Zum konkludenten Vertragsschluss durch Energieentnahme (BGH, Urteil vom 02.07.2014 – VIII ZR 316/13)

4. Juli 2014 um 14:14 von

bgh_front2Wie bereits in unserem Blog-Beitrag vom 03.07.2014 angekündigt, hat sich der Bundesgerichtshof am 02.07.2014 mit der Frage beschäftigt, mit wem ein Vertrag durch die Entnahme von Energie zustande kommt, wenn ein schriftlicher Liefervertrag nicht abgeschlossen worden und das mit Energie versorgte Grundstück vermietet oder verpachtet ist.

In dem Verfahren VIII ZR 316/13 begehrte die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, von dem Beklagten als Grundstückseigentümer die Vergütung für gelieferte Strommengen in Höhe von insgesamt 32.539,09 €. Der Eigentümer hatte im streitgegenständlichen Zeitraum das Grundstück an seinen Sohn verpachtet, der dort eine Pizzeria betrieb und erhebliche Mengen an Strom verbrauchte. Der Sohn und Pächter hat jedoch weder einen schriftlichen Stromversorgungsvertrag mit der Klägerin geschlossen, noch hat er dieser überhaupt angezeigt, dass er tatsächlich den Strom verbrauchte.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung am 02.07.2014 hat der VIII. Zivilsenat die Klage des Versorgungsunternehmens gegen den Grundstückseigentümer abgewiesen und entschieden, dass der Pächter und nicht der Beklagte als Eigentümer des Grundstücks für die entnommenen Strommengen in Anspruch zu nehmen ist. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten kein Energieversorgungsvertrag bestand. Dieser war vielmehr mit dem Pächter des Grundstücks und der Klägerin zustande gekommen, da sich die Realofferte des Energieversorgungsunternehmens typischerweise an denjenigen richtet, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Hierbei kommt es nach dem Bundesgerichtshof nicht auf die Eigentümerstellung, sondern auf die hierdurch vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss an. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall übte nach Auffassung des Senats der Pächter des Grundstücks die Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss aus und sei deshalb als Adressat des Vertragsangebots der Klägerin anzusehen. Die an ihn gerichtete Realofferte habe er auch konkludent durch die Entnahme des Stroms angenommen. Vertragspartner der Klägerin war daher nach Ansicht des Bundesgerichtshofs der Pächter des Grundstücks und nicht der Beklagte als Eigentümer, obwohl der Pächter gegenüber der Klägerin (vermutlich) noch nicht einmal in Erscheinung getreten war.

An diesem Ergebnis änderte auch die von der Klägerin behauptete, geringfügige und kurzfristige Energieentnahme durch den Beklagten im Zeitraum zwischen dem Eigentumserwerb des Beklagten und der Übergabe des Grundstücks an den Pächter nichts. Derartig kurzfristige und geringfügige Energieentnahmen seien unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen an stabilen Vertragsbeziehungen zu vernachlässigen, so der Bundesgerichtshof in seiner Pressemitteilung Nr. 106/14 vom 02.07.2014.

In dem parallelen Revisionsverfahren VIII ZR 313/13 hat der Bundesgerichtshof dagegen noch kein Urteil verkündet, sondern hat dies erst für den 22.07.2014 angekündigt. Ob der Bundesgerichtshof in diesem Fall, in dem eine Mitmieterin zu keiner Zeit selbst im Mietobjekt gewohnt hat, anders entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Sobald uns hierzu nähere Informationen vorliegen, werden wir selbstverständlich in unserem Blog wieder darüber berichten.

„Ene, mene, muh…“ – OLG Nürnberg zum Vertragsschluss durch sozialtypisches Verhalten

3. Juli 2014 um 12:12 von

OLG Nürnberg„Ene, mene, muh…“,

dieses Spielchen müssen Grundversorger in Hinblick auf die Frage, wer ihre Vertragspartei geworden ist, nicht in jedem Fall länger mitspielen.

Das OLG Nürnberg hat jetzt mit Urteil vom 23.05.2014 (Az. 2 U 2401/12) entschieden, dass der Eigentümer eines Grundstücks, das im Rahmen der Grundversorgung beliefert wird, nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung haftet, wenn er die erforderliche Mitteilung darüber, wer Kunde des Grundversorgers geworden ist (§ 2 Abs. 2 StromGVV), gegenüber diesem unterlässt.

Grundsätzlich kommt der Grundversorgungsvertrag nicht durch übereinstimmende Willenserklärungen zustande, sondern dadurch, dass die Realofferte des Versorgers durch sozialtypisches Verhalten des Kunden (Entnahme von Strom) angenommen wird. Vertragspartner wird daher derjenige, der auf Grund seiner Verfügungsmacht über den Versorgungsanschluss die Leistung entgegennimmt (vgl. BGH NJW, 2003, 313 ff.). Dies kann neben dem Grundstückseigentümer z.B. auch der Mieter oder Pächter sein.

