Kein Entschädigungsanspruch gegen Netzbetreiber trotz häufiger Abregelungen einer konventionellen Anlage

20. April 2020 um 16:23 von

Das OLG Naumburg hat in seinem Urteil vom 20. März 2020 – Az. 7 Kart 2/19 – einen erheblichen Beurteilungsspielraum des Verteilernetzbetreibers für die Auswahl einer geeigneten Maßnahme zur Beseitigung eines Netzengpasses bestätigt. Die wiederholten Abregelungen einer konventionellen Anlage wurden als Notfallmaßnahmen im Sinne des § 13 Abs. 2 EnWG eingestuft, wie sie auch gegenüber dem Anlagenbetreiber und der Bundesnetzagentur jeweils bezeichnet worden sind. Eine Entschädigung kann der Anlagenbetreiber dafür nicht verlangen (§ 13 Abs. 5 Satz 1 EnWG). Die Auffassung des Klägers, ein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Vergütung ergäbe sich demgegenüber aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis gemäß § 13a EnWG, wurde vom Kartellsenat nicht geteilt. Einer marktbezogenen Maßnahme als Voraussetzung des § 13a EnWG sei – so der erkennende Senat – ein vorausschauendes, planendes Element immanent. Das setze aber ein vertragsgleiches Verhalten des Anlagenbetreibers voraus, insbesondere die Bereitschaft zur Übermittlung von Kraftwerksdaten. An dieser Bereitschaft des Anlagenbetreibers fehlte es. Die Revision gegen das Urteil ist zugelassen.

Zinsen auf EEG-Umlage bei fingierter Fälligkeit – BGH schmiedet „scharfes Schwert“ für Übertragungsnetzbetreiber

1. April 2020 um 16:05 von

Für EltVU und Eigenversorger besteht nunmehr die harte Gewissheit, dass sie mit Blick auf die EEG-Meldepflichten gleichsam einer Garantiehaftung unterliegen: Bleibt rein objektiv am Ende eines Kalenderjahres die gemeldete hinter der tatsächlich angefallenen Strommenge zurück, löst dies ohne weiteres Zinsansprüche des ÜNB für die auf die Differenzmenge entfallende EEG-Umlage aus – und zwar in empfindlicher Höhe von 5% p. a.

Die Frage nach dem Zusammenspiel der jeweiligen Vorschriften zum Fälligkeitszins auf die EEG-Umlage (§ 60 Abs. 3 EEG 2017/§ 60 Abs. 4 EEG 2014/§ 37 Abs. 5 EEG 2012) und zur Meldepflicht der EEG-Umlage-Schuldner (§§ 74, 74a EEG 2017/§ 74 EEG 2014/§ 49 EEG 2012) hat der BGH in einem jüngst veröffentlichten Urteil vom 18.02.2020 (Az. XIII ZR 10/19) nunmehr im Sinne der ÜNB beantwortet. Der amtliche Leitsatz dieser Entscheidung lautet:

„Ein Verstoß gegen die Mitteilungspflicht nach § 74 Satz 1 EEG 2014 liegt vor, wenn ein Elektrizitätsversorgungsunternehmen eine größere Energiemenge an Letztverbraucher geliefert als dem Übertragungsnetzbetreiber gemeldet hat.“

Nach der vorangegangenen divergierenden Rechtsprechung der Obergerichte (zugunsten der ÜNB: OLG München, Beschl. v. 03.05.2018 – 28 U 4185/17; OLG Dresden, Beschl. v. 01.02.2019 – 2 U 1671/17; OLG Düsseldorf, u. a. Urt. v. 20.05.2019 – I‑27 U 2/18; OLG Hamm, Urt. v. 10.02.2020, I‑2 U 87/19; zugunsten der EltVU: OLG Dresden, Urt. v. 12.09.2017 – 9 U 455/17; OLG Karlsruhe Urt. v. 26.03.2019 – 8 U 140/17) hat sich der BGH zu den diversen Streitpunkten nun sinngemäß wie folgt positioniert:

