Inanspruchnahme von Grundstücken – BGH entscheidet zu Gunsten eines Grundstückseigentümers

11. Juli 2014 um 00:40 von

BGH 1004In unserem Blog-Beitrag vom 04.06.2014 hatten wir auf die immer wieder auftretenden Schwierigkeiten im Umgang mit der über § 12 NAV/NDAV eingeräumten Grundstücksbenutzung hingewiesen. Wie wichtig aber überhaupt eine gesetzliche, dingliche oder vertragliche Grundlage ist, hat die jüngste Entscheidung des BGH vom 16.05.2014 (V ZR 181/13) im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme fremder Grundstücke gezeigt.

Dort hatte sich der V. Zivilsenat mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Grundstückseigentümer seinen aus § 1004 Abs. 1 BGB erwachsenden Beseitigungsanspruch verliert, wenn zuvor jahrelang die Inanspruchnahme des Grundstücks durch eine unterirdisch verlegte Anschlussleitung des Nachbarn einvernehmlich geduldet wurde. Diese Frage hat der BGH ausdrücklich zu Gunsten des Grundstückseigentümers entschieden.

Insbesondere führt der BGH in den Entscheidungsgründen aus, dass die Verjährung des bereits vor Jahren entstandenen ursprünglichen Beseitigungsanspruchs keine Pflicht zur Duldung in der Zukunft begründet. Demgemäß kann die Beseitigung einer ursprünglich erlaubten Leitung jederzeit für die Zukunft verlangt werden oder selbst vorgenommen werden.

Des Weiteren betont der Senat, dass die einmal gestatte Verlegung der Leitung durch den ursprünglichen Eigentümer eines Grundstücks keine Bindungswirkung für dessen Rechtsnachfolger entfalten kann. Der BGH gesteht dem Eigentümer des in Anspruch genommenen Grundstücks sogar zu, eine einmal erteilte Gestattung jederzeit zu widerrufen und die aus seinem Eigentum ableitbaren Rechte aus § 1004 Abs. 1 BGB geltend zu machen.

Eine Duldungspflicht des Eigentümers gemäß § 1004 Abs. 2 BGB hätte sich danach allenfalls aus den Grundsätzen der Verwirkung (der Beseitigungsbefugnis des Eigentümers) herleiten lassen. Im konkreten Fall hatte der BGH aber auch dies verneint. Denn ursprünglich wurde die Leitung im Einvernehmen mit dem ehemaligen Eigentümer verlegt und betrieben. Mithin bestand für den Zeitraum bis zur Eigentumsübertragung auf den neuen Eigentümer eine schuldrechtliche Vereinbarung, welche die Grundstücksnutzung ausdrücklich gestattete. Solange aber der Eigentümer auf Grundlage einer schuldrechtlichen Vereinbarung auf die Ausübung seiner Rechte verzichtet, kann er in Bezug auf die Wahrnehmung seiner Beseitigungsansprüche nicht untätig im Sinne der Verwirkung sein.

Diese schuldrechtliche Vereinbarung endete schließlich (erst) mit der Eigentumsübertragung auf den neuen Eigentümer. Dessen Verhalten ließ aber nicht auf die Erfüllung der für die Annahme der Verwirkung erforderlichen Zeit- und Umstandsmomente schließen, da der neue Eigentümer im Gegenteil rasch die Beseitigung der Leitung verlangte. Dementsprechend standen dem neuen Eigentümer mit dem Ende des ursprünglichen Gestattungsvertrages (erneut) die Ansprüche aus § 1004 Abs. 1 BGB zu.

In Ermangelung einer (weiteren) rechtlichen Grundlage, welche die Nutzung des fremden Grundstücks gestattete, war dem Begehren des Grundstückseigentümers in Form der Entfernung der Leitung stattzugeben. Lediglich für Fälle mit besonderen Konstellationen und unbilligen Härten hat der BGH eine Hintertür offen gelassen. Um besonderen Umständen Rechnung tragen zu können, verwies der BGH für zukünftige Fälle auf die Prüfung einer aus § 242 BGB resultierenden unzulässigen Rechtsausübung des Grundstückseigentümers, sofern entsprechende Tatsachen vorliegen und vorgetragen sind.

