzug gerät, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

 

1. § 17 Abs. 1 StromGVV ist anwendbar und

2. das EVU hält bei der Fälligkeitsangabe die Frist von mindestens zwei Wochen ab Zugang der Rechnung ein.

Die Entscheidung ist auf die Gasversorgung (§ 17 Abs. 1 GasGVV) sowie die Wasserversorgung (§ 27 Abs. 1 AVBWasserV) übertragbar.

Einschlägig ist die Verordnungsbestimmung, wenn es sich um ein Grundversorgungsverhältnis (Tariflieferverhältnis) handelt oder sie „aus anderen Gründen anwendbar ist“ (BGH, a.a.O. Rn. 34), d.h. in einen Sondervertrag wirksam einbezogen wurde.

Dem EVU ist hierüber ein Recht im Sinne von § 315 BGB zur einseitigen Bestimmung der Fälligkeit und damit auch der Leistungszeit eingeräumt (BGH, a.a.O. Rn. 29). Der BGH hat sich damit der überwiegend vertretenen Auffassung angeschlossen und begründet dies zutreffend im Wege der Auslegung des Wortlauts und Regelungszusammenhangs unter Berücksichtigung von Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Hinweis, dass diese nicht nur Kundenbelangen Rechnung tragen soll, sondern ebenso einem zügigen Inkasso und damit dem Interesse der Allgemeinheit an einer möglichst kostengünstigen Energieversorgung (BGH, a.a.O. Rn. 32), verdient Zustimmung. Da das EVU bei seiner einseitigen Leistungszeitbestimmung nicht völlig frei ist, sondern, hierbei zu beachten hat, dass dem Kunden eine Zahlungsfrist von wenigstens zwei Wochen ab Zugang der Rechnung verbleibt (BGH, a.a.O. Rn. 33), sind die Belange des Kunden hinreichend berücksichtigt.

Die Zweiwochenfrist ab Zugang der Rechnung muss das EVU bei der Bestimmung der Leistungszeit allerdings einhalten, da die Bestimmung ansonsten unbillig und damit unwirksam wäre (BGH, a.a.O. Rn. 34).

Die Entscheidung gibt aus Sicht der EVU Anlass zu prüfen, ob die Angaben auf den Rechnungen die unternehmensinternen Abläufe bei der Rechnungserstellung und den gewöhnlichen Postlauf hinreichend berücksichtigen. Zum anderen ist zu erwägen, vorsorglich einen Hinweis über den Verzugseintritt spätestens nach 30 Tagen ab Fälligkeit und Zugang der Rechnung aufzunehmen (vgl. § 286 Abs. 3 BGB).

OLG Düsseldorf bestätigt Sonderkündigungsrecht des Haushaltskunden bei Weitergabe staatlich veranlasster Belastungen – Revision zugelassen

11. Juli 2016 um 12:40 von

OLG DUSDas OLG Düsseldorf hat mit Urteil vom 05.07.2016 (I-20 U 11/16) entschieden, dass § 41 Abs. 3 EnWG nicht zwischen solchen Preisänderungen, die durch Neueinführung bzw. Erhöhung „hoheitlicher Belastungen“ verursacht sind, und sonstigen Preisänderungen differenziert. Eine AGB-Klausel eines EVU, nach der ein Kündigungsrecht für den Fall einer durch Neueinführung/Erhöhung hoheitlicher Belastungen veranlassten Preisänderung nicht besteht, sei deshalb unwirksam.

Die Entscheidung überrascht nicht. Schon das LG Düsseldorf war in seinem Urteil vom 22.10.2015 (Az. 14d O 4/15) davon ausgegangen, dass eine Preisanpassung eine Änderung der Vertragsbedingungen darstelle und nicht lediglich die Anwendung der bei Vertragsschluss vereinbarten Bedingung, die Preise bei einer Änderung  staatlich veranlasster Belastungen anpassen zu dürfen. Versteht man wie das OLG Düsseldorf das Sonderkündigungsrecht nicht als Sanktion unternehmerischer Entscheidungen des EVU, sondern als grundlegende Entscheidung des Gesetzgebers, dem Kunden bei jeder (negativen wie positiven) Veränderung das Recht einzuräumen, sich von dem Vertrag zu lösen, ist das Auslegungsergebnis vorgezeichnet.

