Grundsätze der Gasnetz Rösrath Entscheidung des BGH gelten auch bei Wasserkonzessionsvergaben

8. Dezember 2023 um 13:44 von

In einer aktuellen Entscheidung vom 07.12.2023 – 37 O 64/23 hat das LG Düsseldorf entschieden, dass die Grundsätze der BGH-Entscheidung vom 07.09.2021 (Gasnetz Rösrath) auch im Rahmen von Wasserkonzessionsvergaben anzuwenden sind.

Der Anwendbarkeit soll insbesondere nicht entgegenstehen, dass es neben der Unanwendbarkeit der §§ 97 ff. GWB an einer mit § 46 Abs. 4 Satz 1 EnWG i.V.m. § 1 Abs. 1 EnWG vergleichbaren Regelung fehle und diese Vorgaben für die Vergabe von Wasserkonzessionsverträgen auch nicht im Wege der Analogie anzuwenden seien. Die Gemeinde als Konzessionsgeber sei dadurch zwar bei der Aufstellung und Gewichtung der Auswahlkriterien freier und verfüge insoweit über einen weiteren Ermessensspielraum, die zur Herstellung der Transparenz erforderliche Möglichkeit einer Überprüfung der Auswahlentscheidung erfordere auf der Ebene der Angebotsbewertung aber „die Einsichtnahme in den Auswertungsvermerk“. Das Landgericht hebt in diesem Zusammenhang hervor, dass der BGH den Unterrichtungsanspruch gerade nicht aus der Sondervorschrift des § 47 EnWG hergeleitet habe, sondern mit dem allgemeinen kartellrechtlichen Missbrauchsverbot und insoweit mit dem Diskriminierungsverbot nach § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB, das auch bei Wasserkonzessionsvergaben zu beachten sei.

Die Besonderheiten der Wasserversorgung rechtfertigen es nach Auffassung des Landgerichts nicht, dem Geheimhaltungsinteresse des siegreichend Bieters ein höheres Gewicht einzuräumen als einem obsiegenden Bieter in Strom- bzw. Gaskonzessionsvergabeverfahren.  Auch in Wasserkonzessionsvergabeverfahren gelte daher, dass Geheimhaltungsinteressen hinsichtlich am Auswertungsvermerk enthaltener Angaben nur zurückhalten anerkannt werden können und insbesondere für die Gemeinde selbst oder den erfolgreichen Bieter nur in engen Ausnahmefällen in Betracht kommen.

Bezugsstrompreis bei kaufmännisch-bilanzieller Weitergabe; Darlegungslast für Strom-mengenabrechnung

21. November 2023 um 12:33 von

Ein und dieselbe Strommenge aus einer EEG-Anlage kann – in der realen Welt – nicht gleichzeitig selbst verbraucht und zusätzlich noch dem Netzbetreiber überlassen werden. Aus diesem Grund entspricht es seit jeher der Branchenpraxis, dass im Fall einer kaufmännisch-bilanziellen Weitergabe (§ 11 Abs. 2 EEG 2023) von EEG-Erzeugungsmengen, die fiktiv in das Netz eingespeist und dem Netzbetreiber übereignet werden, für die Zwecke des Bilanzkreissystems und der vertrieblichen Abrechnung eine gegenläufige fiktive Ausspeise- und Liefermenge berücksichtigt wird.

Ob für solche rein fiktiven Stromlieferungen der betreffende Lieferant – neben dem Netto-Produktpreis und den eigentlichen Netzentgelten (hierzu bereits BGH, Beschl. v. 27.03.2012 – EnVR 8/11; Beschl. v. 12.07.2013 – EnZR 73/12) – auch die jeweiligen Umlagen gemäß EEG, KWKG, § 17f EnWG, § 19 Abs. 2 StromNEV, § 18 AbLaV sowie die Konzessionsabgaben von dem EEG-Anlagenbetreiber/Letztverbraucher verlangen kann, stand in zwei parallelen Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Düsseldorf in Streit. In seinen beiden Urteilen vom 26.10.2023 (Az. 14d O 1/18 u. 14d O 10/19 – noch nicht rechtskräftig) hat das Gericht diese Frage nunmehr bejaht und sinngemäß wie folgt begründet:

Da der Normzweck der kaufmännisch-bilanziellen Weitergabe allein darauf beschränkt sei, die volkswirtschaftlich unsinnigen Kosten für einen separaten (reinen) Einspeiseanschluss zu vermeiden, müsse sich der EEG-Anlagenbetreiber in jeder anderen Hinsicht wie bei einer physikalischen Einspeisung samt gegenläufigem (Netz‑)Bezug seiner Bedarfsmengen behandeln lassen. Wenn unter Geltung der so verstandenen Gesetzesbestimmung zur kaufmännisch-bilanziellen Weitergabe ein Stromliefervertrag geschlossen werde, dessen Preisregelung nicht zwischen physikalischer und fiktiver Lieferung differenziere, werde der vereinbarte Vertragspreis mit seinen sämtlichen Bestandteilen auch für die nur fiktiv gelieferten/bezogenen Strommengen geschuldet.