Inwieweit diese Entscheidung uneingeschränkt auf Leitungen eines Energieversorgungsunternehmens übertragbar ist, wird die Zukunft zeigen. Unterschiede zwischen einer privaten Anschlussleitung und dem Betrieb eines Energieversorgungsnetzes lassen sich jedenfalls nicht nur argumentieren, sondern sollten auch in der künftigen Rechtsanwendung Berücksichtigung finden. Denn im Gegensatz zu der Leitung des Nachbarn dienen die Anlagen eines Netzbetreibers in aller Regel der öffentlichen Energieversorgung und damit nicht nur Singularinteressen. Die Entscheidung des BGH unterstreicht aber ein weiteres mal das Erfordernis, Duldungsrechte dauerhaft in geeigneter Form zu sichern.

Zum konkludenten Vertragsschluss durch Energieentnahme (BGH, Urteil vom 02.07.2014 – VIII ZR 316/13)

4. Juli 2014 um 14:14 von

bgh_front2Wie bereits in unserem Blog-Beitrag vom 03.07.2014 angekündigt, hat sich der Bundesgerichtshof am 02.07.2014 mit der Frage beschäftigt, mit wem ein Vertrag durch die Entnahme von Energie zustande kommt, wenn ein schriftlicher Liefervertrag nicht abgeschlossen worden und das mit Energie versorgte Grundstück vermietet oder verpachtet ist.

In dem Verfahren VIII ZR 316/13 begehrte die Klägerin, ein Energieversorgungsunternehmen, von dem Beklagten als Grundstückseigentümer die Vergütung für gelieferte Strommengen in Höhe von insgesamt 32.539,09 €. Der Eigentümer hatte im streitgegenständlichen Zeitraum das Grundstück an seinen Sohn verpachtet, der dort eine Pizzeria betrieb und erhebliche Mengen an Strom verbrauchte. Der Sohn und Pächter hat jedoch weder einen schriftlichen Stromversorgungsvertrag mit der Klägerin geschlossen, noch hat er dieser überhaupt angezeigt, dass er tatsächlich den Strom verbrauchte.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung am 02.07.2014 hat der VIII. Zivilsenat die Klage des Versorgungsunternehmens gegen den Grundstückseigentümer abgewiesen und entschieden, dass der Pächter und nicht der Beklagte als Eigentümer des Grundstücks für die entnommenen Strommengen in Anspruch zu nehmen ist. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass zwischen der Klägerin und dem Beklagten kein Energieversorgungsvertrag bestand. Dieser war vielmehr mit dem Pächter des Grundstücks und der Klägerin zustande gekommen, da sich die Realofferte des Energieversorgungsunternehmens typischerweise an denjenigen richtet, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss am Übergabepunkt ausübt. Hierbei kommt es nach dem Bundesgerichtshof nicht auf die Eigentümerstellung, sondern auf die hierdurch vermittelte Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss an. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall übte nach Auffassung des Senats der Pächter des Grundstücks die Verfügungsgewalt über den Versorgungsanschluss aus und sei deshalb als Adressat des Vertragsangebots der Klägerin anzusehen. Die an ihn gerichtete Realofferte habe er auch konkludent durch die Entnahme des Stroms angenommen. Vertragspartner der Klägerin war daher nach Ansicht des Bundesgerichtshofs der Pächter des Grundstücks und nicht der Beklagte als Eigentümer, obwohl der Pächter gegenüber der Klägerin (vermutlich) noch nicht einmal in Erscheinung getreten war.

An diesem Ergebnis änderte auch die von der Klägerin behauptete, geringfügige und kurzfristige Energieentnahme durch den Beklagten im Zeitraum zwischen dem Eigentumserwerb des Beklagten und der Übergabe des Grundstücks an den Pächter nichts. Derartig kurzfristige und geringfügige Energieentnahmen seien unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen an stabilen Vertragsbeziehungen zu vernachlässigen, so der Bundesgerichtshof in seiner Pressemitteilung Nr. 106/14 vom 02.07.2014.