Ob damit ein an den berechtigten Interessen beider Teile angemessen ausgerichtetes Ergebnis erzielt ist, darf allerdings bezweifelt werden. Im Dauerschuldverhältnis „Energieliefervertrag“ sind die EVU in Deutschland im Spannungsfeld zwischen europarechtlichen Vorgaben und nationalrechtlichen Anforderungen mittlerweile in ein enges Korsett geschnürt. Das gilt etwa bei der gleichzeitigen Umsetzung des Gebotes der Transparenz von Vertragsbedingungen und der Forderung nach einer Kostenechtheit der Preisanpassungsklausel.

Mit Urteil vom 26.11.2015 (C-326/14) hat der EuGH eine Anbindung der Preise eines Telekommunikationsanbieters an die Entwicklung eines staatlichen Verbraucherpreisindexes als wirksam bestätigt und festgestellt, dass die in dieser Weise vertraglich vorgesehene Entgeltanpassung, da sie auf einer klaren, präzisen und öffentlich zugänglichen Indexierungsmethode beruhe, die sich aus zur staatlichen Sphäre gehörenden Entscheidungen und Mechanismen ergebe, die Endnutzer nicht in eine andere vertragliche Situation versetzen könne, als sie sich aus dem Vertrag ergebe, dessen Inhalt sich nach den allgemeinen Geschäftsbedingungen bestimme, die die fragliche Klausel enthielten. Werde eine Tarifänderung in dieser Weise vorgenommen, sei sie folglich nicht als Änderung der Vertragsbedingungen einzustufen, weshalb dem Verbraucher ein Sonderkündigungsrecht nicht zustehe.

Das OLG Düsseldorf verneint in seinem Urteil vom 05.07.2016 die Relevanz dieser Entscheidung des EuGH, weil eine Preisindexklausel nicht vorliege. Das ist zwar richtig, greift aber gleichzeitig zu kurz. Denn jeder noch so „klaren, präzisen und öffentlich zugänglichen Indexierungsmethode“ ist im Vertragsverhältnis mit Verbrauchern im nationalen Recht durch die Rechtsprechung des BGH eine Absage erteilt worden – eben weil eine Preisindexierungsklausel mit dem Postulat der Kostenechtheit nicht zusammengeht.

Bei diesem Verständnis ist den EVU in Deutschland die Möglichkeit abgeschnitten, Kostenentwicklungen im Dauerschuldverhältnis mit einem Haushaltskunden in einer Weise Rechnung zu tragen, die nicht zu einer Änderung der Vertragsbedingungen führt und damit kein Sonderkündigungsrecht auslöst. Das ist unter Umständen hinzunehmen, soweit Preisanpassungen aufgrund von Veränderungen solcher Kostenbestandteile betroffen sind, die das EVU beeinflussen kann. Bei nicht beeinflussbaren Kostenpositionen gilt das jedoch nicht, zumal aufgrund der durch die Rechtsprechung postulierten Bedingungen für eine wirksame und billige Preisänderung die EVU kaum die Möglichkeit haben, steigende staatliche Belastungen nicht zeitnah weiterzugeben, soll nicht ein zwischenzeitlicher Margenverlust für die restliche Vertragslaufzeit zementiert werden.

Einer Differenzierung nach den Gründen für die Preisanpassung sollte bei der Frage nach dem Bestehen eines Sonderkündigungsrechts also nicht von vornherein eine Absage erteilt werden.

Die Revision wurde zugelassen; es bleibt abzuwarten, ob eine abschließende Klärung durch den BGH erfolgt.

Unabhängig davon beschränken sich die Auswirkungen der Entscheidung auf Lieferverträge mit Haushaltskunden. Zwar spricht § 41 Abs. 3 EnWG allgemein von „Letztverbrauchern“, jedoch regelt § 41 EnWG bereits seiner amtlichen Überschrift nach nur Verträge mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung. Zudem diente die Einführung von § 41 Abs. 3 EnWG der Umsetzung bzw. Klarstellung europarechtlicher Vorgaben, die ihrerseits ein Lösungsrecht vom Vertrag verbindlich nur für Haushaltskunden fordern. Auf Verträge mit Nicht-Haushaltskunden findet § 41 Abs. 3 EnWG deshalb keine Anwendung. Abgesehen davon finden sich in Verträgen mit „echten“ Sonderkunden zumeist Preisindexierungen, deren Umsetzung nach dem Urteil des EuGH vom 26.11.2015 bereits keine zur außerordentlichen Kündigung berechtigende Änderung der Vertragsbedingungen darstellt.