In dem vom OLG Nürnberg zu entscheidenden Fall kamen für das (widerklagende) Versorgungsunternehmen gleich mehrere Personen als Vertragspartei in Betracht: das Anwesen, über dessen Anschluss tatsächlich Strom entnommen worden war, gehörte zunächst der Ehefrau des (Wider-) Beklagten, bevor es im Wege der Zwangsversteigerung an ein Unternehmen mit Sitz in England veräußert wurde. Inhaber dieses Unternehmens sowie diverser anderer Firmen, die alle an der Abnahmestelle gemeldet waren, war der Beklagte. Er selbst war dort jedoch nicht gemeldet.

Im Prozess hat sich der Beklagte auf die formale Position zurückgezogen, weder Eigentümer des Hausgrundstücks noch Kunde des Versorgungsunternehmens zu sein, da er selbst keinerlei Strom entnommen habe. Gleichwohl nahm das Versorgungsunternehmen den Beklagten auf Zahlung der Rechnungsbeträge in Höhe von etwa 5.000,00 € in Anspruch.

Auch wenn dem Beklagten nicht nachgewiesen werden konnte, dass er selbst Strom an der Abnahmestelle entnommen hat, muss der Beklagte als Vertreter des Eigentümers gewusst haben, wer den Strom verbraucht hat. Nach Ansicht des OLG Nürnberg bestand zwischen dem Beklagten und dem Entnehmer des Stroms ein Näheverhältnis, das den Beklagten dazu verpflichtete, dem Versorgungsunternehmen mitzuteilen, wer Abnehmer des Stroms ist. Dieser Pflicht ist der Beklagte, obwohl ihm dies vermutlich leicht möglich gewesen wäre, jedoch nicht nachgekommen. Auch auf Nachfrage des Versorgungsunternehmens hatte der Beklagte keine Auskunft darüber gegeben, wer Vertragspartei geworden ist. Da der Beklagte bis zur Entscheidung keinerlei Angaben zum Kunden gemacht hat, hatte das Versorgungsunternehmen bis zum Schluss auch keine Kenntnis davon, wer Kunde während der Lieferzeit war. Hieran hat das Versorgungsunternehmen, das im Rahmen der Grundversorgung Elektrizität liefert, jedoch anerkanntermaßen ein besonders schützenwertes Interesse. Denn ohne die Kenntnis dessen, wer Vertragspartner ist, kann das Versorgungsunternehmen seine Ansprüche schließlich nicht durchsetzen.

Nach einer Gesamtschau aller Umstände stand zur Überzeugung des OLG Nürnbergs fest, dass der Beklagte gezielt verschwiegen hat, wer Abnehmer des Stroms und somit Vertragspartner des Versorgungsunternehmens war. Der Beklagte wurde deshalb gemäß § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung dazu verurteilt, den dem Versorgungsunternehmen mangels Durchsetzbarkeit des Anspruchs entstandenen Schaden in Höhe des Rechnungsbetrags zu ersetzen.

In seiner Entscheidung hat das OLG Nürnberg in erfreulicher Weise festgestellt: „Es gehört […] zum selbstverständlichen Allgemeinwissen, dass entnommener Strom bezahlt werden muss und dass derjenige, der den Strom liefert, die Person seines Vertragspartners kennen muss.

Leider scheint dies in der Praxis jedoch immer wieder „vergessen“ zu werden, weshalb das Spielchen, wer Vertragspartner des Versorgungsunternehmens geworden ist und deshalb den entnommenen Strom zu bezahlen hat, wohl weitergehen wird.

Zuletzt noch ein Hinweis: Auch der BGH wird sich in zwei noch ausstehenden Entscheidungen (VIII ZR 313/13 und VIII ZR 316/13) mit der Frage, wer im Rahmen der Grundversorgung im Falle eines vermieteten bzw. verpachteten Grundstücks Vertragspartner des Versorgungsunternehmens geworden ist, auseinandersetzen. In beiden Verfahren wurde am 02.07.2014 hierzu mündlich verhandelt. Sobald wir Näheres erfahren, werden wir Sie hierüber in unserem Blog informieren.

Foto: OLG Nürnberg

Der Ton macht die Musik – auch bei der Grundstücksbenutzung

4. Juni 2014 um 12:49 von

Strommast AusschnittSie kennen das Problem: Jeder möchte Strom und Gas zu jeder Zeit verfügbar haben; und das möglichst kostengünstig. Sobald es aber daran geht, einem Nachbarn oder gar einer Person, die man nicht einmal kennt, durch Bereitstellen eigenen Eigentums die gleichen Möglichkeiten zu eröffnen, fehlen jegliche Bereitschaft und jegliches Verständnis.