Aufschlussreich sind die beiden Urteile ferner bezüglich der Frage, wer im Rückforderungsprozess zwischen Letztverbraucher und Stromlieferant die Darlegungslast für das zutreffende Mengengerüst der Lieferabrechnungen trägt:

So führt nach dem dortigen obiter dictum des Landgerichts Düsseldorf jedenfalls dann, wenn der Stromliefervertrag die Zulässigkeit einer Zahlungsverweigerung (entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 2 StromGVV) auf Fälle offensichtlicher Abrechnungsfehler oder einer klärungsbedürftigen Verdoppelung des Verbrauchsumfangs beschränkt, eine Zahlung unter pauschalem Vorbehalt im Zweifel nicht zu einer vollständigen Umkehr der Darlegungslast zulasten des Lieferanten. Vielmehr obliege es demnach auch im Rückforderungsprozess zunächst dem Letztverbraucher, konkrete Fehleranzeichen darzulegen, um dadurch eine eigene (sekundäre) Darlegungslast des Lieferanten zu begründen.

JUVE – Wir bleiben konstant gut!

6. November 2023 um 09:00 von

Wir freuen uns sehr, weiterhin als eine der renommiertesten Kanzleien im Energiewirtschaftsrecht (4 von 5 Sternen) im JUVE-Handbuch 2023/2024 geführt zu werden.

Wir danken wie immer unseren Mandantinnen und Mandanten sowie auch Kolleginnen und Kollegen für die Unterstützung und die Bereitschaft, gegenüber der JUVE-Redaktion unsere Expertise und unsere Arbeitsweise hervorzuheben. Wir versprechen Ihnen, dass wir auch weiterhin Ihre Erwartungen erfüllen werden.

Biogas: 10 Jahre sind 10 Jahre!

30. Oktober 2023 um 09:00 von

Das Landgericht Dortmund hat mit Urteil vom 20.09.2023 die Klage eines Biogaserzeugers zurückgewiesen, der die Fortzahlung des vermiedenen Netzentgelts in Höhe von 0,7 ct/kWh auf Grundlage von § 20a GasNEV auch über einen Zeitraum von 10 Jahren ab Inbetriebnahme hinaus begehrt hatte. Der Wortlaut des Gesetzes „für 10 Jahre ab Inbetriebnahme des jeweiligen Netzanschlusses“ ist nach Auffassung des Landgerichts eindeutig als zeitliche Befristung des Entgeltanspruchs zu verstehen. Die Versuche des klagenden Anlagenbetreibers, die Regelung in eine Mindestfrist umzudeuten, überzeugten das Landgericht nicht.

Dem klagenden Biogasbetreiber hat es auch nicht geholfen, dass seine Anlage zeitlich vor Einführung der 10jährigen Befristung in § 20a GasNEV in Betrieb genommen worden war. Die gesetzliche Änderung aus dem Jahr 2010, mit der die Befristung eingeführt worden war, regele die Auszahlung des vermiedenen Netzentgelts für in der Zukunft liegende Zeiträume neu, namentlich ab dem Jahr 2019, nachdem die Biogasanlage im konkreten Streitfall in 2009 in Betrieb genommen worden war. Damit entfalte die Verordnungsänderung lediglich eine unechte Rückwirkung, weswegen sie verfassungsrechtlich unbedenklich sei.

Anders als das Landgericht Augsburg in einer älteren Entscheidung aus 2018 sah das Landgericht Dortmund im konkreten Fall auch keinen vertraglichen Zahlungsanspruch gegen den Netzbetreiber als gegeben. Die vertragliche Vereinbarung dokumentiere hinreichend eindeutig, dass keine zusätzlichen, über die gesetzlichen Bestimmungen hinausgehenden Zahlungsansprüche geschaffen werden sollten.

Die Entscheidung des Landgerichts Dortmund ist noch nicht rechtskräftig.