  • Die Zinspflicht gemäß § 60 Abs. 4 Satz 2 i. V. m. § 74 Satz 1 EEG 2014 greift auch bei einer bloßen Zu-wenig-Meldung ein, nicht nur bei einer vollständigen Nicht-Meldung (Tz. 33 ff.).
  • Der Anfall dieser Fälligkeitszinsen setzt kein Verschulden voraus (Tz. 54).
  • Soweit das Online-Meldeportal des ÜNB eine Angabe bloßer Prognosedaten vorsieht, bleibt die Pflicht zur unverzüglichen Meldung vollständiger, objektiv zutreffender Strommengen daneben ungeschmälert bestehen; hierin liegt auch keine Treuwidrigkeit des ÜNB (Tz. 51, 57 f.).
  • Der Meldepflicht gemäß § 74 EEG 2014 wird nicht schon durch die Übermittlung von Bilanzkreisdaten genüge getan, die die umlagepflichtige Strommenge präzise abbilden: Denn die Fahrplanmeldungen dienen anderen Zwecken als der Abwicklung der EEG-Umlage, und sie unterscheiden auch nicht zwischen uneingeschränkt umlagepflichtigen und privilegierten Stromlieferungen (Tz. 43 ff.).
  • Liegen dem ÜNB voneinander abweichende Bilanzkreisdaten und EEG-Meldungen vor, darf er die EEG-Umlage-Abschläge anhand der Letzteren bemessen; die Zu-wenig-Meldung ist dann auch kausal für die objektiv unzureichende Abschlagssumme (Tz. 52).
  • Die gegenüber der Vorgängerregelung verschärfte Zinspflicht gemäß § 60 Abs. 4 Satz 2 EEG 2014 – mit dem auf den Jahresbeginn vorverlegten Verzinsungszeitraum – gilt unterschiedslos bezüglich sämtlicher umlagepflichtiger Stromumsätze des Jahres 2014 (Tz. 19 ff., insbes. 23, 26, 30).

Während nach dieser Rechtsprechung also das ungeschmälerte EEG-Umlage-Aufkommen in besonderem Maße geschützt und damit idealiter ein dämpfender Effekt für den Umlagesatz erreicht wird, sind EltVU und Eigenversorger nun gehalten, in ihrer Meldepraxis strengste Sorgfalt walten zu lassen. Zudem sind sie wegen der schwer zu beherrschenden Gefahr unverschuldeter Mengenabweichungen womöglich mit der Frage konfrontiert, inwieweit – als das kleinere Übel gegenüber den hohen Fälligkeitszinsen – gewisse „Risikoaufschläge“ in Kauf zu nehmen sein könnten.

Strenge Anforderungen des BGH an Preisanpassungsklausen im Bereich der Fernwärme

18. März 2020 um 11:57 von

24 Abs. 4 AVBFernwärmeV sieht vor, dass Preisanpassungsklauseln im Bereich der Fernwärme sowohl die Kostenentwicklung bei der Erzeugung und Bereitstellung der Fernwärme als auch die Verhältnisse auf dem Wärmemarkt angemessen berücksichtigen müssen (sog. Kosten- bzw. Marktelement). Was das genau bedeutet, hat der BGH in einem jetzt bekannt geworfenen Urteil vom 18.12.2019 (VIII ZR 209/18) weiter konkretisiert. Dabei hat er die im konkreten Fall streitgegenständliche Preisanpassungsklausel für unwirksam erklärt, weil sie dem Gebot der Kostenorientierung gemäß § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV nicht entspreche.

Zum Verhängnis wurde dem Wärmversorgungsunternehmen dabei, dass der für die Brennstoffkosten relevante Gaspreis nur zu 75 % durch den HEL-Faktor bestimmt wurde, die Preisanpassungsregelung im Wärmeliefervertrag für den vertraglich vereinbarten Arbeitspreis jedoch zu 100 % von der Entwicklung der HEL-Notierungen abhängig war. Darüber hinaus beanstandete der BGH, dass Änderungen in den HEL-Notierungen auf die Brennstoffkosten einerseits und den Fernwärmepreis andererseits gemäß den jeweiligen vertraglichen Vereinbarungen in unterschiedlich starker Weise durchschlagen. Dies führe dazu, so der BGH, dass entgegen dem Gedanken des § 24 Abs. 4 AVBFernwärmeV das Wärmeversorgungsunternehmen unter Umständen höhere Beträge als nur die Kostensteigerung an den Endkunden weitergebe und auf diese Weise zusätzliche Gewinne realisieren könne.

Dem Wärmeversorgungsunternehmen hat es auch nicht geholfen, dass sich die vom BGH festgestellten Probleme mit der streitgegenständlichen Preisanpassungsklausel wirtschaftlich nicht wesentlich zum Nachteil des Kunden ausgewirkt hatten. Insoweit verweist der BGH auf seine ständige Rechtsprechung, dass eine Preisänderungsregelung generell sicherstellen müsse, dass sich die vom Kunden zu tragende Preiskomponente der Wärmeerzeugungskosten nicht anders entwickle als die Kosten des Brennstoffbezugs. Der BGH spricht in diesem Zusammenhang von einem abstrakt-generellen Gleichlauf der Kostenkomponenten und kommt zu dem Ergebnis, dass eine Preisanpassungsklausel bereits dann unwirksam ist, wenn dieser Gleichlauf nicht unter allen Umständen gewahrt ist.

