Neues zur Billigkeitsprüfung bei Netz(nutzungs)entgelten

27. August 2014 um 13:49 von

NetzWer gedacht hatte, dass das Thema „Billigkeitsprüfung bei Netz(nutzungs)entgelten“ inzwischen rechtlich endgültig abgearbeitet worden ist, der irrt. Dies zeigen jüngst veröffentlichte Entscheidungen des BGH unter den Kurzbezeichnungen Stromnetznutzungsentgelt VI und VII. Darüber hinaus hat das OLG Düsseldorf in einem Urteil vom 13.08.2014 die BGH-Entscheidung Stromnetznutzungsentgelte V weiter konkretisiert:

In Stromnetznutzungsentgelt VI (KZR 27/13) bestätigt der BGH unsere Argumentation aus den ersten beiden Instanzen, dass die Rechtsprechung zur Indizwirkung genehmigter Netzentgelte nicht in sozusagen umgekehrter Richtung gilt, also nicht etwa das aufsichtsbehördlich genehmigte Netzentgelt die Unbilligkeit des höheren, zuvor unter der VV II plus verlangten Netznutzungsentgelts indiziert. Jedenfalls reiche, so der BGH, die im konkreten Verfahren festgestellte Abweichung der Netzentgelte von 9,75 % für eine solche negative Indizwirkung nicht aus. Darüber hinaus erteilt der BGH überzogenen Anforderungen an die Netzbetreiber, wie detailliert sie ggf. ihre Kostenkalkulation offen zu legen haben, eine Absage. Vielmehr reicht es aus, wenn die angesetzten Kosten im Einzelnen aufgeführt werden und darüber hinaus dargelegt wird, an Hand welcher Methoden diese Kosten aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung abgeleitet wurden (Textziffer 29 der Entscheidung Stromnetznutzungsentgelt VI).

Im Fall Stromnetznutzungsentgelte VII (KZR 13/13) bestätigt der BGH seine Rechtsprechung zur Verjährung von Ansprüchen auf Rückzahlung von Netzentgelten. Der BGH stellt unter Bezugnahme auf seinen Hinweisbeschluss aus dem Jahre 2009 klar, dass der Beginn der allgemeinen Verjährung nicht wegen einer unübersichtlichen oder zweifelhaften Rechtslage hinausgeschoben war, sondern nach den allgemeinen Regeln am Ende des Jahres zu laufen begonnen hat, in welchem die vermeintlich überhöhten Netzentgelte geleistet wurden.

Allerdings lösen Abschlagszahlungen, die nicht auf einzelne Teilleistungen bezogen werden können, noch nicht den Beginn der Verjährung aus. Nach den Ausführungen des BGH dürfte die Verjährung bei der Netznutzung zur Belieferung von Standardlastprofilkunden typischerweise am Ende des Jahres beginnen, in welchem die Jahresrechnung gelegt worden ist. Bei RLM-Kunden dürfte es im Regelfall jedoch auf die einzelnen Monatsrechnungen ankommen, da diese auf einzelne monatliche Teilleistungen bezogen werden können.

Schließlich hat das OLG Düsseldorf mit Urteil vom 13.08.2014 (VI-2 U 2/13) die Berufung eines besonders klagefreudigen Netznutzers mit Sitz in Hamburg gegen eine klageabweisende Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf zurückgewiesen. Im dortigen Fall ging es um die Rückforderung aufsichtsbehördlich genehmigter Netzentgelte.

Auch hier bestätigt das OLG Düsseldorf unsere Argumentation aus der ersten Instanz. Es nimmt dabei vor allem Bezug auf die Rechtsprechung des BGH aus der Entscheidung Stromnetznutzungsentgelte V zur Indizwirkung der aufsichtsbehördlich erteilten Entgeltgenehmigung. Aufgrund dieser Indizwirkung ist der Netznutzer im Rückforderungsprozess nach Ansicht des OLG Düsseldorf

„…mit allen Argumenten ausgeschlossen, die sich auf die generellen Schwächen der Datenerhebung sowie die generelle Dichte und Tiefe der Prüfung durch die Bundesnetzagentur beziehen.“

Vielmehr müssten darüber hinausgehende Umstände des konkreten Einzelfalls vorgetragen werden, um die Indizwirkung der Entgeltgenehmigung insgesamt zu erschüttern.

Da die Klägerin nichts dergleichen vorgetragen hatte, hat das OLG Düsseldorf konsequenterweise die Berufung zurückgewiesen. Es hat aber die Revision zugelassen. Womöglich können wir also an dieser Stelle demnächst über das BGH-Urteil Stromnetznutzungsentgelt VIII berichten.