OLG Hamm mit lehrreicher Entscheidung zu Messung und Energievertrieb

20. Oktober 2023 um 09:00 von

Mit Urteil vom 15.06.2023 (Az. 2 U 179/21) hat das Oberlandesgericht Hamm im Rahmen eines Berufungsverfahrens über einen Fall mit einigen für das Vertriebsrecht interessanten Fragestellungen entschieden. Ein Energieversoger hat einen größeren Industriekunden mit Strom beliefert und aufgrund eines Fehlers des Messstellenbetreibers bei der Verarbeitung der Messwerte über Jahre einen deutlich zu niedrigen Stromverbrauch abgerechnet. Nachdem der Fehler auf Seiten des Messstellenbetreibers aufgefallen war, hat der Energieversorger Korrekturrechnungen gegenüber dem Kunden ausgestellt, die mit einer hohen Nachforderung endeten. Der Kunde hat keine Zahlungen an den Versorger geleistet und sich hierbei neben verschiedenen anderen Einwänden u.a. auf die dreijährige Ausschlussfrist aus § 18 Abs. 2 Hs. 2 StromGVV bzw. einer dieser Regelung nachgebildeten Klausel aus den AGB des Liefervertrages berufen. Außerdem hat er für den Fall einer Stattgabe der Klage widerklagend Schadensersatzansprüche geltend gemacht und zur Begründung angeführt, dass ihm bei einer rückwirkenden Abrechnung des höheren Stromverbrauchs wegen der inzwischen abgelaufenen Antragsfristen energie- und steuerrechtliche Privilegierungen in Form einer Reduzierung der EEG-Umlage (im Rahmen der besonderen Ausgleichsregelung) und der Stromsteuer entgehen würden.

Das Oberlandesgericht Hamm hat die erstinstanzliche Entscheidung des Landgerichts Arnsberg, mit der der Klage des Versogers in überwiegendem Umfang stattgegeben und die (hilfsweise) Widerklage abgewiesen wurde, bestätigt. Es hat die AGB-rechtliche Zulässigkeit der die Regelung aus § 18 Abs. 2 Hs. 2 StromGVV nachbildenden Klausel bestätigt und sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Beginn und zur Berechnung der Ausschlussfrist angeschlossen. Die Frist werde von dem Zeitpunkt an zurückgerechnet, in welchem der Kunde von der Möglichkeit, wegen eines Berechnungsfehlers in Anspruch genommen zu werden, aufgrund eigener Feststellungen oder durch Mitteilung des Versorgungsunternehmens jedenfalls dem Grunde nach Kenntnis erlangt habe. Dieser Zeitpunkt fordere weder eine positive Kenntnis des Kunden von Einzelheiten des Berechnungsfehlers und des Zeitraums, in dem er sich auswirke, noch von der Höhe etwaiger Nach- oder Rückzahlungen oder auch nur die Gewissheit, dass der Kunde überhaupt nachträglich in Anspruch genommen werde.

Aus Sicht des Oberlandesgerichts sei die Klageforderung auch nicht verjährt. Eine der Regelung aus 17 Abs. 1 Satz 1 StromGVV nachgebildete Klausel aus den AGB des Liefervertrages begegne keinen AGB-rechtlichen Bedenken. Maßgebend für den Beginn der Verjährungsfrist sei nicht der Zeitpunkt, zu dem der Versorger die Fälligkeit durch Vorlage einer Abrechnung hätte herbeiführen können, sondern der Zeitpunkt, an dem die Nachforderungsansprüche fällig würden. Es komme also nicht auf die Ausstellung der ersten, fehlerhaften Rechnungen, sondern auf die Ausstellung der Korrekturrechnungen an. Eine Verwirkung der Klageforderung komme ebenfalls nicht in Betracht. Aus der kommentarlosen Übersendung der fehlerhaften Ursprungsabrechnungen habe der Kunde nicht schließen können, dass der Versorger keine Nachzahlungen im Falle von Berechnungsfehlern erheben würde.

Mit Blick auf die Abweisung der Widerklage des Kunden sind insbesondere die Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamm zur Frage der Zurechnung des Verschuldens des Messstellenbetreibers an den Versorger interessant. Aus Sicht des Gerichts handele der Messstellenbetreiber bei der Ermittlung und Verarbeitung der Messwerte nicht als Erfüllungsgehilfe des Versorgers im Sinne von § 278 BGB. Der Messstellbetreiber erfülle mit der Ablesung der Messgeräte und der anschließenden Berechnung des Stromverbrauchs eine eigene Pflicht. Im Übrigen habe der Messstellenbetreiber den Fehler nicht grob fahrlässig verursacht. Er habe einen schlichten, wenngleich ungewöhnlichen Rechenfehler begangen, der sich anschließend unverändert fortgesetzt habe, aber nicht jedem Sachkundigen gleichsam ins Auge habe fallen müssen. Daher könnte sich der Versorger erfolgreich auf die – ebenfalls AGB-rechtlich wirksame – Haftungsbeschränkung aus dem Stromliefervertrag berufen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm ist rechtskräftig.