Eine ergänzende Vertragsauslegung in Anlehnung an die Rechtsprechung zur unwirksamen Preisanpassungen im Bereich der Gas-Grundversorgung wird ebenfalls abgelehnt. Der BGH weist in diesem Zusammenhang nur knapp darauf hin, dass Wärmeversorgungsunternehmen anders als Grundversorger weder einem Kontrahierungszwang unterlägen noch Einschränkungen bei der ordentlichen Kündigung des Fernwärmelieferungsvertrages bestünden. Kartellrechtliche Restriktionen lässt der BGH in diesem Zusammenhang offenbar unberücksichtigt.

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Bei dieser Gelegenheit wünschen wir allen Leserinnen und Lesern unseres Blogs beste Gesundheit und eine baldige Rückkehr in den Regelbetrieb!!

Beginn der Verjährung (immer noch erst) nach Rechnungslegung

7. August 2019 um 18:36 von

bgh_front2In einer für die energiewirtschaftliche Praxis wichtigen Entscheidung hat der BGH mit aktuellem Urteil vom 17.07.2019 (AZ: VIII ZR 224/18) seine jahrzehntelange Rechtsprechung bestätigt, dass die Verjährung eines Vergütungsanspruchs im Bereich der Grundversorgung erst am Ende des Jahres zu Laufen beginnt, in dem die Rechnung gelegt worden ist. Auf die tatsächliche Belieferung kommt es also nicht an. Der BGH begründet dies damit, dass gemäß § 17 Abs. 1 GVV der Vergütungsanspruch erst mit Rechnungslegung fällig werde und damit erst zu diesem Zeitpunkt im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstehe.

Das alles ist für Energiejuristen nichts Neues. Neu ist hingegen, dass der BGH explizit den Versuch zurückgewiesen hat, an diesem verjährungsrechtlichen Ergebnis etwas mit Verweis auf § 40 Abs. 4 EnWG zu ändern. Danach müssen Lieferanten sicherstellen, dass der Letztverbraucher die Abrechnung spätestens sechs Wochen nach Beendigung des abzurechnenden Zeitraums bzw. spätestens sechs Wochen nach Beendigung des Lieferverhältnisses erhält. Unter Berücksichtigung dieser Regelung hatte das Landgericht Flensburg als Berufungsgericht die Auffassung vertreten, der Beginn der Verjährung sei entgegen der alten BGH-Rechtsprechung doch vorzuverlegen, wenn der Grundversorger die Abrechnung entgegen § 40 Abs. 4 EnWG verzögere.

Dem hat der BGH allerdings eine Absage erteilt. § 40 Abs. 4 EnWG sei keine Bestimmung, die den Lauf der Verjährung betreffe. Allerdings sei § 40 Abs. 4 EnWG auch nicht aus rechtlicher Sicht unbeachtlich. Wenn ein Energieversorger mit seiner Abrechnungspraxis dagegen verstoße, sei zwar die Forderung nicht verjährt; allerdings kämen grundsätzlich Schadenersatzansprüche des Kunden in Betracht. Der BGH lässt allerdings auch anklingen, dass in aller Regel nur das Energieversorgungsunternehmen, nicht der Kunde, durch eine zeitlich verspätete Abrechnung einen Nachteil erleidet.

BGH bestätigt Festlegung der BNetzA zu den Eigenkapitalzinssätzen in der dritten Regulierungsperiode

9. Juli 2019 um 18:08 von

hand-517114_1280Mit Beschlüssen vom 09.07.2019 (EnVR 41/18 und EnVR 52/18) hat der BGH die Rechtsbeschwerden der Netzbetreiberin zurückgewiesen, auf die Rechtsbeschwerde der BNetzA die Beschwerdeentscheidungen des OLG Düsseldorf vom 22.03.2018 (Az. 3 Kart 1061/16 und 3 Kart 1062/16) aufgehoben und die Festlegung der BNetzA zur Höhe der Eigenkapitalzinssätze in der dritten Regulierungsperiode bestätigt. Damit bleibt es für Neuanlagen bei einem Zinssatz von 6,91 % und für Altanlagen bei 5,12 %.