In dem parallelen Revisionsverfahren VIII ZR 313/13 hat der Bundesgerichtshof dagegen noch kein Urteil verkündet, sondern hat dies erst für den 22.07.2014 angekündigt. Ob der Bundesgerichtshof in diesem Fall, in dem eine Mitmieterin zu keiner Zeit selbst im Mietobjekt gewohnt hat, anders entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Sobald uns hierzu nähere Informationen vorliegen, werden wir selbstverständlich in unserem Blog wieder darüber berichten.

Aufatmen in Berlin – EuGH entscheidet zur Ökostromförderung

1. Juli 2014 um 17:35 von

mini-parvisMit Erleichterung durfte die Bundesregierung heute ein lang erwartetes Urteil des EuGH in dem Rechtsstreit Ålands Vindkraft AB gegen Energimyndigheten zur Kenntnis genommen haben. Die Entscheidung des EuGH erging zum schwedischen Ökostromgesetz, dürfte aber auch die aktuelle Diskussion um die Europarechtskonformität des EEG wesentlich beeinflussen. Dort hatte sich zuletzt die Diskussion, ob das EEG ganz oder in Teilen, insbesondere in Bezug auf die besondere Ausgleichsregelung, eine unzulässige Beihilfe darstellt, wegbewegt. Vielmehr war sehr zum Unwillen von Herrn Gabriel (vgl. unseren Blog-Beitrag vom 27.06.2014) seitens der Kommission verstärkt problematisiert worden, ob es gegen das europarechtliche Gebot der Warenverkehrsfreiheit (Artikel 34 AEUV) verstoße, wenn ausschließlich in Deutschland erzeugter Strom nach dem EEG gefördert werde.

Dass die Bundesregierung hier alarmiert war, ist nachvollziehbar: Hätte man im Lichte des Artikel 34 AEUV den EEG-Fördermechanismus auch für Grünstrom öffnen müssen, der im Ausland erzeugt worden ist, wäre der EEG-Mechanismus endgültig finanziell kollabiert. Alle Bemühungen der Regierung, mit dem in der letzten Woche verabschiedeten Gesetz die andauernden Steigerungen der EEG-Umlage abzumildern, wären voraussichtlich gescheitert.

Diese Sorgen muss man sich im Lichte der genannten EuGH-Entscheidung wohl nicht mehr machen. Der EuGH hat zwar entschieden, dass in dem schwedischen Fall ein Grundsatz ein Verstoß gegen Artikel 34 AEUV vorliege. Dieser sei jedoch aus Gründen des Umweltschutzes sachlich gerechtfertigt. Dabei weist der Senat zwar darauf hin, dass auch aus Gründen des Umweltschutzes nicht jede nationale Regelung eine Verletzung des unionsrechtlichen Gebots der Warenverkehrsfreiheit rechtfertigen könne. Vielmehr sei vorauszusetzen, dass die Regelung auch verhältnismäßig sei. Bei der Vehältnismäßigkeitsprüfung räumt der EuGH allerdings den Mitgliedstaaten grundsätzlich einen Entscheidungsspielraum ein, weil es auf Unionsebene keine Harmonisierung der nationalen Regelungen zur Grundstromförderung gebe. Von daher sei die Begrenzung der Förderung auf Strom, der tatsächlich in Schweden erzeugt worden ist, nicht unverhältnismäßig, obwohl die grüne Eigenschaft des Stroms unabhängig davon ist, wo der Strom erzeugt wurde.

Foto: Gerichtshof der Europäischen Union

Neues in Sachen EEG

27. Juni 2014 um 07:00 von

EEGWährend der Bundestag morgen nach Lage der Dinge die EEG-Novelle 2014 verabschiedet, ist die Bundesregierung augenscheinlich zunehmend genervt von der Haltung der EU-Kommission. Das legt jedenfalls ein Bericht in ZfK-Online über Äußerungen von Wirtschaftsminister Gabriel auf dem BDEW-Kongress nahe. Ob der Streit zwischen Berlin und Brüssel zur angeblichen Europarechtswidrigkeit von Teilen des EEG beigelegt werden kann oder doch noch eskaliert, bleibt abzuwarten.