Der Teufel steckt aber wie so oft im Detail. Obwohl § 12 NAV/NDAV nicht übermäßig kompliziert aufgebaut sind, treten trotz einschlägiger Rechtsprechung immer wieder neue Fallstricke auf, die es zu umgehen gilt. Aber ein weiterer, nicht zu unterschätzender Faktor kommt hinzu: die soziale Komponente. Sobald es an das eigene Eigentum geht, ist die Schwelle der Reizbarkeit äußerst niedrig. Dies bekommen die Mitarbeiter vor Ort immer wieder intensiv zu spüren. Deswegen ist es äußerst wichtig, den richtigen Ton zu treffen. Dies gilt auch und vor allem, wenn sich die Einschaltung eines Rechtsbeistandes nicht mehr vermeiden lässt. Ungeschickt formulierte Schreiben eines Rechtsanwalts können die Fronten für langen Zeit verhärten.

Dies kann letztlich auch zu Schwierigkeiten im Umgang mit öffentlichen Stellen führen. Einschlägige Erfahrungen zeigen, dass Gerichte umso schneller einen „Schutzreflex“ zu Gunsten des Kunden entwickeln, je schwieriger sich die vorgerichtliche Korrespondenz – durch den Netzbetreiber veranlasst – gestaltet hat. Gleiches gilt gegenüber Vollstreckungsbehörden, falls deren Einschaltung beispielsweise im Anschluss an ein Eilrechtsschutzverfahren erforderlich wird. Daher ist, auch weil man sich zumeist zweimal im Leben sieht, Bedacht in der Ansprache an den Kunden geboten.

 

OVG Münster bestätigt Verfassungskonformität der Plangenehmigung nach § 43b Nr. 2 Satz 2 EnWG

17. September 2013 um 08:00 von

OVG-350-srDas OVG Münster (Az.: 11 D 118/10.AK) hatte über die Rechtmäßigkeit einer Plangenehmigung aus dem Jahr 2009 für die Erneuerung und Erweiterung einer 110-kV-Freileitung zu befinden. In seiner Entscheidung vom 06.09.2013 weist der Senat die in der Literatur geäußerte Kritik an der Verfassungsmäßigkeit der Möglichkeit eines mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung versehenen Plangenehmigungsverfahrens nach § 43b Nr. 2 Satz 2 EnWG zurück, wonach eine unmittelbare Beteiligung der Betroffenen bei nur unwesentlicher Beeinträchtigung nicht erforderlich ist. Der Umstand, dass im Plangenehmigungsverfahren eine förmliche Anhörung mit Planauslegung, Einwendungsmöglichkeiten und Erörterungstermin nicht stattfindet, sei unschädlich. Denn als Korrektiv stünde das im Planungsrecht geltende Gebot der gerechten Abwägung der privaten Belange betroffener Dritter zur Verfügung. Überdies werde der gerichtliche Rechtsschutz durch diese Verfahrensart nicht beschnitten. Schließlich bestünden seitens der höchstrichterlichen Rechtsprechung gegen ähnliche Beschleunigungsgesetze des Fachplanungsrechts ebenfalls keine Bedenken.

Darüber hinaus hatte sich das OVG Münster unter anderem mit der Verfristung und Verwirkung des Klagerechts, formalen Verfahrensfehlern sowie immissionsschutz- und abwägungsrechtlichen Belangen auseinanderzusetzen. Dabei bescheinigte der Senat der plangenehmigenden Bezirksregierung Arnsberg unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 22.07.2010, Az.: 7 VR 4.10) eine abwägungsfehlerfreie Anwendung des Bündelungsgebots. Ferner hätten sich auch bestimmte Alternativtrassen, die neue Eingriffe in Rechte Dritter und Natur zur Folge gehabt hätten, gegenüber der bereits vorhandenen Trasse nicht aufgedrängt. Damit gibt auch das OVG Münster dem Grundsatz der Nutzung bereits vorhandener Trassen den Vorzug vor gänzlichen Neuplanungen.

Durchsetzung der Duldungsansprüche nach § 12 NAV

18. Januar 2013 um 17:29 von

Bei der Erneuerung und Erweiterung von Verteilernetzanlagen kommt es immer wieder zu Schwierigkeiten in der Abstimmung mit den jeweiligen Grundstückseigentümern, die nach § 12 NAV verpflichtet sind, Anlagen des örtlichen Verteilernetzbetreibers zu dulden. Oftmals wird trotz mehrfacher Versuche einer gütlichen Einigung der Zutritt zum Grundstück verweigert, so dass die geplanten Projekte nicht zeitnah umgesetzt werden können. In diesen Fällen verbleibt keine andere Möglichkeit, als den Klageweg zu beschreiten. (…)