Klarstellung des BGH: Wirksamer Preissockel bedingt anteilige Fälligkeit von Grundversorgungsentgelten

13. Januar 2014 um 16:29 von

BGH-CiIn einem aktuellen Urteil vom 11.12.2013 (Az. VIII ZR 41/13) hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Einwand unwirksamer Preisanpassungen die Fälligkeit des abgerechneten Stromlieferentgelts nicht in voller Höhe entfallen lasse. Jedenfalls bis zu derjenigen Höhe, in der ein Entgelt auch nach dem vertraglichen Ausgangspreis geschuldet ist, sei die Forderung vielmehr fällig. Dieser fällige Sockelbetrag könne insbesondere eine Versorgungsunterbrechung gemäß § 19 Abs. 2 StromGVV rechtfertigen. Den Text dieses Urteils stellen wir Ihnen in der beigefügten Datei zur Verfügung.

Damit hat der Bundesgerichtshof die ursprüngliche Entscheidung der Energiewirtschaftskammer des Landgerichts Dortmunds vom 27.01.2011 (Az. 13 O 46/09 EnWG), auf welche wir seinerzeit in unserer Mandanteninformation hingewiesen hatten, nunmehr bestätigt. Zugleich hat der Senat den Trugschluss, dass er in seinem früheren Urteil vom 09.02.2011 (VIII ZR 295/09, dort Rn. 48) vermeintlich Gegenteiliges entschieden habe, ausdrücklich zurückgewiesen.

Zur Begründung seines aktuellen Urteils vom 11.12.2013 verweist der Senat unter anderem auf die Formulierung des § 17 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StromGVV („soweit“). Diese mache deutlich, dass offensichtliche Fehler in einer Rechnung die Fälligkeit der Forderung nur in dem Umfang hemmen, in dem sich der Fehler auswirkt (BGH, a.a.O. Rn. 16 f.). Keine solche Auswirkung sei jedoch insoweit gegeben, als das streitige Stromlieferentgelt bereits auf Basis des vertraglichen Ausgangspreises (anteilig) geschuldet werde. Hierbei spiele es keine Rolle, ob ein Preisanpassungsrecht (nur) in unbilliger Weise ausgeübt worden sei oder ob es – etwa wegen Verstoßes gegen europarechtliche Vorgaben – schon nicht wirksam bestehe (BGH, a.a.O. Rn. 13 f.).

Schließlich lasse eine (nicht unverhältnismäßig hohe) Zuvielforderung des Versorgungsunternehmens den Zahlungsverzug des Kunden nicht entfallen, solange Letzterem eine eigene Neu‑Berechnung des Entgelts unschwer möglich und somit zumutbar sei. Denn wer ein Zahlungsverweigerungsrecht geltend mache, müsse sich grundsätzlich selbst von dem Umfang seiner diesbezüglichen Berechtigung vergewissern. Folglich sei es nicht Aufgabe des Lieferanten, seine Forderungen nach streitigen und unstreitigen Teilbeträgen aufzuschlüsseln, ehe er die Stromversorgung unterbricht (BGH, a.a.O. Rn. 25 und 27).

Insbesondere im Hinblick auf die rechtspraktischen Konsequenzen ist dieses Urteil des Bundesgerichtshofs gleichermaßen überzeugend und begrüßenswert. Dass nämlich ein Streit um die Wirksamkeit bloßer (anteiliger) Preiserhöhungen dem Kunden die Möglichkeit verschaffen sollte, bis zur endgültigen Klärung und mithin für unabsehbare Zeit entgeltfrei Energie zu beziehen, würde die Vorleistungspflicht des Energielieferanten in unverhältnismäßiger Weise überspannen.

 

 

Es ist nie zu spät…

29. August 2013 um 10:14 von

IMG_0099…meint offenbar die Saint-Gobain-Gruppe, die derzeit eine Reihe von Netzbetreibern mit Rückforderungsklagen wegen angeblich überhöhter Netzentgelte seit dem Jahr 2002 überzieht. Dabei soll die dreijährige Verjährungsfrist offenbar dadurch umgangen werden, dass man nicht eine unbillige Festsetzung der Netzentgelte geltend macht, sondern sich auf kartellrechtliche Anspruchsgrundlagen beruft. Es ist aber zweifelhaft, ob kartellrechtliche Anspruchsgrundlagen überhaupt zur Anwendung kommen und, wenn ja, wie Saint-Gobain der Darlegungs- und Beweislast nachkommen will. Denn die Grundsätze, die von der Rechtsprechung in den diversen Verfahren zu § 315 BGB entwickelt worden sind, dürften nicht ohne weiteres übertragbar sein. Zudem ist nach der Rechtsprechung des BGH eine Rückforderung von Netzentgelten im sog. Mehrerlös-Zeitraum zwischen der erstmaligen Beantragung und dem Erlass der ersten Netzentgeltgenehmigung nach § 23a EnWG überhaupt nicht und danach in den Zeiten aufsichtsbehördlich genehmigter Netzentgelte allenfalls in strengen Ausnahmen möglich.