Dessen ungeachtet hat der BGH durch Urteil vom 25.06.2014 eine weitere Baustelle, die sowohl für das derzeit gültige als auch das neue EEG zum Problem hätte werden können, einstweilen beseitigt. Die von einem Textilverband unterstützte Klage eines Textilunternehmens gegen seinen Stromlieferanten auf Rückzahlung der im Jahr 2012 entrichteten EEG-Umlage scheiterte auch in dritter Instanz. Zuvor hatten bereits das Landgericht Bochum und das OLG Hamm die Klage bzw. Berufung zurückgewiesen (vgl. hierzu unseren Blog-Beitrag vom 24.04.2013). Gestützt worden war der Rückzahlungsanspruch darauf, dass die EEG-Umlage verfassungswidrig sei, weswegen auch die Belastungen nicht an die Endkunden hätten weitergegeben werden dürfen.

Diese Ansicht hatte jetzt auch vor dem BGH keinen Erfolg. Zivilrechtlich ist die Sache durch diese höchstrichterliche Entscheidung erledigt. Allerdings bleibt dem Kläger die Urteilsverfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht mit dem Argument, der BGH hätte verfassungsrechtliche Grundsätze verkannt. Voraussichtlich wird die Verfassungsbeschwerde eingelegt werden, so dass die Sache in Karlsruhe anhängig bleibt.

Sobald uns die Urteilsgründe vorliegen, werden wir diese selbstverständlich veröffentlichen.

BGH zu OLG Düsseldorf (Beschluss vom 12.12.2012 – VI-3 Kart 137/12 (V)) – Rechtsbeschwerde zurückgewiesen

11. Juni 2014 um 07:00 von

bgh_front2Mit Beschluss vom 03.06.2014 – EnVR 10/13 hat der BGH die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 12.12.2012 – VI-3 Kart 137/12 (V) zurückgewiesen.

Das Oberlandesgericht hatte in der vorstehenden Entscheidung den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 26.01.2012 – BK6-11-052 aufgehoben, mit dem diese den Alt-Konzessionär verpflichtet hatte, die im Rahmen der Netzübernahmeverhandlungen streitigen Mittelspannungsleitungen gegen Zahlung einer wirtschaftlich angemessenen Vergütung nach der Wahl des Neukonzessionärs zu übereignen oder den Besitz hieran zu verschaffen. Dabei hatte die Bundesnetzagentur im Rahmen des nach § 65 EnWG eingeleiteten Verfahrens die Wirksamkeit des Konzessionsvertrages nicht geprüft.

 Das OLG Düsseldorf hatte angenommen, im Rahmen der allgemeinen Missbrauchsaufsicht nach § 65 Abs. 2 EnWG seien auch strukturelle Maßnahmen der Regulierungsbehörde zulässig. Bei der Erforderlichkeit und Angemessenheit solcher Maßnahmen seien aber strenge Maßstäbe anzulegen. Gehe die Regulierungsbehörde im Rahmen ihrer allgemeinen Missbrauchsaufsicht gegen einen Verstoß des Alt-Konzessionärs gegen seine Überlassungspflichten aus § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG vor, so habe sie die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Norm, insbesondere den wirksamen Abschluss eines neuen Konzessionsvertrags, umfassend zu überprüfen. Zum Inhalt des Anspruchs aus § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG der bis zum 03.08.2011 gültigen Fassung vertrat das OLG Düsseldorf die Auffassung, dass kein Anspruch auf Übertragung des Eigentums an den für den Betrieb der Netze der allgemeinen Versorgung im Gemeindegebiet notwendigen Verteilungsanlagen bestehe und gemischt genutzte Anlagen vom Überlassungsanspruch des § 46 Abs. 2 S. 2 EnWG nicht erfasst werden.

Die hiergegen eingereichte Rechtsbeschwerde des Neukonzessionärs hat der BGH im Ergebnis zurückgewiesen. Es bleibt abzuwarten, wie detailliert sich der BGH in den Entscheidungsgründen mit den einzelnen Rechtsfragen auseinandersetzt. Sobald die Entscheidungsgründe vorliegen, werden wir hierüber in unserem Blog informieren.